domingo, 19 de agosto de 2007

Jenseits der „General Paz“

Eine sozialpolitische Reise durch das argentinische Landesinnere

Der Moloch am Rio de la Plata bestimmt ohne weiteres den Puls de Landes. Aber auch jenseits der „General Paz“, eine Autobahnähnliche Allee die als Grenze zwischen der argentinischen Bundeshauptstadt und der Provinz Buenos Aires gilt, gibt es ein anderes Land, der sehr wenig in Buenos Aires und im Ausland beachtet wird.
Durch kurze Skizzen der Provinzen Santa Cruz, Salta, San Juan und Santa Fe möchte ich den LeserInnen von „Tangodanza“ einen Einblick in dieses andere Argentinien ermöglichen,

Der ferne Süden: SANTA CRUZ

An der Südspitze des südamerikanischen Kontinents befindet sich diese Provinz mit fast 250.000 Quadratkilometer (zum Vergleich Argentinien hat 2,8 Millionen Quadratkilometer, Deutschland ca.358.000 Quadratkilometer). Die Einwohnerzahl liegt knapp unter 200.000 Menschen, davon lebt fast ein Drittel in der Provinzhauptstadt Rio Gallegos. Viel Wind, Millionen Schafe, und Bodenschätze prägen das Gesicht dieser patagonischen Provinz. Der karge Steppenboden und eine Durchschnittstemperatur von 9 ° Grad ermöglichen nur eine sehr extensive Schafzucht. Zuchtbetriebe mit 20.000 Hektar Land und mehr sind keine Seltenheit und die Besitzverhältnisse haben sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht viel verändert: damals bestimmten wenige Großgrundbesitzer britischer Herkunft das wirtschaftliche Leben, heute sind es internationale Konzerne.
Erdöl und Erdgas wurde hauptsächlich an der Atlantikküste gefunden und Kohle wird in Rio Turbio, am Rande der Anden gefördert.
Der andere wichtige Faktor der Wirtschaft dieser Provinz ist der Tourismus. Im Gebiet des Lago Argentino befindet sich der größte Gletscher Südamerikas, der Perito Moreno. Der nächstliegende Ort, Calafate ist zu einer touristischen Hochburg in den letzten Jahren gewachsen. Ein entschiedener Beitrag dazu leistete der amtierende Präsident und frühere Gouverneur der Provinz, Nestor Kirchner.
In Calafate besitzt er einen Wochenendhaus und er ließ den örtlichen Flughafen ausbauen, um größere Flugzeuge wenige Kilometer von dem Naturwunder „Perito Moreno“ landen zu lassen.
Santa Cruz ist einer der wenigen Provinzen, die keine Zuwendungen von der Zentralregierung benötigen, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Während seiner Amtszeit als Gouverneur nutzte Kirchner die Gunst der Stunde und sicherte den zukünftigen Wohlstand. Als die staatliche Erdölgesellschaft YPF von der menemistischen Regierung in den 90er Jahren privatisiert wurde, erhielten die Erdöl fördernde Provinzen saftige Ausgleichszahlungen, im Fall von Santa Cruz waren es ca. 500 Millionen Dollar. Diese Summe wurde auf Auslandskonten der Provinz überwiesen und damit überstand Santa Cruz die Krise um die Jahreswende 2001/2002.
In Santa Cruz werden zwar Löhne und Gehälter bezahlt die weit über den Landesdurchschnitt liegen, dafür sind die Preise hier höher als anderswo. In der Schafzucht und im Bergbau werden hauptsächlich chilenische Einwanderer beschäftigt, der Hauptarbeitgeber der Provinz ist aber der Staat. Der relative Wohlstand der Provinz ermöglicht einen stetigen Fluß an Investitionen. Ein Oppositionspolitiker bemerkte vor kurzem, daß wenn man irgendwo in Rio Gallegos mehrere Minuten stehen bleibt, errichtet die Provinzregierung schnell Mauern drum herum.
Die Bevölkerung von Santa Cruz genießt einen kämpferischen Ruf. Bereits zwischen 1920 und 1922 erhebten sich die Landarbeiter, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Diese aufständischen Landarbeiter wurden von der damaligen Regierung mit Hilfe der Armee brutal niedergeschossen.
Zuletzt im Februar 2006 kam es zur einen gewaltsamen Protest der Erdölarbeiter im Ort Las Heras.
Im Verlauf einer Demonstration wurde auf einem Polizeiposten geschossen und ein Polizist ermordet.
Die heutige Entwicklung der Provinz wird zum großen Teil aus der Bundeshauptstadt ferngesteuert. Kirchner und ein guter Teil seiner nationalen Regierungsmannschaft stammen aus Santa Cruz. Bei den kommenden Wahlen für das Gouverneursamt (Oktober 2007) gilt Alicia Kirchner, amtierende Sozialministerin auf Bundesebene und Präsidentenschwester, als aussichtsreiche Kandidatin.

Die schöne: SALTA

Die Provinz Salta befindet sich im Nordwesten Argentiniens, an der Grenze mit Bolivien und Chile.
Sie zählt knapp über eine Million Einwohner und die Provinz hat eine Gesamtfläche von ca. 155.000 Quadratkilometer. Landschaftlich gibt es drei unterschiedliche Zonen: Von Osten nach Westen, der subtropische Regenwald an der Grenze mit der Nachbarprovinz Chaco, die Täler und Erhebungen der Voranden - Zone und die Anden mit der Atacama – Hochebene an der Grenze zu Chile. Die Provinzhauptstadt Salta („La Linda“, die Schöne) gilt als die am meisten von der spanischen Kolonialzeit geprägten Großstadt des Landes. Die Wirtschaft der Provinz wird durch die Landwirtschaft und den Bergbau geprägt. In Salta wird ein Drittel des in Argentinien angebauten Tabaks geerntet. Wichtig ist auch der Zuckerrohr und der Anbau von Zitrusfrüchte und Bohnen. Eine kleine aber feine Weinindustrie etablierte sich im Cafayate – Tal, der auch eine touristische Sehenswürdigkeit ist. Zunehmend an Bedeutung gewinnen einerseits der Anbau von Soja und Mais (mit dem damit verbundenen Problemen, siehe unten) und der Tourismus. Im Bergbau werden hauptsächlich Natriumsalz abgebaut und die Provinz verfügt auch über ein gewisses Erdöl- und Erdgasvorkommen.
Die wichtigsten Industrieanlagen verarbeiten den dort gewonnenen Erdöl.
Der Anbau von genetisch modifizierte Soja und Mais ist der neueste Wirtschaftszweig der Provinz. Dafür werden aber sehr große Flächen an bislang unberührten subtropischen Regenwald geopfert.
Mehr als ein Drittel des ursprünglichen Regenwaldes der Provinz ist in den letzten zehn Jahren abgeholzt worden. Trotzdem leistete die Provinz erbitterten Widerstand gegen einen Geseztesvorhaben des Parlaments, der den Abbau der Regenwälder begrenzen sollte.
Salta ist eine politische Hochburg der feudalistischen Peronismus. Seit Jahrzehnten wird die Provinz durch die Familie Romero kontrolliert und regiert. Der Gründer dieser Dynastie Roberto Romero war, nach Angaben der US-amerikanischen DEA, ein wichtiger Drogenhändler. Sein Sohn und amtierender Gouverneur Juan Carlos Romero finanzierte einen Teil der Präsidentschaftswahlkampagne von Carlos Menem im Jahr 2003, er selber kandidierte mit Menem für das Amt des Vizepräsidenten. Vor kurzem wurde der ihm nahestehende Provinzsenator José Aparicio verhaftet, der unter dem Verdacht steht einen Drogendealer gewaltsam aus dem Weg geräumt zu haben.
Obwohl Salta eine relativ reiche Provinz ist, zeigen die sozialen Indikatoren, daß dieses Reichtum sehr ungerecht verteilt ist. Die Kindersterblichkeit und der Analphabetismus liegen über den Landesdurchschnitt.

Am Fuße der Anden: SAN JUAN

Bereits 1564 wurde die Hauptstadt der Provinz durch spanische „Conquistadores“ die aus Chile kamen gegründet. Bis zur Gründung des Vizekönigreich des „Rio de la Plata“ (1776) wurde San Juan von Santiago de Chile aus verwaltet.
Die für argentinische Verhältnisse kleine Provinz (90.000 Quadratkilometer) zählt nur ca. 620.000 EinwohnerInnen. Drei verschiedene Gebirgsketten bedecken ca. 80% der Fläche der Provinz.
Die Nähe zur geologisch jungen Gebirgskette der Anden machte San Juan zum Opfer von zwei großen Erdbeben im letzten Jahrhundert: 1944 wurde die Provinzhauptstadt zerstört, 1980 die Stadt Caucete.
Von den Anden fließen aber auch die Gebirgsflüße die den eher kargen Boden der Provinz bewässern. Die ausreichende Bewässerung und die vielen Sonnenstunden am Fuße der Anden machten San Juan zu der zweitwichtigsten Weinprovinz des Landes. Die ausgedehnte Weinanbaugebiete und die Weinkellereien bilden den Rückgrat der touristischen „Weinroute“ von San Juan.
Die staatliche Förderung ermöglichte in den 80er und 90er Jahren die Niederlassung kleiner Industrien in San Juan, die allerdings wenige Arbeitsplätze geschaffen haben. Mehr Arbeitsplätze entstanden durch den Bergbau, der besonders in den letzten 5 Jahren die Wirtschaft der Provinz verändert hat.
In den letzten Jahren zeigt diese Anden – Provinz die höchsten Wachstumsraten beim Export von Bergbau – Produkten. Der größte Bergbauprojekt der Provinz heißt Veladero und dort wird Gold gewonnen.
Die Kehrseite dieses Booms ist, daß diese Goldgewinnung mit Zyanid betrieben wird und damit werden die Wasserquellen der Provinz sehr stark belastet. Die ausführende Firma, die kanadische Barrick Gold, hat ein ähnliches Projekt in Chubut einstellen müssen, weil das Volk der benachbarten Stadt Esquel sich dagegen mobilisierte. Eine Minderheit der Sanjuaninos macht auf die Umweltrisiken von Veladero aufmerksam, aber die Mehrheit der Provinzeinwohner hat eine konservative Grundeinstellung.
Diese Grundeinstellung spiegelt sich auch in anderen Bereichen. Das nationale Gesundheitsministerium verteilt seit mehreren Jahren kostenlose Verhütungsmittel an die Provinzen. Der amtierende Gesundheitsminister von San Juan weigerte sich diese Verhütungsmittel an die Bevölkerung weiter zu geben.
In San Juan gibt zwei wichtige politische Parteien: die Blockisten und die Peronisten. Die Blockisten entstanden in den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts als Volks - konservative Abspaltung der Union Civica Radical. Seitdem haben sie immer die Politik der Provinz mit gestaltet, auch in Zeiten der Militärdiktatur. In San Juan wurde der damalige Coronel Peron erst berühmt, als er 1944 den Wiederaufbau der Provinzhauptstadt nach dem Erdbeben leitete.

Die Kornkammer: SANTA FE

Die Provinz Santa Fe ist für argentinische Verhältnisse sehr dicht besiedelt. 3 Millionen Menschen teilen sich ca. 133.000 Quadratkilometer. Davon leben ca. 1,1 Millionen im Großraum Rosario, die drittgrößte Stadt Argentiniens. Regiert wird die Provinz aber in der gleichnamigen Hauptstadt Santa Fe (380.000 EinwohnerInnen).
Obwohl Santa Fe über keinen eigenen Zugang zum Meer verfügt, ist Rosario einer der wichtigsten Häfen des Landes. Hier am Rio Parana wird ein großer Teil der landwirtschaftlichen Produkten eingeschifft, die Argentinien exportiert.
Die Provinz zeigt einen wirtschaftlichen Süd – Nord – Gefälle. Der südliche Teil gehört zur „feuchten Pampa“, die Kornkammer Argentiniens. Santa Fe ist der zweitwichtigste Weizenproduzent des Landes und hier liegt auch das größte Soja – Anbaugebiets Argentiniens. Neben der Soja bilden Mais und Sonnenblumen die Basis einer zur Zeit sehr erfolgreichen Ölsaat - Industrie. Die Rinderzucht ist der andere wichtige landwirtschaftliche Standbein des Südens der Provinz. Santa Fe ist dadurch führend bei der Fleisch-, Milch und Käseproduktion des Landes.
Im Süden konzentriert sich auch die Herstellung von Maschinen und Werkzeuge für die Landwirtschaft (um Rafaela) und die Eisenindustrie (Villa Constitucion).
Der Großraum Rosario war bis zur Krise 2001/2002 eine der industriellen Schwerpunkte des Landes.
Die meisten Firmen produzierten aber für den Binnenmarkt und als dieser zusammenbrach, kam es zu einer nie gesehenen Entlassungswelle. In der ersten Hälfte von 2002 waren ca. 35 % der Rosarinos arbeitslos.
Der Norden der Provinz gehört schon zum subtropischen Chaco. Traditionell lebt es von der Viehzucht und der Holzproduktion. In den letzten Jahren mußten aber diese Wirtschaftszweige der Ausdehnung der Soja – Anbaufläche ausweichen.
Santa Fe war das traditionelle Ziel für viele EinwandererInnen, die im 19. und der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts nach Argentinien kamen. Sie errichteten viele landwirtschaftliche Kolonien, die das Gesicht des Provinz prägten. Bereits 1915 kam es zu einem Aufstand der Bauern in Santa Fe („Grito de Alcorta“), die zur Wahrung ihrer Interessen eine eigene Partei gründeten (Partido Democrata Progresista). Wenige Jahre später waren es die Arbeiter der Holzindustrie im Norden Santa Fe, die gegen ihre menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse protestierten. In den 60er und 70er Jahren war Rosario auch eine der Hochburgen der revolutionären Linken.
Diese allgemeine fortschrittliche Einstellung führte vielleicht auch dazu, daß Rosario seit 19 Jahren von einem sozialistischen (eher sozialdemokratischen) Bürgermeister regiert wird. Die Provinz an sich wird seit der Wiedereinführung der Demokratie von den Peronisten regiert. Im September wird der Gouverneur neu gewählt und der aussichtsreichste Kandidat ist der frühere sozialistische Bürgermeister von Rosario, Hermes Binner.

Roberto Frankenthal -April 2007

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