domingo, 19 de agosto de 2007

Malvinas: 25 Jahren danach

Ein sinnloses Desaster
Erinnerungen eines argentinischen Wehrpflichtigen an dem Malvinen-/Falklandkrieg, 25 Jahre danach.
Vor 25 Jahren, zwischen dem 2. April und dem 10. Juni 1982 lieferten sich die Streitkräfte Argentiniens und Großbritanniens einen Krieg um einige kleine Inseln im Südatlantik: die Malvinen oder Falklands. Auch wenn es sich bei den Eilanden um das letzte Relikt des europäischen Kolonialismus in Südamerika handelte, hatte dieses Konflikt nichts von den späten antikolonialen Befreiungskriegen, die sie zur gleichen Zeit in der Westsahara oder Osttimor geführt wurden. Vielmehr standen sich mit dem argentinischen Militärregime und der Regierung von Margret Thatcher zwei der reaktionärsten Regimes jener Zeit gegenüber. Der damals im bundesdeutschen Exil lebende argentinische Schriftsteller Osvaldo Bayer sprach im ila-info 55 von einem „Krieg zwischen den Musterschülern des Monetarismus“, den die MachthaberInnen beider Länder führten, um von den wachsenden innenpolitischen Schwierigkeiten abzulenken. Der Verlauf der Geschichte ist bekannt: mit massiver Unterstützung der USA und Pinochet-Chiles besiegten die britischen Truppen die argentinischen Streikräfte, was immerhin das Ende der dortigen Militärdiktatur einleitete. Roberto Frankenthal, langjähriger Herausgeber der Argentinien-Nachrichten und regelmäßiger ila-Autor, hat den Krieg damals als junger Wehrpflichtiger erlebt, dem der Fronteinsatz eher zufällig erspart blieb. Hier sein persönlicher Bericht.

von Roberto Frankenthal
Am Morgen des 2. April.1982 um sechs Uhr war mein Wachdienst zu Ende. Kurz davor hatte ich schon irgendwas im Radio gehört, über die Besetzung der Inseln. Der Hammer kam, als ich dann heim wollte. „Bis auf weiteres müsst ihr alle hier bleiben“, sagte mir mein übermüdeter Unteroffizier.
Einen Herbstmorgen am Erdölhafen von Buenos Aires, dem berühmt-berüchtigtem Dock Süd, über das normale Maß zu verlängern, war nicht gerade erfreulich. Aber ich hatte Glück im Unglück. Im Juli 1981 war ich 18 Jahre alt geworden. Kurze Zeit danach fand die alljährliche Verlosung der Wehrpflichtigen statt. Unter notarieller Aufsicht wurde anhand der letzten drei Zahlen des Personalausweises eine dreistellige Zahl gezogen. Wenn man eine Zahl zwischen 000 und 300 gezogen hatte, war man vom Wehrdienst befreit. Zwischen 300 und 700 wurde man von der Armee eingezogen, zwischen 700 und 800 von der Luftwaffe, 800 bis 950 von der Marine und 950 bis 999 musste man bei der Marineinfanterie dienen. Ich hatte die Nummer 982 gezogen, also Marineinfanterie (1)
Jeder wusste, dass die Grundausbildung bei der Marineinfanterie die härteste war. Schon damals hatte ich keinen Bock zur Kampfmaschine ausgebildet zu werden. Sogar meine Eltern, die eher dachten, dass der Wehrdienst „einen richtigen Mann“ aus mir machen würde, waren von Perspektive Marineinfanterie nicht sehr angetan.
Von einem ein Jahr älteren ehemaligen Schulkamerad hatte ich erfahren, dass man sich als „Freiwilliger“ zur Küstenwache melden konnte, um dort den Wehrdienst zu leisten (2). Man brauchte aber eine schriftliche Empfehlung eines hohen Offiziers der Streit- oder Sicherheitskräfte, um als „Freiwilliger“ bei der Küstenwache zu dienen. Zum gesellschaftlichen Umgang meiner Eltern gehörte aber kein solcher Offizier. Letztendlich hat der Nachbar eines Verwandten, ein Luftwaffen-Brigadier, das notwendige Papier unterschrieben, wofür ich mich artig mit einer Flasche ausländischen Whisky bedankte.
Normalerweise wäre ich im November 1981 zur Marineinfanterie eingezogen worden, so begann meine Tätigkeit als „Matrose 2. Klasse“ bei der Küstenwache schon am 15, September.

Gegen Mittag des 2. Aprils 1982 durften wir endlich nach Hause gehen. In voller Uniform nahm ich zuerst ein Bus und danach ein Vorortzug um heim zu kommen. Alle 50 Meter wurde ich entweder freundlich angelächelt oder sogar herzlich begrüßt. Wenige Tage davor war das noch ganz anders gewesen. Als ich am 30. März die Kaserne verlassen wollte, wurde mir nahe gelegt, Zivilkleidung anzuziehen. Denn am diesen Tag gab es eine größere Demonstration der Gewerkschaftsbewegung. Die Küstenwache wurde vorübergehend in Alarmbereitschaft versetzt, da man auch Demonstrationen im Hafenbereich erwartet hatte, und wir diese Proteste unterbinden sollten (3). Zum Glück gab es an dem Tag kein Einsatz, aber die Stimmung war schon merkwürdig.
Als ich daheim ankam, wollte ich erstmal schlafen. Dann habe ich mir die neuesten Nachrichten im Fernsehen angeschaut. Alle Sender waren mehr oder weniger gleichgeschaltet, am Nachmittag wurde die Massenkundgebung auf der Plaza de Mayo in Buenos Aires übertragen. Nur drei Tage vorher waren dort die DemonstrantInnen von der Polizei zusammengeschlagen worden, aber jetzt erschien der damalige Diktator Galtieri auf den Balkon und wurde von der Masse bejubelt. Mit seiner von Alkohol geprägten Stimme, versprach er der Bevölkerung, dass Argentinien in eine neue Ära eintreten würde und unterstrich die Notwendigkeit des Zusammenhaltes der gesamten Bevölkerung in dieser schicksalhaften Stunde der Geschichte.
Zwei Tage später musste ich mich erneut zum Dienst melden. Die Kaserne von Dock Sud befand sich in der Mitte einer Halbinsel, umgeben von Erdölraffinerien und Werken der petrochemischen Industrie.
Am Eingang waren Sandsäcke aufgestellt worden und einer meiner Kameraden wurde dort mit einem hochkalibrigen Maschinengewehr postiert. Bis dahin hatte ich beim Dienst nur eine Pistole Kaliber 45 mit neun Schuss Munition und einen Schlagstock getragen. Nach Kriegsbeginn wurde ich aufgerüstet. Für die Pistole erhielt ich 18 weitere Patronen und wurde außerdem mit einem halbautomatischem Gewehr Kaliber 7,62 ausgestattet. Für dieses Gewehr erhielt ich 100 Patronen.
Diese Hochrüstung hatte aber einen Schönheitsfehler: ich hatte bis dahin noch nie mit einer Waffe gefeuert. Während der Grundausbildung wurde mir der theoretische Umgang mit dem Gewehr und der Pistole beigebracht, aber als wir im Sommer 81/82 Geländeübungen machen sollten (wo wir auch das praktische Schießen lernen sollten), war das dafür vorgesehene Gelände der Küstenwache durch einen Sturm überschwemmt worden.
Immerhin hatte man mir gesagt, dass ich beim Umgang mit dem Gewehr aufpassen sollte. Es waren belgische Gewehre aus dem II. Weltkrieg, die danach in Argentinien verbessert worden waren. (*)Ich sollte allerdings nicht mehr als 4 oder 5 Schüsse hintereinander abgeben, denn die dadurch entstehende Hitze im Schussrohr hätte schon mehrfach zu Explosionen des Gewehrs geführt.
In dieser Form hochgerüstet begann ich meine Streife durch das Hafengelände. Nur der Zurückhaltung und Besonnenheit meiner Kameraden (und meine eigene) im Umgang mit diesen Waffen, ist es zu verdanken, dass nicht die halbe Stadt in die Luft gejagt worden ist. Ein fehlgeleiteter Schuss zwischen chemischen Betrieben, Benzinleitungen und Erdöltanks hätte eine mittlere Katastrophe ausgelöst.

Wir Wehrdienstleistenden hatten nach der Besetzung der Inseln gemischte Gefühle. Vielleicht durch meine Erziehung oder die Abstammung meiner Familie – sie waren als jüdische EmigrantInnen aus Nazideutschland nach Argentinien gekommen - war ich sehr pessimistisch, dass es zu einer friedliche Lösung des Konfliktes kommen würde, wie sie von den argentinischen Medien unisono angekündigt wurde. Meine Familie war eher besorgt über die weitere Entwicklung. (4)
Zu diesem Zeitpunkt war mir klar, dass die Entscheidung „freiwillig“ zur Küstenwache zu gehen, mir vielleicht das Leben gerettet hatte, denn es waren die Marineinfanteristen meines Jahrgangs, die am 02. April 1982 die Inseln besetzt hatten.
Ganz anders reagierten die Karriere-Matrosen, Unteroffiziere und Offiziere meiner Einheit. Für die unteren Dienstränge war die Besetzung der Inseln und der darauf folgende Krieg eine willkommene Abwechslung. Es gab Gerüchte, dass unsere Einheit nach Patagonien verlegt werden sollte. Irgendwann begannen wir Geländeübungen (allerdings ohne Schusswaffengebrauch) in der Umgebung der Kaserne zu machen. Wir waren körperlich noch relativ fit, aber die 30 bis 40 Jährigen Unteroffiziere hatten schon ihre Probleme beim Umsetzen der einfachsten Befehle.
Und die Offiziere nutzten die Gunst der Stunde um aus dem Krieg Profit zu schlagen. Auf der Halbinsel befand sich die Erdölraffinerie der niederländisch-britischen Firma Shell. Dort lebte auch eine kleine Gruppe britischer Techniker und ihre Familien. Die Raffinerie wurde von den Offizieren der Küstenwache zum „strategischen Objekt“ erklärt und an verschiedenen Stellen wurden Wachposten der Küstenwache aufgestellt. Dieser Wachdienst wurde der Firma in Rechnung gestellt, aber anstatt das Geld abzuführen, behielten die Offiziere diese zusätzliche Einnahme für sich.
Innerhalb der argentinischen Gesellschaft gab es nur sehr wenige Stimmen die der damaligen nationalistischen Versuchung widerstanden. Der damalige Oppositionspolitiker Raul Alfonsin und der eher konservative Schriftsteller Jorge Luis Borges gehörten zu den wenigen Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens, die sich gegen den Krieg mit England aussprachen. Die Menschenrechtsbewegung versuchte ihre Ziele in Übereinstimmung mit den Gefühlen der Mehrheit der Bevölkerung zu bringen: „Las Malvinas son argentinas, los desaparecidos tambien“ (Die Malvinas sind argentinisch, die Verschwundenen auch) artikulierten die Mütter von der Plaza de Mayo“, eine Organisation von Familienangehörigen der Verschwundenen.
Als im Mai1982 die bewaffneten Auseinandersetzungen im Südatlantik tatsächlich begannen, war die Mehrheit der ArgentinierInnen wie berauscht vom wochenlangen nationalistischen Trommelfeuer der Medien. Die Zensur verschwieg danach die eigenen Verluste und verbreitete Meldungen angeblicher Siege über die englische Flotte, die in der berichteten Form nie stattgefunden haben.
Gekämpft haben auf argentinische Seite hauptsächlich Wehrdienstpflichtige. Zwar waren nicht alle so schlecht ausgebildet wie ich, aber Anekdoten über „sich selbst zerstörende Gewehre“ gab es überall. Darüber hinaus wurden diese Soldaten (*) ohne richtige Winterausrüstung in den zu dieser Jahreszeit schon sehr kühlen Südatlantik verfrachtet. Besonders die aus dem tropischen Nordosten und Nordwesten Argentiniens stammende Wehrpflichtige litten unter diesen klimatischen Bedingungen.
Sie waren das Kanonenfutter der argentinischen Streitkräfte, deren Planungshorizont eine bewaffnete Auseinandersetzung mit einer europäischen Großmacht nicht vorgesehen hatte. Bis zur Wiederherstellung der Demokratie 1983 waren diese Streitkräfte eher Besatzungskräfte im eigenen Land. Angetrieben durch die „Doktrin der Nationalen Sicherheit“, sahen sie sich selbst als Wächter der westlich-christlichen Zivilisation im eigenen Land. Bewaffnet wurde gegen die eigene Bevölkerung oder höchstens die Nachbarländer vorgegangen, nicht aber gegen eine europäische Großmacht. Es war kein Zufall, dass in einem Land mit mehreren Tausend Kilometer Grenze, die größten Armee-Einheiten in der Umgebung der argentinischen Großstädte stationiert waren.
Noch wenigen Tagen vor der Kapitulation wurde in der Hauptstadt die Kriegspsychose gefüttert. Verdunklungsübungen sollten Buenos Aires vor möglichen Bombenangriffen der Briten schützen.

Und dann berichtete das argentinische Fernsehen plötzlich am (*)14. Juni 1982 von der Kapitulation des argentinischen Gouverneurs auf den Malvinen. Der Krieg war endlich vorbei, aber die politische Diskussion um den Krieg fing da erst an. Die zurückkehrenden Soldaten, die von ihren Offizieren zum Schweigen verpflichtet worden waren, berichteten über das Erlebte.
Rückblickend (*) stellte man fest, dass die ganze Palette der Erniedrigungen, die in dem geheimen Folter- und Konzentrationslager der Diktatur praktiziert wurde, auch auf den Malvinen Anwendung fanden. Überlebensnotwendige Nahrung wurde der Truppe verweigert, teilweise von korruptem Vorgesetzten verkauft, Dienstvergehen wurden durch die Offiziere mit Folterungen geahndet und zum Schluss, als die Offensive der Briten zu heftig wurde, flüchteten die meisten Offiziere von ihrem Posten. Beispielhaft für diese Einstellung war die Rolle des Marineleutnants Adolfo Astiz. Der frühere Folterer der ESMA kapitulierte vor den englischen Truppen auf einer kleinen Insel ohne einen Schuss abgefeuert zu haben.
Bajo un manto de neblina no las hemos de olvidar - Unter dem Nebel werden wir sie nicht vergessen, so lautete die erste Strophe eines Kriegsliedes, das damals über das argentinische Fernsehen pausenlos ausgestrahlt wurde.
Aber als der Krieg zu Ende war, wollte man vor allem vergessen. Die Wehrpflichtige, die zurück kamen, wurden teilweise monatelang in Kasernen oder Krankenhäuser festgehalten, bevor man sie ins Zivilleben entließ.
Viele Kriegsteilnehmer leiden noch heute unter den psychischen Nachwirkungen des Krieges. In den letzten 25 Jahren begingen mehr als (*) 300 von ihnen Selbstmord. Nach dem nationalistischen Rausch wollte das argentinische Volk nichts mehr von den Malvinen wissen. Die Kriegsveteranen waren die lebendige Erinnerung an die Katastrophe von 1982, also wurden sie von der Gesellschaftlich mehrheitlich geächtet.
Falls ich je meine Unteroffiziere oder Offiziere geachtet habe, verlor ich nach dem Krieg jeglichen Respekt vor ihnen. Die Disziplin wurde in unserer Einheit gelockert und als ich am 15. September 1982 meinen Dienst quittierte, zertrümmerte ich mit meinen Kameraden das Offizierskasino der Küstenwache in Dock Sud.

(1) Die Angaben über die Verteilung der Wehrpflichtigen sind ohne Gewähr, aber an die 982 erinnere ich mich 100%.
(2) Wehrdienstverweigerung während der Militärdiktatur kam nicht in Frage.
(3) Die Küstenwache unterstand damals der Marine und war eine militarisierte Sicherheitskraft, mit einer kleinen Kampfeinheit („Agrupacion Albatros“, meine Grundausbilder).
(4) Neun Tage nach der Besetzung der Malvinas starb mein Vater. Er hatte schon in den Jahren davor Herz-Kreislauf-Krankheiten gehabt, aber ich weiß nicht inwiefern, meine damalige Situation seinen ohnehin kritischen Zustand verschlechtert hat.

Roberto Frankenthal

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