domingo, 19 de agosto de 2007

Im nächsten Jahr in.....Argentinien

Im nächsten Jahr in.....Argentinien
Juden in Argentinien, zwischen Integration und Antisemitismus

Viele jüdische Gemeinde überall auf der Welt beenden ihre Feiern zum Neujahrstag (Rosh Hashana) mit dem Spruch: „Im nächsten Jahr in Jerusalem“. Nichts anderes geschieht in den jüdischen Gemeinden in Argentinien, aber die große Mehrheit der argentinischen Juden denkt nicht an die Alia (Auswanderung nach Israel).

Geschichte der Einwanderung

Im Jahr 1492 wurde nicht nur Amerika von den Spaniern „entdeckt“, sondern im selben Jahr haben die katholischen Könige von Spanien alle Moslems und Juden aus Spanien vertrieben. Diejenigen Juden die in Spanien bleiben wollten, haben ihren Glauben verheimlicht und in der Öffentlichkeit als Christen weitergelebt. Man nannte sie "marranos“. Nach Meinung mancher Historiker wurden die Reisen des Admirals Colon und anderer „Conquistadores“ (Eroberer) durch „marranos“ organisiert, um ihr Überleben zu sichern. Durchaus möglich, daß bei der Eroberung und Gründung des Vizekönigreichs des Rio de la Plata, das heutige Argentinien, auch mehrere „marranos“ beteiligt waren.
Während der Kolonialzeit und bis in die 70er Jahre des 19.Jahhunderts siedelten ansonsten nur einzelne jüdische Familien im heutigen Argentinien. Die spanische Inquisition beobachtete mißtrauisch diese einzelne Ausländer, die sich dort als Händler oder Vertreter ausländischer Gesellschaften niederließen.
Mit der Masseneinwanderung der letzten zwanzig Jahren des 19.- und der ersten zwei Dekaden des 20.Jahrhunderts begann auch die Einwanderung der Juden nach Argentinien. Getrieben wurden sie meistens durch den in Osteuropa herrschenden Antisemitismus. Jeder Pogrom im zaristischen Rußland löste eine neue Einwanderungswelle aus.
Diese Einwanderer ließen sich nicht nur in Buenos Aires nieder, sondern leisteten ihren Beitrag zur Erschließung des Landesinneren. Sie gründeten Siedlungen, die zum Teil noch heute bestehen und zu Städte gewachsen sind (z.B. Moisesville in der Provinz Santa Fe). Diese Siedlungen hatten einen landwirtschaftlichen Charakter und gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben westeuropäische Juden (Familien Hirsch/ Rothschild) erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die Existenz der Siedlungen zu sichern. Das Leben dieser Juden im Landesinnere ist in die argentinische Literatur bereits eingegangen durch das Werk des Schriftstellers Alberto Gerchunoff, „Los gauchos judios“.
Der Erfolg dieser Einwanderungswelle sprach sich in der jüdischen Welt um. Während der ersten Jahre der zionistischen Bewegung, gab es Überlegung den neuen jüdischen Staat auf argentinischen Boden aufleben zu lassen (*1), aber diese Idee wurde durch die Entscheidung zu Gunsten Palästinas verworfen.
Diese Einwanderer gründeten zahlreiche Institutionen die das gesamte Leben der Juden in Argentinien begleiteten. Synagogen, Sportvereine, Kulturvereine, Presse und eigene politische Parteien wurden gegründet. Jiddisch, die Umgangssprache der osteuropäischen Juden, wurde zur meist gesprochene Fremdsprache in manchen Viertel von Buenos Aires, wie z.B. Once oder Villa Crespo. Zwischen 1906 und 1912 wanderten ca. 13.000 Juden pro Jahr nach Argentinien, 1920 zählte die Gemeinde ca. 150.000 Mitglieder.
In den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts gab es eine andere Einwanderungswelle. Aus dem zusammenbrechenden otomanischen Imperium (hauptsächlich aus Syrien und Libanon) wanderte eine größere Anzahl von sephardischen Juden nach Argentinien. Innerhalb der jüdischen Gemeinde in Argentinien blieben sie aber eine Minderheit (ca. 15%).
So wie andere Einwanderer traten die Juden in die damals neu gegründeten gewerkschaftlichen Organisation ein und wurden sehr rasch vom argentinischen Establishment als Gefahr zum „Status Quo“ angesehen.
In Zusammenhang mit der Niederschlagung eines Streiks in Buenos Aires, kam es 1919 zu einem Pogrom im Viertel Once. Der Vorsitzende des jüdisch - sozialistischen Vereins „Avantgard“, Pedro Wald, wurde festgenommen und unter Anklage gestellt wegen den Versuch „einen argentinischen Sowjet(*2) gründen zu wollen“.
Die Ausbreitung des Antisemitismus im Europa der 30er Jahre löste eine weitere Auswanderungswelle aus. Zwischen 1933 und 1941 wanderten ca. 30.000 deutsch sprechende Juden nach Argentinien. Ab 1938 wurde diese Einwanderung erschwert durch eine Mitteilung des argentinischen Außenministeriums („Circular Nr. 11“) , der die Erteilung von Einwanderungsvisa an Menschen die in anderen Ländern als „unerwünschte Bürger“ galten, verbat. In einigen Fällen ignorierten die argentinische Diplomaten aus ethischen Gründen diesen Erlaß, die meisten ließen sich ihre Vollmacht Visa zu erteilen, fürstlich belohnen.
Obwohl Argentinien im II. Weltkrieg neutral blieb, sympathisierten breite Teile der Streitkräfte, die damals die Politik des Landes bestimmten, mit Nazi – Deutschland.
Am 4.6.1943 gab es einen Militärputsch der eine pro – Alliierte Regierung stürzte. Diese Militärdiktatur berief den argentinischen Schriftsteller Gustavo Martinez Zuviria ins Erziehungsministerium. Martinez Zuviria hatte unter den Pseudonym Hugo Wast antisemitische Hetzschriften veröffentlicht.
Mitglied in dieser Regierung war auch der damalige Coronel Juan Peron, der das Amt des Staatssekretärs für Arbeit übernahm.
Peron wurde nach und nach der starke Mann dieser Regierung und im Februar 1946 demokratisch zum Präsidenten gewählt. Perons Sympathie für den Faschimus ist kein Geheimnis und diese Einstellung wird von folgenden Fakten unterstrichen:
a) Der Chef der Leibwächter - Gruppe die Peron beschützte war Rodolfo Freude. Rodolfo Freude war der Sohn Ludwig Freude, der wichtigste Strohmann der Nazis in Argentinien
b) Chef der argentinischen Einwanderungsbehörde wurde Santiago Peralta, dessen anti –jüdische Schriften mit Goebbels – Schriften zu vergleichen sind.
c) Unter Perons Anweisung wurden in verschiedenen europäischen Städten Büros aufgemacht, die die Schleusung von Nazis, Faschisten und Kollaborateure aus ganz Europa nach Argentinien organisieren sollte.

Andererseits hat Peron als erster Präsident einen Juden in seinem Kabinett geholt. 1947 stimmte Argentinien, unter Peron, für die Teilung Palästinas und damit für die Errichtung eines jüdischen Staates und zwei Jahre später wurden die diplomatischen Beziehungen zum jungen Staat aufgenommen.
Trotz der Verbreitung des Antisemitismus in der argentinischen Elite, beteiligten sich die argentinischen Juden sehr stark an der Politik des Landes. Moises Lebensohn innerhalb der UCR und Enrique Dickmann in der Sozialistischen Partei haben diese Gruppierungen gegen Ende der 50er Jahre erneuert.

Juden im heutigen Argentinien

Die letzte Militärdiktatur (1976-83) setze zum ersten Mal die Kontinuität der jüdischen Gemeinde in Frage. Der bis dahin gedachte Antisemitismus des Establishments wurde in die alltägliche Praxis umgesetzt. Das Verschwinden lassen von andersdenkende Personen wurde auch verstärkt gegen argentinische Juden eingesetzt. Für die Militärs paßten die Juden, die allgemein unter dem Verdacht standen „links/kosmopolitisch/kapitalistisch“ zu sein, nicht in eine „christliche – westlich orientierte“ Gesellschaft. Die argentinische Menschenrechtsorganisationen sprechen von 30.000 Opfer, davon waren ca. 2.000 jüdischer Abstammung. Die überproportionale Anzahl der jüdischen Opfer steht sicherlich im Zusammenhang mit ihrem sozialen und politischen Engagement. Nach Zeugenaussagen von Überlebenden der argentinischen Konzentrationslager, hatten festgenommene
Juden geringe Chancen dort lebend raus zukommen. Nach Angaben der spanischen NGO „Cosofam“ kann man von einem „Völkermord an den argentinischen Juden“ sprechen.(*3)
Mit der Wiederherstellung der Demokratie 1983 konnten sich die argentinische Juden wieder am politischen Leben beteiligen. In der ersten Regierungsmannschaft von Alfonsin waren der Wirtschaftsminister, die Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei im Senat und Abgeordnetenkammer und der Staatssekretär für Kultur jüdischer Abstammung.
Auch die nachfolgend demokratisch gewählte Präsidenten beriefen Juden in ihre Regierungsmannschaft. Trotzdem blieben bestimmte Stellen im Machtapparat des Staates für Juden verwehrt. Die Verfassungsreform von 1994 änderte die Bedingungen für die Ausübung des höchsten Amt im Staat (bis dahin mußte der Präsident römisch – katholisch getauft sein).
Ende der 90er Jahre beschloß das argentinische Parlament die Verabschiedung eines Anti-Diskriminierungsgesetz und die Errichtung einer staatlichen Antidiskriminierungsbehörde, um den Schutz der religiösen und ethnischen Minderheiten zu verbessern.
Diese Verbesserungen der rechtlichen Lage der jüdischen Minderheit in Argentinien standen unter dem Schatten von zwei Bombenattentate während der 90er Jahre. 1992 wurde das Gebäude der israelischen Botschaft in die Luft gesprengt. Im Juli 1994 ereignete sich das schlimmste Bombenattentat der argentinischen Geschichte gegen das Gebäude der AMIA, die leitende soziale Institution der jüdischen Gemeinde in Argentinien. 85 Tote, über 300 Verletzte und mittlerweile 13 Jahre ohne endgültige Aufklärung des Verbrechens(*4), brachten das Selbstverständniss der argentinischen Juden ins Wanken.
Die Zahlen der in Argentinien lebenden Juden schwanken zwischen 175.000 und 200.000 Personen. Trotz dieser ungenauen Zahlen ist die jüdische Gemeinde in Argentinien eindeutig die größte in Lateinamerika. Ca. drei Viertel der argentinischen Juden leben im Großraum Buenos Aires. Seit der Entstehung der Staates Israels und unter den Eindruck der Krisen und Diktaturen in Argentinien sind ca. 70.000 Juden nach Israel ausgewandert.
Neben der bereits erwähnten AMIA ist die wichtigste Institution der jüdischen Gemeinde, die DAIA , die politische Vertretung der jüdischen Organisationen im Land.
Alle religiöse Strömungen des Judentum sind in Argentinien vertreten. Im Großraum Buenos Aires findet man ca. 50 konservative, 5 orthodoxe und eine reformitsische Synagoge. In der argentinischen Hauptstadt befindet sich auch die Ausbildungsstätte der konservativen Rabbiner Lateinamerikas.
Eine weitere wichtige Säule des jüdischen Lebens in Argentinien bilden die jüdischen Schulen.
Ca. 25.000 Kinder und Jugendliche werden dort zur Zeit ausgebildet.
Ferner haben sich im Großraum Buenos Aires auch große jüdische Sportverbände etabliert, die mehrere tausend Mitglieder haben.
Die wirtschaftliche und politische Krise des Landes um die letzte Jahrtausendwende hatte auch heftige Auswirkungen auf die jüdische Gemeinde. Viele Institutionen gerieten in Zahlungsunfähigkeit, dort arbeitende Angestellte wurden arbeitslos. Die traditionelle Finanzierungsquelle dieser Institutionen waren zwei jüdische Banken (Patricios/Mayo), die den Zusammenbruch von 2001/2002 nicht überlebt haben.
Während dieser Krise mußten zeitweise ca. 20.000 JüdInnen durch AMIA und andere Wohlfahrtsverbände ernährt, gekleidet und mit Wohnungen versorgt werden. Die Arbeitsbörse der AMIA wurde zu einer wichtigen Anlaufstellen.
Mehrere jüdische Wochen- und Monatszeitschriften und Internetdienste bereichern die argentinische Presselandschaft. Die argentinische Presse berichtet auch sehr oft über das Leben der jüdischen Institutionen im Land. Die Direktwahl der AMIA – Vorstände und die indirekte Wahl der DAIA werden von allen Massenmedien dargestellt.
Innerhalb der Gemeinde organisieren sich die Juden politisch nach den Muster der israelischen Parteien (Orthodoxe, Arbeiterpartei, Likud, Linkssozialisten) . Darüber hinaus gibt es eine Reihe von jüdischen Organisationen die historisch der argentinischen KP nahe standen und ihren eigenen Dachverband haben.
Außerhalb der Gemeinde beteiligen sie sich in fast alle politische Parteien des Landes und bekleiden auch hohe politische Ämter (Gouverneur der Provinz Tucuman, Oberbürgermeister der Stadt Buenos Aires, Erziehungsminister).
Außerordentlich wichtig ist der jüdische Beitrag zur argentinischen Kunst und Kultur. Und manche dieser in Argentinien geborenen Juden haben sogar sich international behaupten können, wie z.B. die Musiker Giora Feidmann oder Daniel Barenboim.
Trotzdem gibt es Bereiche in denen es immer noch eine informelle aber unüberwindliche Hürden für Juden gibt. Trotz der überproportional hohen Anzahl an jüdische Juristen, wurde noch keiner zum Obersten Gericht des Staates berufen. Die Offizierslaufbahnen der Streit- und Sicherheitskräfte sind immer noch faktisch für jüdische AnwärterInnen gesperrt.
Die weitere Demokratisierung der argentinischen Gesellschaft und der dazugehörige Abbau der sichtbaren und unsichtbaren sozialen Hürden wird das Fortbestehen der jüdischen Gemeinde in Argentinien, trotz aller Widrigkeiten, sichern. Das nächste Neujahrsfest werden die meisten ..in Argentinien feiern

Roberto Frankenthal


(*1) Diese Überlegungen lieferten den Grundgedanken für eine in Argentinien sehr verbreitet Verschwörungstheorie, die vom antisemitischen Professor Walter Beveraggi Allende 1969 in die Welt gesetzt wurde. Der so genannte „Plan Andinia“ sieht die Errichtung eines zweiten jüdischen Staates im argentinischen Patagonien. Dieser „Plan“ wurde (oder wird?) sowohl den Streit- wie den Sicherheitskräften bei ihrer Ausbildung unterrichtet. Die Anwesenheit von israelischen Rucksacktouristen in Patagonien vor wenigen Jahren reichte aus, damit bestimmte Presseorgane dieses Machwerk wieder ans Tageslicht brachten.
(*2) Rat von Arbeiter und Soldaten
(*3) In ihrem Bericht zu dieser Frage erläutert COSOFAM die Vorsorge von verschiedenen jüdischen Organisationen aus den USA, die bereits Pläne in der Schublade hatten, um eine Massenauswanderung der argentinischen Juden nach Brasilien und den USA zu organisieren.
(*4) Sicher ist nur, daß beide Attentate in Argentinien durchgeführt werden konnten, weil die Täter sich sicher sein konnten, daß ein guter Teil des Staatsapparates und der Sicherheitskräfte, ihre antisemitischen Ziele teilten.

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