miércoles, 28 de noviembre de 2007

Kontinuität in der argentinischen Wirtschaft

Die Beschleunigung des Wirtschaftswachstums der letzten Jahre in Argentinien hat einen Verteilungskampf verursacht, weil sich die verschiedenen Akteure um ihren Anteil an den neuen Wohlstand streiten. Dieser Verteilungskampf findet sein Ausdruck in den Preiserhöhungen für Waren und Dienstleistungen sowie bei den Lohnforderungen der ArbeitnehmerInnen.
Die neu erworbene Konsumkraft breiter Kreise der Gesellschaft traf auf eine geschwächte Infrastruktur, die anscheinend in den 90er Jahre eher für einem Land mit einer breiten Schicht von Marginalisierten gedacht wurde. Die Neustrukturierung der Nationalen Statistikbehörde (INDEC) und die Verhandlungen mit den internationalen Finanzinstitutionen sind die zwei anderen Aufgaben die Cristina Fernandez de Kirchner (CFK) im neuen Amt anpacken muß.
1) Inflation: Im letzten Jahr wurden die Preiserhöhungen zur größten Herausforderung für die Nestor Kirchner - Regierung. Um dieses Problem in den Griff zu bekommen, schlägt seine Nachfolgerin vor einen Sozialpakt zwischen Staat, Unternehmer und Gewerkschaften zu schließen. Ziel dieses Paktes ist die Aushandlung einer allgemein gültigen Richtlinie sowohl für die Lohn- und Gehaltsforderungen der Tarifverträge, wie für einen graduellen Preisanstieg. Die Richtlinie sollte als Ergebnis eine Verbesserung der Realeinkommen beinhalten. Die Aufgabe ist ziemlich heikel, denn die Gewerkschaften fordern zwischen 20% bis 40% Lohn- und Gehaltserhöhungen und die Unternehmer sind nur bereit ca.10 % bis 15% zu gewähren.
Zeitgleich soll durch die Investitionsforderung das Angebot an Waren und Dienstleistungen vergrößert werden. Ein Rückgang der Nachfrage als Methode der Inflationsbekämpfung kommt anscheinend nicht in Frage.
b) INDEC: Die Manipulation der Inflationskennziffern während des Jahres 2007 und die damit verbundene Entlassung zahlreicher Wissenschaftler aus der Nationalen Statistikbehörde belasten die Versuche dieser Behörde mit neuer Glaubwürdigkeit auszustatten. Im Gespräch stehen verschiedene neue Kalkulationsmethoden für die Preiserhöhungen. Egal welche angenommen wird, wird zukünftig der INDEC im Verdacht stehen, eher "politisch korrekte" als wahrheitsgetreue Daten zu produzieren.
c) Wechselkurs: In den letzten Monaten der Nestor Kirchner - Regierung gab es starke Spekulationen über eine erneute Abwertung des Pesos. Durch zunehmende Spekulationskäufe erreichte der Dollar zeitweilig den Wert von 3,30 Pesos. (vorher 3,10 bis 3,15). Die Stabilität des Wechselkurses wird von der neuen Regierung nicht angetastet werden . Dafür gibt es sehr gute Gründe: 1) Sehr positive Handelsbilanz. 2) Abwertung des Dollars gegenüber anderen Währungen. 3) Rekordverdächtige Preise für die argentinischen Ausfuhrgüter.
d) Energie: Seit ca. 8 Jahren ist die Erdöl-Forderungen rückläufig und seit 4 Jahren stagniert die Erdgasgewinnung. Das argentinische Energieversorgungssystem arbeitet am Rande seiner Möglichkeiten. Die bisher präsentierte Anreize haben die Energieindustrie nicht dazu bewegen können, Risikoinvestitionen zu tätigen. Die Bilanzen dieser Unternehmen weisen Riesengewinne aus, aber die Investitionen werden nur in den Medien bekannt gegeben. Seit Juli 2007 wird mehr Energie und Kraftstoff ins Land eingeführt als ausgeführt, zum ersten Mal in der Geschichte des Landes. Die Gründung einer staatlichen Energiegesellschaft ENARSA (2004)hat diese Lage nicht wesentlich verändert.
Besser situierte Konsumenten und die verarbeitende Industrie werden 2008 mit Steigerungen der Elektrizitätspreise leben müssen, denn die bisher dafür verwendete Subventionen sollen anderweitig benutzt werden.
e) Landwirtschaft: Die Beziehungen zwischen den Landwirtschaftsverbänden und der Regierung von Nestor Kirchner waren alles andere als einfach. Aber die historisch einmalige Preislage für Soja, Weizen und Mais auf den internationalen Märkten brachte einen nie dagewesenen Wohlstand für die Landwirtschaft. Besonders in den landwirtschaftlich geprägten mittleren Städte des Landesinnere erhielt die Wahlformel von CFK viele Wahlstimmen. Im November 2007 setzte der amtierende Präsident eine Erhöhung der Ausfuhrzölle für Getreide durch, ohne nennenswerten Widerstand. Anders sieht es in der Viehzucht aus. Der von der früheren Regierung eingesetzte Viehzuchtplan hat noch keine Produktionssteigerung erzielt. Die Viehzucht und bestimmte andere Anbauprodukte (z.B. Baumwolle) werden immer mehr durch die international gefragten Getreidesorten verdrängt. Die Subventionierung der Produkte für die Innlandmärkte wird argwöhnisch von den neoliberalen Landwirtschaftsverbänden beobachtet und hat bis jetzt die Endkonsummenten nicht vor Preisanstiege der Grundnahrungsmittel verteidigen können.
f) Finanzen: Privatunternehmen in Argentinien erhalten in der Regel nur eine teuere und kurzfristige Finanzierung ihrer Geschäfte. Die Gesamtdarlehen an die Privatwirtschaft betragen ca. 11% des BSP (im Vergleich Brasilien 30%, Chile über 50%). Die neue Regierung muß also sich dringend um eine Ausweitung der Kredite zu niedrigen Zinsen kümmern. In den Schubladen stecken die Pläne der Gründung einer Nationalen Entwicklungsbank, nach dem Muster der gleichnamigen brasilianischen Institution. Angebotssteigerung und keine Nachfragedrosselung ist hier auch der erklärte Ziel.
Eine Übereinstimmung mit dem Pariser - Klub über die Rückzahlung von ca. 6 Milliarden Dollar soll den Weg für die staatliche Garantien für europäische Investitionen ebnen. Dafür muß auch ein "Modus vivendi" mit dem Internationalen Währungsfond erreicht werden.
Größere Hoffnungen werden auf die Gründung der "Banco del Sur" durch die MERCOSUR - Länder gesetzt. Diese Südbank soll Infrastrukturprojekte in der Region ohne der Kontrolle durch IWF oder Weltbank finanzieren.
Der wichtigste Berater für Wirtschaftsfragen der Regierung von CFK wird ohne Zweifel der ehemalige Präsident Nestor Kirchner sein.
Roberto Frankenthal

jueves, 15 de noviembre de 2007

Mindestens 31 Tote bei Gefängnisbrand

(Buenos Aires, 5. November 2007, púlsar).- Bei einem Brand im Männergefängnis der argentinischen Provinz Santiago del Estero sind am 4. November mindestens 31 Gefangene durch Rauchvergiftungen oder Verbrennungen ums Leben gekommen. 19 weitere Gefangene wurden bei dem Brand verletzt, darunter befinden sich auch 9 Schwerverletzte.

Nach Angaben der Gefängnisleitung soll der Brand bei einer Meuterei ausgebrochen sein, die einige Insassen zur Flucht hätten nutzen wollen. Die Gefangenen hielten dagegen, der Brand sei in Folge des repressiven Vorgehens von Gefängniswärtern gegen eine Zusammenkunft von
Gefängnisinsassen entstanden. Letztere hatten sich versammelt, um ihren Unmut über die schlechten Haftbedingungen zu bekunden.

"Das Ganze begann damit, dass wir gegen Misshandlungen durch das Personal und gegen die Durchsuchungen von unseren BesucherInnen protestierten. Die Wärter begannen auf uns zu schießen und diejenigen, die keine Luft mehr bekamen, ließen sie einfach liegen, so dass sie
verbrannten“, heißt es in einem Brief der Gefangenen, der die argentinische Nachrichtenagentur Telam erreichte. "Zu keinem Zeitpunkt gab es einen Fluchtversuch. Wir fordern, dass Angehörige des Innenministeriums, Anwälte und die Presse Zugang zum Gefängnis erhalten und anwesend sind. Wir wollen nicht, dass die Polizei in die Gefängnistrakte zurückkehrt", erklären die Gefangenen in dem Brief.

Luisa Suárez, von der Stelle für die Einhaltung der Menschenrechte in der Provinz Santiago del Estero bestätigte, dass sie im Jahr 2007 bereits vier mal Anzeigen der Gefangenen vorgelegt hat, in denen diese sich wegen der Durchsuchung von Familienangehörigen bei Besuchen Beschweren. Die Gefangenen forderten zudem eine schnellere Abwicklung der Gerichtsprozesse, Verbesserungen in der Besuchsordnung, eine bessere Verpflegung sowie Haftverkürzungen.

Die Mehrheit der gegenwärtig 480 Insassen im Männergefängnis Santiago del Estero sitzt dort ein, ohne rechtskräftig verurteilt worden zu sein.

Erster Strafprozess zu Verbrechen im Folterzentrum ESMA

(Buenos-Aires, 18. Oktober 2007, púlsar-poonal).- Die argentinischeJustiz eröffnete am 18. Oktober das erste Strafverfahren über Verbrechen, die im Folterzentrum der Mechanikerschule der Marine ESMA (Escuela de Mecánica de la Armada) während der Militärdiktatur von 1976bis 1983 begangen wurden. Das Gericht rechnet mit der Anhörung vonungefähr 50 Zeugen und erwartet ein Urteil für Anfang Dezember.In dem Prozess, der vor dem 5. Bundesstrafgericht in Buenos Airesgeführt wird, steht Héctor Antonio Febrés in vier Fällen unter Anklage.Er wird beschuldigt zwischen 1977 und 1978 an den Entführungen undFolterungen von Carlos Lordkipanidse, Carlos García, Josefa Prada de Olivieri und Alfredo Margari beteiligt gewesen zu sein. Febrés war inder Zeit von 1977 bis Ende 1981 zunächst Vizepräfekt und später Präfektder nationalen argentinischen Seebehörde.In ihrer ersten Aussage beschuldigten Zeugen Febrés als einen derblutigsten Folterer des geheimen Zentrums. Carlos Lordkipanidseerzählte, dass sich Febrés den Gefangenen mit dem Satz "Hier vor Ort bin ich der Folterer" präsentierte. Lordkipanidse und Carlos García berichteten zudem von der in der ESMA stattfindenden Sklavenarbeit, der die Gefangenen unterworfen wurden. So mussten sie Dokumente jedweder Art fälschen und beim Druck der Tageszeitung "Convicción" mithelfen, die von Diktator Emilio Eduardo Massera heraus gegeben wurde.Die Erklärungen der Überlebenden bringen Febrés in Bedrängnis, der dieihm vorgeworfenen Verbrechen abstreitet und behauptet, er sei nie in derESMA gewesen.Mit Héctor Febrés ist nur einer der Beteiligten der Arbeitsgruppeangeklagt, die in dem geheimen Lager und Folterzentrum in Buenos Aires unter dem Befehl des Diktators Emilio Eduardo Massera tätig war. Die Anwälte der Anklage sowie die Staatsanwältin Mirna Goransky beantragtenzuvor ohne Erfolg die Aussetzung des Verfahrens. Sie forderten anstelledes individuellen Prozesses eine gemeinsame Anklage und Verurteilung aller Verantwortlichen, die in der ESMA an Verbrechen beteiligt waren.Der Strafprozess gegen Febrés ist die vierte öffentliche Hauptverhandlung seitdem der Oberste Gerichtshof des Landes im Juni 2005die bis dahin bestehenden Befehlsnotstands- und Schlusspunktgesetze (Leyes de Obediencia Debida y Punto Final) für nicht verfassungskonform erklärte und aufhob. Diese unter Präsident Raúl Alfonsin 1987 verabschiedeten Gesetze sollten Strafprozesse gegen Täter aus den Reihen der Militärs verhindern, die Verbrechen während der Zeit derMilitärdiktatur begangen hatten.Die ESMA war das größte Folterzentrum während der Militärdiktatur, die insgesamt 30.000 Menschen das Leben kostete. Es wird angenommen, dass die Militärs auf dem an einer Hauptverkehrsstrasse in Buenos Aires gelegenen Gelände schätzungsweise 5.000 Menschen folterten, exekutierten und verschwinden ließen.

Argentiniens Ex-Präsident De la Rúa angeklagt

(Buenos-Aires, 23. Oktober 2007, púlsar-poonal).- Der argentinischeEx-Präsident Fernando De la Rúa wird beschuldigt, für fünf Tote und mehrals 150 Verletzte während der Repressionen gegen den Aufstand im Dezember 2001 verantwortlich zu sein. Die Anklage lautet auf fahrlässigeTötung und Körperverletzung. Am Montag, den 22. Oktober, wurde derProzess eröffnet. Wird De la Rúa verurteilt, drohen ihm bis zu zehnJahre Haft.Laut Bundesrichter Claudio Bonadío hatte der damalige Präsident nichtdie ihm zur Verfügung stehenden Mittel genutzt, um die Gewalt zuverhindern. Die Justiz sah von einer Inhaftierung ab, beschlagnahmteaber 20 Millionen Pesos (ca. 4,4 Mio. Euro) aus dem Besitz De la Rúasals Kaution.Ebenfalls angeklagt wurden der Vizechef der Bundespolizei OsvaldoCannizzaro, der ehemalige Kommissar Daniel Manzini sowie die KommissarePróspero Treseguet, René Jesús Derecho und Alfredo Salomón.Bei Demonstrationen in der Innenstadt von Buenos Aires am 19. und 20.Dezember 2001 gegen die Regierung und die Wirtschaftskrise warenmindestens 30 Menschen getötet worden. De La Rúa trat nach den Protestenzurück und flüchtete mit dem Hubschrauber aus dem Präsidentenpalast.

miércoles, 7 de noviembre de 2007

CHRONIK EINES ANGEKÜNDIGTEN WAHLERFOLGES

Kommentar zu den Nationalwahlen in Argentinien vom 28.10.07

Während seines langjährigen Exils (1955-73) wurde der ehemalige Präsident Peron des öfteren gefragt, warum er glaube, daß immer noch die breite Mehrheit der argentinischen Bevölkerung ihn unterstützen würde. Perons Antwort war recht bescheiden: „Meine Regierung war gar nicht so erfolgreich, aber die nachfolgenden Regierungen waren wesentlich schlechter.“
In ähnlicher Form kann der amtierende Präsident Nestor Kirchner behaupten: “Meine Regierung war gar nicht so erfolgreich, aber die Vorgänger waren wesentlich schlechter.“ Und das ist einer der Gründe für den Wahlgewinn der Kandidatin Cristina Fernandez de Kirchner (CFK)
Nach den Bestimmung des argentinischen Wahlgesetz wird der Präsident direkt von Volk gewählt. Er oder sie gelten als gewählt, wenn beim ersten Wahlgang der erfolgreichste Bewerber mehr als 45 % der Stimmen oder mindestens 40% und einen Vorsprung von 10% zum zweiten Kandidaten erhält. Bei den letzten Wahlen erhielt Menem im ersten Wahlgang ca. 25% der Stimmen und Nestor Kirchner nur 22%. Menem aber verzichtete auf eine Teilnahme beim zweiten Wahlgang. Zur Wahl standen auch die Hälfte der Abgeordnetenkammer und ein Drittel der Senatoren-Ämter. Gleichzeitig wurden Provinzgouverneure in manchen Provinzen gewählt.
Mit ca.45% der Stimmen im ersten Wahlgang wurde CFK zur ersten Präsidentin Argentiniens gewählt.
Ihr Wahlerfolg beruht auf folgende Tatsachen.
a) Obwohl es noch erhebliche Einkommensunterschiede innerhalb der argentinischen Bevölkerung gibt, hat sich die Lage der Mehrheit der Bevölkerung seit 2003 verbessert. Mehrere Lohn- und Rentenerhöhungen haben die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt. Die Arbeitslosigkeit wurde praktisch halbiert und sowohl die Landwirtschaft wie die Industrie boomen: In diesem Jahr sollen ca. 95 Millionen Tonnen Getreide geerntet und mehr als 500.000 Pkws und LKWs hergestellt werden, Produktionskennziffern die noch nie in der argentinischen Geschichte erreicht wurden. Die Kehrseite dieses Aufschwungs ist, daß für ca. 40% der ArbeitnehmerInnen keine Renten- und Krankenversicherung bezahlt wird und die zunehmende Inflation schwächt die erreichte Kaufkraft.
b) Neben der Unterstützung breiter Kreise des Peronismus hat das Ehepaar Kirchner es fertig gebracht eine Wahlallianz mit anderen Kräften zu schließen. Bis auf einen haben alle amtierende Provinzgouverneure der UCR (Catamarca, Corrientes, Santiago del Estero, Rio Negro, Mendoza) ihre Unterstützung der Kandidatin gesichert. Als Beweis dieser Allianz bewarb sich der amtierende Gouverneur von Mendoza, Julio Cobos, für das Amt des Vizepräsidenten mit CFK. Verschiedene soziale Bewegung im Großraum Buenos Aires und die PS (sozialdemokratische Partei) der Provinz Buenos Aires haben die Wahlformel Kirchner - Cobos unterstützt.
c) Die Kandidaten CFK – Cobos haben die Wahlen in drei größten Städten des Landes (Buenos Aires, Rosario und Cordoba) verloren. Sie waren aber sehr erfolgreich im Großraum Buenos Aires (19 Bezirke der Provinz Buenos Aires) und in den Provinzen des Nordosten- und Nordwesten des Landes (z.B. erreichten sie in Santiago del Estero über 77% der Stimmen)
d) Die Opposition zur Regierung war unfähig einen gemeinsamen Kandidaten zu finden. 11 weitere Bewerber konkurrierten mit CFK und untereinander.

Die erfolgreichste Kandidatin der Opposition war die ehemalige Abgeordnete Elisa Carrio. Sie erreichte mit 23% der Stimmen einen Achtungserfolg. Frau Carrio wurde besonders von den historisch anti- peronistisch geprägten Mittelschichten gewählt. Obwohl sie während des Wahlkampfes versprach nicht wieder für öffentliche Ämter zu kandidieren ist es durchaus möglich, daß sie die Rolle der Oppositionsführerin übernimmt. Zum ersten Mal in der argentinischen Geschichte wären dann die Regierung und die Opposition von Frauen geleitet.
Der erfolgreichste männliche Bewerber um das Präsidentenamt war Roberto Lavagna, ehemaliger Wirtschaftsminister unter Duhalde und Kirchner (2002-2005). Getragen wurde seine Kandidatur von einer Wahlallianz zwischen den Überbleibsel der bürgerlichen UCR und mit Kirchner enttäuschte Peronisten. Lavagna wollte seinen guten Ruf als Krisenmanager in die Waage werfen, um eine „ordentlichere Version“ der Kirchner – Politik zu anbieten. Aber die WählerInnen bevorzugten mehrheitlich die familiäre Alternative zum Präsidenten Kirchner und gaben der Wahlformel Lavagna - Morales nur 17% der Stimmen.
Ca. 8% der Stimmen erreichte der ehemalige Gouverneur der Provinz San Luis, Alberto Rodriguez Saa. Er galt als Kandidat der „neoliberalen – volkskonservativen Peronisten“ und wurde z.B. vom ehemaligen Präsidenten Menem unterstützt.
Enttäuschend Ergebnisse erzielten zwei Kandidaten der Rechten. Der neoliberale Ricardo Lopez Murphy erreichte nur 1,5 % der Stimmen (2003: 16%) und der konservative ehemalige Gouverneur von Neuquen Jorge Sobisch 1,6%.
Die radikale Linke trat mit 4 Wahlformeln an und erreichte 2,3 % der Stimmen, ein historisches Minimum.
Ein bißchen erfolgreicher war der Mitte – Links Kandidat Fernando Solanas, der erst 2 Monate vor der Wahl sich aufstellen ließ und auf Anhieb 1,6% der Stimmen erreichte.
Ein entscheidender Beitrag zum Wahlgewinn von CFK leistete der amtierende Vizepräsident Scioli. Er ließ sich als Kandidat für das Amt des Gouverneurs der Provinz Buenos Aires aufstellen und erhielt ca. 49% der Wählerstimmen. Zweite wurde Margarita Stolbizer , eine UCR -Dissidentin mit Carrio – Unterstützung, mit 16% der Stimmen. Bestraft wurden die „Law and Order“ –Kandidaten in der Provinz Buenos Aires. Weder Luis Patti, ehemaliger Folterer der Polizei, noch Juan Carlos Blumberg, der Vater eines entführten und ermordeten Jugendlichen, erhielten jeweils als 2,5 % bzgw. 1,6 % der Stimmen.
In der Abgeordnetenkammer konnte die Regierungsfraktion ihre Mehrheit ausbauen. Sie hat jetzt auch genügend Vertreter, um zu tagen ohne Anwesenheit der Opposition. Die zweitstärkste Gruppe bilden die Abgeordneten die durch die Liste von Elisa Carrio gewählt worden sind, es steht aber noch offen ob sie eine gemeinsame Fraktion bilden werden.
Im Senat wird die Regierungsfraktion ab 10.12.07 fünf weitere Stimmen haben (47 von 78).

Der Wahlkampf fand nicht statt
Gewöhnt an Massenaufmärsche und große Demonstrationen des Peronismus staunten viele Beobachter über den „Nicht – Wahlkampf“ von CFK. Bis zwei Tage vor der Wahl hat sich auch kein längeres Interview der argentinischen Presse gegeben. Es gab auch keine Fernsehdebatte unter den Kandidaten. Ihre Auftritte beschränkten auf institutionelle Akte in Begleitung des amtierenden Präsidenten Nestor Kirchner. Herr Kirchner übernahm die Rolle des Wahlkämpfers und äußerte sich gelegentlich zur Opposition, Frau Kirchner beschränkte sich darauf eine Kontinuität des bisher erreichten zu versprechen.
Die Kandidaten der Opposition haben auch keine weitergehende Vorschläge gemacht. Sie waren eher damit beschäftigt, durch eine guten Wahlergebnis in der ersten Runde, eine zweite Runde („Ballotage“) zu erzwingen.
Zwischen Lavagna und Carrio gab es verbale Attacken, aber es ging nur darum wer Zweiter hinter CFK werden sollte.
Sehr interessant wird die Rolle des Nestor Kirchners ab 10.12.07 werden. So wie seine Frau zum engsten Beraterkreis während seiner Amtszeit zählte, so wird er eine ähnliche Rolle für seine Frau spielen. Er sieht als seine Aufgabe eine politische Bewegung auf die Beine zu bringen, die das bisher erreichte sichern soll.
Nestor Kirchner pflegt zu äußern, daß am Ende seines Mandats Argentinien sich bereits auf dem Weg zwischen der Hölle und dem Fegefeuer befinden sollte. Dies ist im zum Teil gelungen, wenn man die aktuelle Lage mit der Jahreswende 2001/2002 verglichen wird. Seine Präsidentschaft bedeutete die Abkehr des neoliberalen Fundamentalismus eines Carlos Menem, der in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, die Zerstörung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen des Landes als Ziel hatte. Ein guter Teil der heutigen Probleme und Unzulänglichkeiten des Landes hatten dort ihren Ursprung.
Die Frage ist, ob die argentinische Bevölkerung, unter der Leitung einer Präsidentin durch das Fegefeuer gehen will, um das versprochene Paradies zu erreichen.

ROBERTO FRANKENTHAL

viernes, 19 de octubre de 2007

Lebenslänglich für Folterpriester

(Montevideo. 10. Oktober 2007, ecupress-púlsar-poonal)
).- Am 9. Oktober verurteilte das Bundesgericht in der argentinischen Stadt La Plata den deutschstämmigen Pfarrer Christian von Wernich wegen „Verbrechen gegen die Menschlichkeit im Rahmen eines Genozids“ während der argentinischen Militärdiktatur (1976-1983) zu einer lebenslänglichen Haftstrafe. Dem ehemaligen Kaplan der Polizei der Provinz Buenos Aires wurde die Beteiligung an sieben Morden, 31 Fällen von Folter und 42 Entführungen vorgeworfen. Die Beweisgrundlage des Urteils wird am 1. November bekannt gegeben. Mehr als 70 Zeugen sagten bei dem Prozess aus, viele von ihnen sind Überlebende der Gefangenenlager. Sie berichteten, dass von Wernich nie geistlichen Beistand geleistet habe. Im Gegenteil: Er habe sie nach den Folterungen besucht, sie zu einem Geständnis und zur Zusammenarbeit aufgefordert und ihnen erklärt, dass erst dann die Folter eingestellt werde. Das Gerichtsurteil wurde von einer großen Menschenmenge gefeiert, zu der vor allem die Mütter der Plaza de Mayo und Angehörige der Opfer des Völkermords zählten. Sie hatten sich vor dem Gericht versammelt und warteten auf diesen „historischen Moment“, den sie laut Menschenrechtsaktivisten „nicht geglaubt hätten erleben zu dürfen“. Das Episkopat der katholischen Kirche in Argentinien veröffentlichte eine kurze Erklärung, in der Kummer und Bestürzung über die Verbrechen geäußert wurden, die von Wernich vom Gericht zur Last gelegt wurden. Der Analyst Washington Uranga schrieb in der Tageszeitung Página 12, dass die lebenslange Haft für von Wernich „von der Gesellschaft nur schwer als Strafe gegen einen einzelnen Diener Gottes auslegt werden kann, indem behauptet wird, der frühere Polizeikaplan von Buenos Aires habe vollkommen isoliert gehandelt und keiner seiner Vorgesetzten habe etwas von seinen Aktionen gewusst. Es wäre aber trotzdem nicht gerechtfertigt, in das Urteil die ganze Institution Kirche einzubeziehen, der auch Opfer des repressiven Pfarrers, der Polizei und des Militärs angehörig sind.“ Mit diesen Worten beschreibt Uranga deutlich die heikle Situation, in der sich die katholische Kirche durch dieses Urteil befindet. Der Journalist ergänzt: „Durch den Prozess konnte die Wahrheit an die Öffentlichkeit gelangen und die unbestreitbare Verantwortung der argentinischen katholischen Kirche für die Menschenrechtsverbrechen bewiesen werden.“ Mariano de Vedia bemerkte in der Zeitung La Nación, dass die kurze Erklärung des Episkopats von vielen „mit Verärgerung aufgenommen wurde, die eine heftigere Verurteilung der Kirche mit harten Worten und ohne Beschwichtigungen für die Vergehen von Wernichs erwartet hätten.“

Kirche auf der Anklagebank

Von Andrés Gaudin (Buenos Aires, 3. Oktober 2007, na-poonal).-
Der Prozess gegen den ehemaligen Militärkaplan Christian von Wernich, der verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der letzten argentinischen Diktatur (1976-83) für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hat sich nun zu einem Untersuchungsverfahren gegen die gesamte katholische Kirche entwickelt: Die gesamte - damalige und heutige - oberste Führungsriege der Institution in Argentinien soll möglicherweise an Ermordungen, Folterungen, Kinderhandel und dem Verschwindenlassen von Menschen beteiligt gewesen sein. Die Verdachtsmomente reichen bis hin zum verstorbenen Papst Johannes Paul II. Zu den Zeugen der Anklage zählen die Bischöfe der Diözesen von Neuquén und Quilmes, zahlreiche Priester, der Theologe Rubén Dri sowie Adolfo Pérez Esquivel, Träger des Friedensnobelpreises von 1980. Angesichts der schweren Anschuldigungen hüllt sich die Spitze der katholischen Kirche Argentiniens in Schweigen, und die spärlichen Kommentare, die aus dem Umfeld der Kirchenführung zu hören waren, bekundeten diskret ihre Komplizenschaft mit dem Ex-Kaplan. Von Wernich wurde im Dezember 2005 vor Gericht gestellt, nachdem man ihn verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt hatte. Die Hauptverhandlung, im Zuge derer mehr als 200 Zeugen gehört wurden, begann jedoch erst am 5. Juli 2007. Das Ergebnis: von Wernich konnte die unmittelbare Beteiligung an sieben Mordfällen, 42 Entführungen bzw. dem Verschwindenlassen von Menschen sowie Folterungen in 31 Fällen nachgewiesen werden. Als Polizeiinspektor der Provinz Buenos Aires fungierte von Wernich als offizieller Beichtvater der Polizei; wie Hunderte von Aussagen ehemaliger Gefangener und Ex-Polizisten belegen, nahm der Priester jedoch auch an Verhören und Folterungen von Entführten teil. Außerdem gehörte er laut Zeugenaussagen einem Erschießungskommando an, das die Ermordung von sieben Studenten der Universität vornahm. „Ich habe die Rolle der Kirche als Institution, insbesondere die Rolle, die die Führungsriege gespielt hat, immer in Frage gestellt und tue dies auch heute noch, denn sie hat sich angesichts der Ereignisse nicht auf die richtige Seite, das heißt, auf die Seite der Gepeinigten, gestellt“, erklärte vor Gericht der Salesianer Rubén Capitanio, einer der Priester, die gegen den Ex-Kaplan ausgesagt hatten. "Der Fall von Wernich ist mehr als symbolisch, denn er hat die Seite der Peiniger sogar noch unterstützt.” Am 5. September kam ein Dokument des Bistums Neuquén im Süden des Landes an die Öffentlichkeit, in dem die Haltung der Kirch angeprangert wird. „Schweigen, zuviel Schweigen, mangelnde öffentliche Unterstützung der Familien, die nach dem Verbleib ihrer Angehörigen fragten, sich taub stellen angesichts der Forderung nach Gerechtigkeit – all das hat dazu geführt, dass man uns als Komplizen der Diktatoren des Todes betrachtet hat, wo wir doch Apostel des Lebens sein sollten.“ Die Unterstützung, die von Wernich von der katholischen Kirche erhielt, reichte weit über die Diktatur hinaus und weit in die Demokratie hinein: Im Jahr 1996, als die Vorwürfe gegen den Ex-Kaplan lauter wurden, verschaffte die Kirche ihm eine neue Identität als Christian González und übertrug ihm die Obhut einer kleinen touristischen Gemeinde in Chile. Hier, im etwa 100 km südlich von Santiago gelegenen Quisco, lebte von Wernich unentdeckt, bis die argentinische Justiz einen internationalen Haftbefehl gegen ihn präsentierte. „Die Kirche ist das Opfer einer üblen Verfolgungsjagd“, wetterte Jorge Bergoglio, Kardinal von Buenos Aires, als im vergangenen Juni der Termin für den Prozessbeginn gegen Von Wernich bekannt wurde. Auch Bischof Andrés Stanovnik, von der im Norden gelegenen Diözese Chaco, unternahm einen schüchternen Anlauf zur Verteidigung Von Wernichs: „Ich gedenke nicht den Stab über einen meiner Brüder zu brechen“, erklärte er, „und ich warne vor einem vorschnellen Urteil. Von Wernich wurde lediglich angeklagt, nicht verurteilt.“ Aufgrund der Zeugenaussagen, die im Verfahren gegen von Wernich gesammelt wurden, sitzen nun neben anderen auch die Jesuiten Bergoglio und Stanovnik auf der Anklagebank. Mona Moncalvillo, Journalistin und Leiterin des staatlichen Senders Radio Nacional, ist die Schwester eines der sieben ermordeten Studenten. Wie sie dem Gericht erzählte, hatte von Wernich von ihrer Familie eine beträchtliche Summe Geld gefordert, angeblich, um den jungen Mann außer Landes zu bringen und so sein Leben zu retten. „Bergoglio wusste über alles Bescheid. Die Jesuiten waren bestens darüber unterrichtet, was in Argentinien vor sich ging.“ Estela de la Cuadra ist die Schwester einer der während der Diktatur Verschwundenen. Ihre Nichte wurde in Gefangenschaft geboren und in die Familie eines Polizisten gegeben. „Von Wernich war es, der das Baby meiner Schwester Elena an die Familie eines Militärs weitergab. Der heutige Kardinal Bergoglio wusste genau Bescheid, denn meine anderen Geschwister, die nach Europa ins Exil gegangen waren, hatten zu dem Generaloberen der Jesuiten Pedro Arrupe Kontakt aufgenommen, und dieser informierte Bergoglio darüber, wie sehr meine Familie unter dem Geschehenen litt.“ Im Zuge seiner gerichtlichen Aussage prangerte Pérez Esquivel, aktiver Katholik und Gründer der Menschenrechtsorganisation Servicio de Paz y Justicia (SERPAJ), vehement die „Komplizenschaft der Kirchenoberhäupter mit der Diktatur“ an. Wir haben die Führung der Kirche gebeten, uns bei der Suche nach den Verschwundenen zu helfen, doch wir bekamen nie eine Antwort. Auch auf die humanitäre Unterstützung von Papst Johannes Paul II. warteten wir vergeblich.“ Nicht nur der damalige Erzbischof, Monsignor Juan Carlos Aramburu, habe sich in Schweigen gehüllt; auch Pabst Johannes Paul II sei ein Komplize der Diktatur gewesen, so Pérez Esquivel. „Dreimal haben wir einen Bericht über 84 Fälle verschwundener Kinder erstellt und ihm persönlich in die Hand gedrückt, doch die einzige Antwort des Papstes lautete: "'Bevor Sie sich in dieser Angelegenheit an mich wenden, sollten Sie lieber an die Kinder in den kommunistischen Ländern denken.'“ Auf die Aussage des Friedensnobelpreisträgers folgte die Anhörung des ehemaligen Priesters und Theologen Rubén Dri, der erklärte: „Der Kardinal, die Bischöfe und der Nuntius wurden von den Militärs zu gemeinsamen Abendessen eingeladen, sie saßen mit den Mördern an einem Tisch und teilten das Brot mit ihnen, und nie klagten sie die schrecklichen Verbrechen an, über die wir alle Bescheid wussten.“ Am 10 September bezeugte Luis Stockler, Bischof der Diözese zu Quilmes, 20 km südlich von Buenos Aires, „Entrüstung und Ohnmacht angesichts der Person Christian Von Wernichs" und ermutigte die Zeugen, "dass sie von dem Horror berichten". Seine vernichtende Kritik an der Führungsspitze der katholischen Kirche gipfelte in den Worten: „Schluss mit Institutionen, die schweigen und sich zu Komplizen der Verbrechen und ihrer Akteure machen!“

domingo, 14 de octubre de 2007

Nur eine Ausnahme?. Zur Verurteilung vom Christian von Wernich.

Die Verurteilung des deutschstämmigen Priesters Christian von Wernich wegen seiner Beteiligung am Völkermord während der argentinischen Militärdiktatur (1976-83) ist ein Beispiel für die enge Beziehungen die zwischen der katholischen Kirchenhierarchie und den damaligen Machthabern herrschte.
Zwar sind andere Fälle der direkten Beteiligung an Folter und Ermordung noch nicht vor Gericht verhandelt worden, aber es gibt unzählige Beweise für die wohlwollende bis unterstützende Haltung der katholischen Kirche in Argentinien gegenüber der Militärdiktatur.
Diese enge Beziehungen hatte auch eine starke ideologische Grundlage. Die große Mehrheit der argentinischen Bischöfe stand feindselig gegenüber den Beschlüssen des II. Vatikanischen Konzils und der Bischofskonferenz von Medellin von 1968. Besonders in Medellin übernahm
die katholische Kirche Lateinamerikas die „Option für die Armen“ und begrüßte die Ansätze der Theologie der Befreiung. Eine relativ kleine Minderheit innerhalb der katholischen Kirche in Argentinien teilte diese Ansätze, die Mehrheit der Bischöfe stand eher einem „National -katholizismus“ nahe, so wie er in Spanien unter Franco betrieben wurde. Im katholischen Argentinien der 60er Jahre fand eine andere extremistische Organisation immer mehr Anhänger. Das südamerikanische Land wurde zum Fluchtort der ehemaligen OAS(*1) – Kämpfer und ihrer Ideologen der „Cite Catholique“(*2), die nach dem Algerien – Krieg in Frankreich als unerwünscht galten.
Die ehemalige französische Offiziere brachten ihren argentinischen Kollegen ihre Erfahrungen bei der Aufstandbekämpfung bei. Die Theologen der „Cite“ lieferten die religiöse – moralische Rechtfertigung für den zukünftigen Krieg gegen den Kommunismus.
Bereits während der Militärdiktatur von Juan Carlos Ongania (1966-70) besuchten viele Offiziere der argentinischen Streitkräfte die „Cursillos para la Cristiandad“, Seminare der „Cite“, wo diese Mischung von modernen Kreuzzug und Aufstandsbekämpfung erläutert wurde. Ongania selber stand diesen Ideen nicht fern. Bereits 1966 definierte er die Aufgabe der lateinamerikanischen Armee als „die Verteidigung gemeinsamer Werte des Westens“, anstatt der Verteidigung der jeweiligen Landesgrenzen. Im letzten Teil seiner Amtszeit liebäugelte er mit der Errichtung eines Ständestaates.
Die reaktionäre katholische Kirche des Landes stand also auf der selben Wellenlänge wie die Streitkräfte in den 70er Jahren. Der Rückkehr von Peron wurde von beiden Institutionen argwöhnisch beobachtet. Peron selber stand auch dem nationalen Katholizismus nicht sehr fern, aber gegen Ende seiner zweiten Amtszeit 1955, distanzierte er sich von der Kirche, ließ den päpstlichen Botschafter aus dem Land ausweisen und setzte gesetzliche Maßnahmen (Anerkennung unehelicher Kinder, Scheidungsgesetz) durch, die gegen die Lehren der Kirche verstoßen. Für die Streitkräfte bedeutet der ehemalige General ein letztes Bollwerk gegen die „revolutionäre Subversion“.
Aber der altersschwache „Caudillo“ hatte seine Bewegung nicht mehr unter Kontrolle. Als er dann im Juli 1974 verstarb, übernahm seine unfähige Ehefrau Isabel Martinez das Präsidialamt.
Schon 1975 mehrten sich die Stimmen innerhalb der katholischen Kirche die einem Aufstand der Streitkräfte befürworteten. Federführend hier war der Bischof Victorio Bonamin,. Der Militärbischof sagte bei einer öffentlichen Rede vor Generälen wörtlich: „Das Militär ist gereinigt im Jordan voll Blut, um sich an die Spitze des ganzen Landes zu stellen. Wer weiß, ob Christus nicht eines Tages gewollt hätte, daß die Streitkräfte zusätzliche Funktionen übernehmen, die über ihre eigentliche Aufgabe hinausgehen.“ Derselbe Militärbischof sprach dann auch noch folgendes: „Der Kampf gegen die Guerilla ist ein Kampf für die Republik Argentinien, aber auch für ihre Altäre ... Dieser Kampf verteidigt die Moral, die Menschenwürde.“
Wenige Stunden vor dem Putsch vom 24.3.1976 trafen sich die Junta –Mitglieder Videla und Massera mit den damaligen Vorsitzenden der argentinischen Bischofskonferenz Monsignore Adolfo Tortolo, der den Putschisten seinen Segen erteilte.
Ebenfalls von Militärbischof Bonamin stammt diesen Aussagen: „Dieser Kampf ist schließlich ein Verteidigungskampf für Gott ... deshalb bitte ich um göttliche Unterstützung in diesem schmutzigen Krieg, in den wir hineingezogen sind.“ “Die Liebe zum Vaterland ist heilig…Christus liebte sein Vaterland, der von Rom unterdrückt wurde. Er heiligte und ehrte damit das Vaterland. Die Liebe zum Vaterland, die bei jedem Menschen großzügig und loyal sein soll, ist noch größer beim wahren Christen. Wenn der Tod für das Vaterland jeden aufrichtigen Mensch ehrt, so ehrt es um so mehr den Christen, der das Vaterland unter dem Licht seines Glaubens sieht. Diese Liebe für das Vaterland nimmt epische und heroische Größen in den Reihen der Streitkräfte der Nation“.
Die Kirche beteiligte sich indirekt an der danach folgenden Repression. Der zur Zeit in spanischer Haft sitzende Marineoffizier Adolfo Scilingo berichtete, daß nach den Todesflügen (Abwurf betäubter Gefangener über das Meer oder den Rio de la Plata), – es wurden 1.500 bis 2.000 Menschen allein auf diese Weise liquidiert – Militärkapläne mit denen gesprochen haben, die diese Aktion durchgeführt hatten, um ihnen Trost zu spenden. Einer von ihnen sagte sinngemäß, es sei ein christlicher Tod, weil sie – die Opfer – „nicht leiden“. Er sagte, „daß Krieg Krieg sei und auch die Bibel sage, daß die Spreu vom Weizen getrennt werden muß“.
Andere Mitglieder des Klerus wie der Polizeikaplan Mackinnon sprachen eine direktere Sprache: „Unsere Kleider werden nur die Flecken des Blutes haben, des eigenen oder des fremden Bluttes, der für eine gerechte Sache vergossen werden mußte. Dieses Blut befleckt uns nicht, er heiligt uns“.
Die Hierarchie der katholischen Kirche war außerordentlich gut über den Ausmaß der Repression informiert. Ein Netz von 250 Militärseelsorger war über das ganze Land verteilt. Der Vorsitzende der Bischofskonferenz Tortolo beauftragte seinen Sekretär Monsignore Graselli mit der Betreuung der Angehörigen der Verschwundenen, die Hilfe und Trost bei der Kirche suchten. Es ist nicht bekannt, daß durch Grasellis wirken je ein Leben gerettet werden konnte, aber bei seiner Aussage vor Gericht gab er zu eine umfangreiche Datei mit über 2.500 Fälle von Verschwunden angelegt zu haben.
Eine mehr als zwielichtige Rolle spielte der päpstliche Nuntius (der Botschafter des Vatikans in Argentinien) Pio Laghi. Einerseits beschwerte er sich in Rom über das mangelnde Engagement der argentinischen Bischöfe für die Menschenrechte, andererseits war er ein der bevorzugten Tennis – Partner des Admiral Massera. Sein Wissen über den argentinischen Völkermord gab er den US –amerikanischen Diplomaten in Buenos Aires weiter, aber in der Öffentlichkeit äußerte er sich sehr zurückhaltend.
Mehrere katholische Würdenträger wurden in den geheimen Folter – und Konzentrationslager gesehen. Hier einige Beispiele
a) Bischof Jose Manuel Medina aus Jujuy sprach mit Gefangenen in einem Folterlager in Calelilegua.
b) Monsignore Antonio Plaza, als Polizeikaplan der Polizei der Provinz Buenos Aires begleitete er den Coronel Ramon Camps, Chef der Sicherheitskraft, bei seinen Besuchen in verschiedenen Lagern. Auf festgebundene Gefangene soll er getreten haben, um sie zum sprechen zu bringen. Er wurde von einem eigenen Verwandten wegen „unterlassener Hilfeleistung“ 1984 angezeigt
c) Polizeikaplan Julio Mackinnon nahm an zahlreiche Verhöre teil. Fast alle Verhörten wurden danach umgebracht.
d) Der Verurteilte Christian von Wernich betreute eine Gruppe von Verschwundenen, die angeblich nach ihrer „Umerziehung“ freigelassen werden sollten. Er saß in den Wagen, in dem zwei von ihnen umgebracht worden sind.

Andere Würdenträger sind nicht so weit gegangen in ihrer Unterstützung der Militärdiktatur. Aber während der gesamten Militärdiktatur weigerte sich die argentinische Bischofskonferenz Menschenrechtsorganisationen wie „Madres“ oder „Abuelas de Plaza de Mayo“ zu empfangen.
In einer Privataudienz empfing Monsignore Montes, Mitarbeiter des oben erwähnten Monsignore Plaza, Frau de Mariani, eine der Mitbegründerinnen der „Abuelas de Plaza de Mayo“. Sie suchte nach ihrer Enkelin und Montes sagte ihr: „Sie sollten in dieser Sache nicht sehr viel unternehmen, die jennigen die ihre Enkelin haben, könnten sehr nervös werden. Sie müssen beten, sehr viel beten“. Als sie mit Monsignore Graselli traf, erhielt Frau de Mariani folgende Antwort: „Schade, daß Sie sich so viel Zeit gelassen haben, um zu mir zu kommen. Das Kind ist jetzt schon verloren… Sie ist auf einer sehr hohen Ebene, dort ist sie unantastbar…Es tut mir leid, aber ich kann gar nichts mehr machen“
Ab 1981, als die Informationen über den Völkermord immer mehr durchsickerten, begann die argentinische Bischofskonferenz Aufrufe zur Versöhnung zwischen Opfern und Diktatur zu publizieren, eine Haltung die sie bis heute behalten hat.

Die andere Kirche

Diese Analyse über die Rolle der katholischen Kirche Argentiniens während der Militärdiktatur wäre nicht vollständig, wenn nicht die Bemühungen der Minderheit erwähnt werden, die sich für die Menschenrechte eingesetzt hat. So wie viele Andersdenkende wurden sie verfolgt und umgebracht.
Zu Beginn der 70er Jahre wurde die Bewegung der Pfarrer für die Dritte Welt in Argentinien gegründet (Movimiento de Sacerdotes para el Tercer Mundo). Die Bewegung umfaßte ca. 300 Pfarrer und wurde mißtrauisch von der damaligen Militärdiktatur und der eigenen Kirchenleitung beobachtet. Nur wenige Bischöfe, wie z.B. Bischof Devoto in Corrientes oder Angelelli in La Rioja, öffneten ihre Bistümer diesen fortschrittlichen Kräften des Katholizismus.
Die Verfolgung dieser Reformkräfte innerhalb der Kirche begann bereits vor dem Putsch. Das rechtsextreme Todesschwadron „Triple A“ zwang den gemäßigt fortschrittlichen Kardinal Eduardo Pironio ins Exil zu gehen, um seinen Leben zu retten.
Nach dem Putsch von März 1976 mußten viele der Pfarrer der Bewegung ihren Einsatz für die Ärmsten der Gesellschaft aufgeben. Nur 3 (De Nevares in Neuquen, Hesayne in Viedma und Novak in Quilmes) von 66 argentinischen Bischöfen nahmen eine oppositionelle Haltung gegen die Militärjunta ein. Zwei andere Bischöfe, Angelelli und Ponce de Leon, wurden in vorgetäuschten Autounfällen von der Militärdiktatur umgebracht. Zahlreiche Nonnen und Pfarrer wurden festgenommen, manche Verschwanden für immer. Sogar als drei Priester und zwei Seminaristen mitten in der argentinischen Bundeshauptstadt umgebracht wurden („Massaker von San Patricio“), schwieg die Leitung der katholischen Kirche.

Roberto Frankenthal

(*1) OAS: Organisation armée secrète, war eine französische Untergrundbewegung während der Endphase des Algerienkriegs.(*2) Cite Catholique: La Cité Catholique is a Traditionalist Catholic organisation created in 1946 by Jean Ousset, private secretary of Charles Maurras (founder of the monarchist Action française in 1899). An advance party of the Cité catholique arrived in Argentina in 1958, in the middle of the Algerian War (1954-62) and after the military which deposed Juan Perón in 1955. The Cité Catholique brought to Argentina a doctrine of counter-revolutionary warfare and torture, justified as part of Thomist dogmatism.They would thus provide the ideological support of the future "Dirty war" carried out by the Argentine military in the 1970s

martes, 25 de septiembre de 2007

LO QUE FUE ILEGAL SIGUE SIENDO ILEGAL

La derecha alemana y las sombras de su pasado pro –nazi

El pasado 1 de abril del 2007 murió Hans Filbinger a la edad de 93 años. Había sido entre 1966 y 1978 ministro – presidente (gobernador) del estado de Baden – Württemberg. En 1978 se vio obligado a renunciar a su cargo, debido a su actuación como juez militar durante el Nazismo.

Los hechos

Filbinger había nacido en 1913 en Mannheim. En los años 30 se unió primero a la SA (fuerza de choque callejera del Nazismo), posteriormente a una asociación de estudiantes nacionalsocialista y en 1937 ingreso al Partido Nacionalsocialista. Historiadores militares describen a este jurista como un „hombre ambicioso que quería hacer carrera“
Como jurista se integro a la justicia de la Marina de Guerra de la Alemania nazi. Existen pruebas que en tres ocasiones, por lo menos, Filbinger actuó por convicción ideológica, ya que los dos hechos ocurrieron poco antes del final y después de finalizar la segunda guerra mundial. (Inf: 08 de mayo de 1945).
En el primer caso se trata del marinero Walter Gröger, que había desertado en Oslo en 1943. Filbinger, como representante de la fiscalia, solicito para el desertor la pena de muerte. Y ordeno la ejecución del marinero el 16 de marzo de 1945, pocas semanas antes de la rendición del régimen hitleriano.
En abril de 1945 condeno a otros dos marineros a la pena capital por haber desertado. Ambos salvaron su vida al poder escapar de la prisión militar en las ultimas semanas de la guerra.
Posteriormente fue tomado prisionero por tropas británicas y enviado a Noruega. Para mantener la disciplina en los campos de prisioneros, los británicos reinstalaron allí la justicia militar alemana.
El 29.05.1945 Filbinger condeno al soldado Kurt Petzold a seis meses de prisión por haber insultado en estado de ebriedad a su jefe de batería como „perro nazi“ y haber desprendido la cruz gamada de su uniforme. Filbinger justifico su condena alegando que el soldado Petzold había demostrado una „actitud de disolución ideológica“ en su agresión.
A pesar de estos antecedentes Hans Filbinger, como muchos otros juristas civiles y militares implicados en el Nazismo, pudo continuar su carrera tras ser liberado por las tropas de ocupación.
En 1951 se suma a la CDU (la democracia cristiana) y en 1953 es elegido concejal en Freiburg.
Posteriormente es llamado a integrar el gabinete provincial. En 1966 se hace cargo del puesto de ministro –presidente de la provincia, sucediendo a Kurt Georg Kiesiniger, otro ex-funcionario de los nazis que hizo carrera en la RFA.
Durante mas de una década gobernó este estado, haciendo hincapié en la fusión de sus dos partes Baden y Württemberg.
En 1978 el escritor Rolf Hochhuth en una obra de teatro hizo accesible al gran publico el triste pasado de Filbinger. Filbinger en un principio negó toda participación en las causas judiciales citadas anteriormente y llego a querellar a Hochuth por la calificarlo „jurista terrible“.
Uno de sus opositores de la época, el socialdemócrata Eppler, lo califico como un „jurista con una patológica conciencia limpia“.
Finalmente y acosado por la dirección nacional de su propio partido renuncio a su cargo en agosto de 1978. En el debate posterior, Filbinger afirmo: „Lo que en ese momento fue legal, hoy no puede ser ilegal“. De esta manera el y otros querían reafirmar la continuidad y conexión entre la Justicia del III. Reich y la Rep.Fed. de Alemania.
Con el fin de rehabilitar su nombre Filbinger creo un centro de estudios: „Weikersheimer Kreis“. Desde allí trato de convencer a la opinión publica que las acusaciones contra él eran obra de la Stasi, la seguridad del Estado de la ex- Rep. Democratica de Alemania. Con el tiempo este centro de estudios devino en lugar de encuentro entre el ala más conservadora de la democracia cristiana y el extremismo de derecha. Regularmente personas y organizaciones catalogadas por la oficina de Protección de la Constitución como extremistas de derecha y antidemocráticas utilizaban las instalaciones del centro de estudios. Los contactos de Filbinger hicieron posible que el „Weikersheimer Kreis“ contara con financiamiento de la oficina federal de formación política.
El caso Filbinger abrió el debate sobre el comportamiento de la Justicia en la Alemania del Nazismo, especialmente en lo referido a las penas impuestas por la justicia militar en los casos de deserción.
En 1991 la Justicia de la RFA comenzó a indemnizar a las victimas de la justicia nazi, En 1995 la Corte Federal califica a la Justicia militar de la época nazi como „Justicia del Terror“ y describió a los jueces implicados que después sirvieron a la Justicia de la RFA como „jueces manchados con sangre que deberían haber asumido su responsabilidad por su violación del Derecho ante un tribunal“. En julio del 2002 finalmente se anularon todas las sentencias penales de la Justicia del Nazismo.
Durante todos estos años Filbinger siguió siendo el presidente honorario de su partido en la provincia y represento al mismo en varias ocasiones en la Asamblea Parlamentaria, que cada cuatro años elige al Presidente de Alemania.
Al cumplir 90 años en 2003, el gobierno provincial organizo una recepción oficial para Filbinger cerca de Stuttgart. La misma estuvo acompañada por protestas, las mismas que habían impedido la realización de una recepción oficial en la ciudad de residencia de Filbinger, en Freiburg.
En 2004 hubo criticas de los partidos socialdemócrata, verde y de los ex-comunistas por el hecho de que el parlamento de Baden-Württemberg lo eligió en forma unánime para representar a la provincia en la Asamblea Parlamentaria. El Comité Central de los Judíos en Alemania (la DAIA local) también elevo su voz de protesta.
El 11.04.2006 se realizó un acto oficial en la basílica de Freiburg para despedir los restos mortales, fallecido diez días antes en la misma ciudad. El principal orador fue el actual ministro – presidente de Baden Würrtemberg, Günter Oettinger.

Oettinger, el pragmatismo conservador.

En el año en el cual Filbinger comenzaba su carrera política en la RFA, nacía el actual ministro-presidente de la segunda provincia más rica de Alemania. Como su antecesor en el cargo Oettinger estudio leyes y ejerció como abogado especializado en asuntos económicos.
En 1977 creo la sección local de la juventud demócrata cristiana de la localidad donde habitaba su familia.
Entre 1983 y 1989 fue elegido jefe provincial del partido demócrata-cristiano. En 1984 es elegido diputado provincial y en 1991 jefe de la fracción demócrata-cristiana del parlamento provincial.
Su ultimo antecesor en el cargo, Erwin Teufel, no simpatizaba mucho con Oettinger y a pesar de la influencia de este en la fracción del parlamento provincial, lo mantuvo siempre alejado de las decisiones trascendentales. Teufel representaba a la democracia cristiana más tradicional, un tanto pueblerina, asentada sobre los valores tradicionales de la Iglesia. La mejor descripción del estilo de Teufel es el dicho argentino: „Caballo de estatua: no va para atrás ni para adelante pero tampoco te c.....“.
Oettinger corporizaba a otra generación mucho más pragmática. Junto a otros dirigentes demócratas – cristianos de la misma edad forma parte de la llamada „Anden –Connection“ (*1). En cuestiones socio-económicas ese pragmatismo bordeaba el pensamiento neoconservador americano. Siempre se preocupo en mostrar un perfil modernizador, también como método para diferenciarse de Teufel.
A partir del 2004 Oettinger hizo publica su ambición de ocupar el puesto de ministro-presidente.
Erwin Teufel quiso impedir este ascenso y logro que Oettinger compitiera en una elección partidaria contra una candidata favorecida por él. Pero la mayoría de los militantes del partido eligió a Oettinger para encabezar las listas electorales de la CDU. Así fue elegido en 2005 para el cargo que actualmente ocupa.
En su discurso del 11 de abril pasado Oettinger afirmo: „En contra de lo que se ha podido leer en varias crónicas necrológicas quiero dejar claro: Hans Filbinger no fue un nacionalsocialista. Al contrario: fue un adversario del régimen nazi. Sin embargo no pudo escapar, como muchos otros millones, de sus obligaciones para con el régimen..... Debemos dejar en claro: no hay sentencias de Hans Filbinger, que le hayan costado la vida a otras personas. Y en las sentencias que se le echan en cara el no tenia el poder de decisión o de decidir libremente, como muchos afirman“.
Mucho se ha especulado sobre las razones que tuvo Oettinger para hacer estas afirmaciones.
Algunos observadores afirman que de esta manera el modernizador, que por ejemplo en algún momento afirmo que el lenguaje futuro seria el ingles y el uso del alemán se vería limitado al tiempo libre y a la familia, quiso congraciarse con los sectores más reaccionarios y conservadores de su partido.
Otros analistas afirman que Oettinger con su discurso quiso dejar en claro el pensamiento de su generación conservadora. Al realzar los meritos de Filbinger, Oettinger quiere atacar a la izquierda, que desde la revuelta estudiantil del 68 ha determinado culturalmente el debate sobre el pasado sombrío de este país. Los conservadores de su generación relativizan los errores y crímenes cometidos bajo el nazismo y quieren destacar el rol de estas personalidades en el resurgimiento alemán de la posguerra.

Las reacciones

Todo el espectro político desde los liberales hasta la izquierda salió a criticar duramente le discurso de Oettinger. El Comité Central de los Judíos en Alemania se sumo a la critica, resaltando en un comunicado que se habían obviado partes importantes de la vida de Filbinger en el discurso fúnebre..
Estas reacciones llevaron a que la primera ministro Angela Merkel tomara cartas en el asunto.
Especialmente critico que las frases empleadas por Oettinger no tuvieron en cuenta ni a las victimas del nazismo ni a sus familiares.
En la semana posterior a la ceremonia fúnebre Oettinger trato de tranquilizar las aguas afirmando, que quizás sus expresiones habían sido mal interpretadas, que el nunca había querido herir los sentimientos de las victimas del nazismo.
El pasado 16.04 Oettinger tenia pensado viajar a Roma para saludar al Cardenal Josef Ratzinger por su 80 cumpleaños (un comentarista satírico sugirió que quizás pediría la beatificación de Filbinger) . Al mediodía debió cambiar sus planes de vuelo y dirigirse a Berlín, adonde fue citado a concurrir a una reunión de la dirección ejecutiva nacional de su partido. Al abandonar la reunión, Oettinger visiblemente tensionado afirmo: „Me distancio de mis expresiones vertidas durante el funeral de Filbinger“.
Tanto o más problemáticas que las declaraciones de Oettinger han sido las reacciones de otros miembros de su partido.
Georg Brunnhuber, jefe de los diputados federales de Baden Württemberg dentro de la fracción de la CDU, comento las declaraciones de Oettinger de la siguiente manera: „...Fue una solido y bien formulado discurso funerario...Bien calculado y dirigido a la clientela conservadora. No hay que menospreciar la buena llegada que tuvo para las almas cristianas conservadoras. Para nuestros militantes Oettinger ha dado un gran paso... Ha abierto una puerta al futuro. Va a ser un grande de la política....La critica desmedida del Comité Central solo va a llevar a que la gente le dé la razón a Oettinger“.
Especialmente esta ultima oración levanto una nueva ola de protestas. Brunnhuber le advierte a los judíos que no se deben exceder en sus criticas a los políticos alemanes. Con respecto a este punto el escritor y periodista judío Ralph Giordano, que sobrevivió al Holocausto escondido en Hamburgo, decía en una entrevista: ...“Esa es la voz del conservadurismo aleman. Nunca se dignaron a analizar su rol en la época del nacionalsocialismo. Como puede ser que en Alemania alguien advierta a los judíos de que es mejor que callen para no provocar el antisemitismo ....Primero pensé:tengo que hacer mis valijas e irme.... Parece que no entienden que lo que fue ilegal en esa época, sigue siendo ilegal hoy“.
Joerg Schönbohm, ex-general de la Bundeswehr, ex-ministro del Interior del Estado de Brandenburgo y miembro de la dirección nacional de la CDU, critico a la primer ministro por la forma en la cual ella había criticado a Oettinger: „ Ella tendrá en el corto plazo el aplauso de muchos. Pero debería haber buscado encontrar una solución al problema junto a Oettinger y no condenarlo en publico. Al largo plazo el partido le pasara factura por esto“. Schönbohm es miembro del „Weikersheimer Kreis“.
El secretario general del Comité Central de los Judíos en Alemania, Stephan Krämer, definió las palabras de Brunnhuber como „antisemitismo puro”.Demando el cierre del centro de estudios del „Weikersheimer Kreis“. Para el vicepresidente de la misma organización se trata de una provocación contra los judíos en Alemania.

El pecado original del conservadurismo alemán es que salvo contadas excepciones acepto de buena manera el advenimiento del nazismo. Aun aquellos grupos conservadores que en 1944 conspiraron y atentaron contra Hitler, lo hicieron para salvar a Alemania de la derrota total y no para combatir la política del exterminio nazi.
Tras el final de la guerra este establishment conservador se hizo cargo del nuevo estado y lo formo según las reglas democráticas dictadas por las tropas de ocupación. Tuvieron que tolerar y aceptar que figuras antifascistas que se habían exiliado, regresaran y ocuparan lugares de dirección en el país. Pero en la segunda línea, y a veces en la primera, de la dirigencia política, económica e industrial se ubicaron aquellos que habían colaborado voluntariamente y con entusiasmo con el III. Reich.
Claro que bajo estas condiciones era prácticamente imposible una reflexión sobre el pasado. Recién a finales de los 60, la generación de los hijos de estos dirigentes empezó a cuestionar su rol bajo el nazismo. No fue una casualidad que en 1969 fuera elegido primer ministro el socialdemócrata Willy Brandt, que había pasado la II. Guerra Mundial en la resistencia antinazi y el exilio.
Los actuales lideres conservadores quieren relativizar los errores cometidos bajo el nazismo, resaltando los aciertos de la reconstrucción de la posguerra. Pero parecen olvidar que no se puede hacer lo uno, obviando lo otro.
Especialmente problemático es que para ello, utilizan los discursos, que hasta hace pocos años atrás solamente eran escuchados en las reuniones de la extrema derecha en las salas traseras de las cervecerías de pueblo. Hoy ese discurso se expande en las recepciones oficiales
El intento de limpiar la biografía de Filbinger, un hombre que nunca se distancio ni un centímetro de sus actitudes durante el nazismo y además después apoyo los intentos de contactar a la extrema derecha con la democracia cristiana, estaba destinado a fracasar desde un principio. Que de todas maneras esto haya sido intentado, demuestra que la derecha alemana, todavía tiene grandes problemas para aceptar y reflexionar sobre su pasado reciente.

Roberto Frankenthal


(*1) Durante un extenso viaje por Súdamerica en los 90, varios dirigentes demócratas –cristianos se comprometieron a apoyarse mutuamente en su carrera política.

IM REICH DER BLINDEN IST DER EINÄUGIGE KÖNIG

Vorab - Kommentar zu den Nationalwahlen vom 28.10.07

Während seines langjährigen Exils (1955-73) wurde der ehemalige Präsident Peron des öfteren gefragt, warum er glaube, daß immer noch die breite Mehrheit der argentinischen Bevölkerung ihn unterstützen würde. Perons Antwort war recht bescheiden: „Meine Regierung war gar nicht so erfolgreich, aber die nachfolgenden Regierungen waren wesentlich schlechter.“
In ähnlicher Form kann der amtierende Präsident Nestor Kirchner behaupten: “Meine Regierung war gar nicht so erfolgreich, aber die Vorgänger waren wesentlich schlechter.“ Und das ist einer der Gründe für die wahrscheinliche Wahl der Kandidatin Cristina Fernandez de Kirchner zur argentinischen Präsidentin am 28.10.07.

Wer ist Cristina Fernandez de Kirchner?

Die peronistische Bewegung hat in ihrer Geschichte bereits zwei mächtige Frauen gehabt. Allerdings waren beide den politischen Willen von Juan Domingo Peron untergeordnet, wobei Eva Peron eher über eine eigene Hausmacht innerhalb des peronistischen Staates verfügte, als ihre Nachfolgerin an der Seite von Peron, Isabel Martinez (Isabelita).
Beim Ehepaar Nestor Kirchner – Cristina Fernandez scheint es mindestens auf der politischen Ebene eine Gleichberechtigung zu geben. Während Nestor am Anfang seiner politischen Laufbahn sich auf Ämter auf provinzieller Ebene beschränkte (Bürgermeister der Stadt Rio Gallegos und danach mehrmaliger Gouverneur der Provinz Santa Cruz), entschied sich Cristina zu erst für einen Amt als Provinzabgeordnete . Danach wechselte sie zum nationalen Parlament, als Abgeordnete und als Senatorin (sie ist die amtierende Senatorin für die Provinz Buenos Aires). Mit Fug und Recht behauptete sie in einem Interview, daß sie alle Ämter durch Wahlen erreicht hätte. Und während der Amtszeit von Nestor Kirchner gehörte Cristina zu den engsten Beraterzirkel seines Ehemannes. Obwohl es in Argentinien eine normale Regierungsmannschaft gibt, werden alle wichtige Entscheidungen durch einen Vierer – Gruppe getroffen: das Ehepaar Kirchner – Fernandez, der Staatssekretär im Präsidialamt Zanini und der Chef des Kabinnets Alberto Fernandez .
Cristina Fernandez de Kirchner politisch einzuordnen fällt schwer. Für manche ist sie ideologischer festgelegt als ihr Ehemann, andere halten sie für diplomatischer im Umgang mit abweichenden Meinungen. Das sie für ihre Ideen auch unbequeme Situationen in Kauf nimmt, hat sie bewiesen als sie als Senatorin für Santa Cruz von der Regierungsfraktion im Senat ausgeschlossen wurde, weil sie die menemistische Politik nicht unterstütze.
So wie ihr Ehemann zeigt sie wenig Neigungen Pressekonferenzen zu halten und beschränkt ihre Kontakte mit der Presse auf das nötige Mindestmaß des Wahlkampfes. Sie ist rethorisch wesentlich fähiger als der amtierende Präsident, meidet aber den Körperkontakt mit den WählerInnen, den Nestor Kirchner nach jeder politischen Veranstaltung sucht.
Cristina Fernandez zeigt schon immer eine größere Distanz zum traditionellen Peronismus. Im letzten Wahlkampf 2005 zweifelte sie nicht den Ehemann ihrer Konkurrentin Hilda „Chiche“ de Duhalde, den früheren Präsidenten Eduardo Duhalde, mit einen „Mafia – Paten“ zu vergleichen. Nach ihren damaligen Wahlerfolg wechselten die bis dahin überzeugten Duhaldisten die Seiten und bilden heute den Rückgrat des Wahlkampfes von Cristina in der Provinz Buenos Aires.
Sie soll auch eine gewisse Abneigung gegen die „Pinguino“ - (aus Patagonien stammende oder in der früheren Provinzregierung von Santa Cruz tätigen) Mitarbeiter der amtierenden Regierung von Nestor Kirchner haben.
An bestimmten Grundsätzen der aktuellen Politik wird die Kandidatin sicherlich festhalten. Kirchners Politik basierte bisher auf:
a) Das Streben nach Überschüsse in der Zahlungs- und Handelsbilanz des Staates
b) Eine unabhängige Außenpolitik mit dem Schwerpunkt Vertiefung des MERCOSUR
c) Das Festhalten an der aktuellen Abwertung des argentinischen Pesos, um Exporte zu erleichtern und den Wiederaufbau der einheimischen Industrie zu ermöglichen.
d) Der Nationalstaat ist ein wichtiger und strategischer Investor in der Infrastruktur des Landes.
e) Der bisherige Wirtschaftswachstum (ca. 40% des BSP in den letzten 5 Jahren) soll nicht wegen der Inflationsbekämpfung gebremst werden.
f) Stärkung der Binnennachfrage und Staatsinvestitionen bleiben die Antriebsfedern des Wachstums
g) Aufarbeitung der während der letzten Militärdiktatur begangenen Menschenrechtsverbrechen.
Es wird aber auch erwartet, daß die ehemalige Parlamentarierin mehr Rücksicht auf die institutionelle Aspekte der Machtausübung legen wird (z.B : bei der Gewaltenteilung), als ihr Ehemann. Allerdings wird Cristina Fernandez de Kirchner nicht auf die Vollmachten verzichten, die vom Parlament an die Regierung ihres Vorgängers abgetreten hat.

Wo ist die Opposition?

Der Zusammenbruch um die Jahreswende 2001/2002 verursachte auch die Auflösung des argentinischen Parteiensystems. Während der Peronismus sich immer eher als „Bewegung“ verstand, die sich zu Wahlzwecken als Partei organisierte, waren die Radikalen (UCR)und die argentinischen Sozialdemokraten (PS) sehr stolz auf ihre langjährige Parteiorganisationen .
Bei den kommenden Wahlen werden auf nationaler Ebene diese Organisationen nicht antreten. Auf der Provinz – Ebene bestehen sie immer noch und sind auch erfolgreich. Es gilt als ziemlich sicher, daß am 02.September die Provinz Santa Fe den Kandidaten der PS, Hermes Binner, zum ersten sozialdemokratischen Gouverneur des Landes wählt. Bei bereits stattgefunden Wahlen in Catamarca und Rio Negro waren die lokalen Vertreter der UCR erfolgreich.
Bei den Peronisten gibt es auch diese Auflösungstendenzen, wobei ihr angeborerener Pragmatismus ihnen den Seitenwechsel erleichtert. So gibt es mittlererweile K-Peronisten, Anti-K-Peronisten, L-Peronisten und M-Peronisten- Bei den Radikalen wiederholt sich das Schema: K-Radikalen, L-Radikalen, M-Radikalen und S-Radikalen.
K: Anhänger beider Volksparteien, die den amtierenden Präsident Kirchner und seine Nachfolgerin Cristina Fernandez de Kirchner unterstützen.
L: Anhänger beider Volksparteien, die den ehemaligen Wirtschaftsminister der Regierung Kirchner und Präsidentschaftskandidat Roberto Lavagna unterstützen.
M: Anhänger beider Volksparteien, die den gewählten konservativen Bürgermeister der Stadt Buenos Aires, Mauricio Macri, unterstützen.
Anti-K: Heterogene Koalition ehemaliger peronistischer Präsidenten (Menem, Rodriguez Saa, Puerta) die gegen Kirchner sind. Diese Gruppierung hat zum Abgabetermin dieses Artikels(15.8.07) noch kein Präsidentschaftskandidat und ihr Zusammenschluß wurde treffend von der argentinischen Presse als „die Rückkehr der lebenden Toten“ bezeichnet.
S: Anhänger der UCR aus der Provinz Buenos Aires, die weder Frau Kirchner noch Herrn Lavagna bei den Nationalwahlen unterstützen wollen.

Mögliche Oppositionskandidaten.

Roberto Lavagna.

Lavagna ist ein Peronist der sowohl für Regierungen seiner Partei wie auch für UCR- Regierungen bereits tätig war. Nach seiner Ernennung durch Präsident Duhalde 2002 zum Wirtschaftsminister bewies er seine Qualitäten als Sturmpilot und führte das Land aus der wirtschaftlichen Krise. Seine Meinungsverschiedenheiten mit Nestor Kirchner führten im November 2005 zu seinem Rücktritt. Er kritisiert heute die Politik die er unter Kirchner bis November 2005 mit gestaltet hat. Aus seiner Feder stammen bewußt knapp berechnete Staatsbudgets, die der Nationalregierung ermöglichten über größere Geldmengen zu verfügen als im vom Parlament verabschiedeten Budget. Er schlägt heute eine Senkung der Mehrwertsteuer für Lebensmittel vor, eine Maßnahme die er sich 2005 geweigert hat zu einsetzen. Ein besonderes Dorn im Auge sind ihm die Beziehungen zum Chavez – Regime in Venezuela, der von ihm als Käufer von argentinischen Schuldscheinen ab 2003 willkommen geheißen wurde.
Lavagna ist ein zurückhaltender Wirtschaftswissenschaftler, der in diesem Wahlkampf zum ersten Mal die Elendsviertel des Großraumes Buenos Aires besucht hat. Seine Kandidatur wurde vor allem vom Alfonsin –treuen Apparat der UCR in der Provinz Buenos Aires vorangetrieben. Laut Umfragen wird er ca. 15 bis 20% der Wählerstimmen auf sich ziehen.

Elisa Carrio

Die wortgewaltige ehemalige Abgeordnete für die Stadt Buenos Aires trat vor Monaten schon von ihrem Parlamentssitz zurück, um sich in den Präsidentschaftswahlkampf zu stürzen. Während der Amtszeit von Fernando de la Rua (1999-2001)hat die ehemalige UCR- Abgeordnete die Partei ARI gegründet, ein Sammelbecken enttäuschter Anhänger der damaligen regierenden „Allianz“ zwischen UCR – und FREPASO.
Nach Kirchners Amtsübernahme 2003 wurde sie zu einer der schärfsten Kritikerin des neuen Präsidenten. Mehrere Würdenträger ihrer Partei wechselten zur Regierungsmannschaft von Kirchner, weil sie davon überzeugt waren, daß Kirchner einen guten Teil des Regierungsprogramms von ARI in die Tat umsetzen wollte.
Vielleicht aus dieser Tatsache heraus oder getrieben durch ihre persönliche Abneigung gegen die Präsidentengattin Cristina Fernandez, verglich sie das regierende Ehepaar mit Nicolae und Elena Ceausescu aus Rumänien. Sie steigerte sich sogar dazu, den amtierenden Präsident wegen seiner (zweifellos vorhandenen) autoritären Tendenzen in die Nähe eines Adolf Hitlers zu stellen.
Zum Beginn des jetzigen Wahlkampfes trat sie auch aus dem Vorsitz ihrer Partei zurück und gründete eine „Coalicion Civica“ (Bürgerkoalition) zusammen mit konservativen Politikern aus der UCR und den Peronisten.
Sie hat angekündigt, daß diese ihre letzte Bewerbung um einen öffentlichen Amt sei. Enttäuschte Weggefährten des Kirchnerismus und liberal – konservative Intellektuelle unterstützen sie in ihrem Wahlkampf. Sie wird ca. 10% der Stimmen erhalten..

Ricardo Lopez Murphy

Bei den letzten Präsidentschaftswahlen 2003 erreichte der ehemalige UCR –Verteidigungs- und Wirtschaftsminister einen ehrenvollen dritten Platz. 2005 scheiterte er kläglich als er sich für das Amt des Senator für die Provinz Buenos Aires bewarb.
Zusammen mit dem konservativen Politiker Mauricio Macri bildete er die konservative Koalition PRO, dessen wichtigster Erfolg bis jetzt die Wahl von Macri zum Oberbürgermeister der Stadt Buenos Aires war (Juni 2007).
Nun weigert sich aber der gewählte Macri seinen Koalitionspartner Lopez Murphy beim Präsidentschaftswahlkampf zu unterstützten. Lopez Murphy hat den Oppositionskandidaten Lavagna und Carrio einen Abkommen vorgeschlagen, um sich nicht gegenseitig beim Wahlkampf zu angreifen und bessere Chancen bei einen zweiten Wahlgang zu haben (siehe unten). Der Vorschlag wurde abgelehnt. Der von der FDP .- nahen „Friedrich –Naumann- Stiftung“ eifrig unterstütze Politiker wird ca. 5% der Wahlstimmen erhalten.

Wahlsystem

Nach den Bestimmung des argentinischen Wahlgesetz wird der Präsident direkt von Volk gewählt. Er oder sie gelten als gewählt, wenn beim ersten Wahlgang der erfolgreichste Bewerber mehr als 45 % der Stimmen oder mindestens 40% und einen Vorsprung von 10% zum zweiten Kandidaten erhält. Bei den letzten Wahlen erhielt Menem im ersten Wahlgang ca. 25% der Stimmen und Nestor Kirchner nur 22%. Menem aber verzichtete auf eine Teilnahme beim zweiten Wahlgang.
Laut den neuesten Umfragen wird die Kandidatin Cristina Fernandez de Kirchner ihren Ziel im ersten Wahlgang erreichen. Falls ein zweiter Wahlgang erforderlich wäre, hat sie auch die größten Chancen die Wahl zu gewinnen.
Ihr wahrscheinlicher Wahlerfolg beruht auf zwei Tatsachen.
a) Obwohl es noch erhebliche Einkommensunterschiede innerhalb der argentinischen Bevölkerung gibt, hat sich die Lage der Mehrheit der Bevölkerung seit 2003 verbessert. Mehrere Lohn- und Rentenerhöhungen haben die Kaufkraft der Bevölkerung gestärkt. Die Arbeitslosigkeit wurde praktisch halbiert und sowohl die Landwirtschaft wie die Industrie boomen: In diesem Jahr sollen ca. 95 Millionen Tonnen Getreide geerntet und mehr als 500.000 Pkws und LKWs hergestellt werden, Produktionskennziffern die noch nie in der argentinischen Geschichte erreicht wurden. Die Kehrseite dieses Aufschwungs ist, daß für ca. 40% der ArbeitnehmerInnen keine Renten- und Krankenversicherung bezahlt wird und die zunehmende Inflation schwächt die erreichte Kaufkraft.
b) Neben der Unterstützung breiter Kreise des Peronismus hat das Ehepaar Kirchner es fertig gebracht eine Wahlallianz mit anderen Kräften zu schließen. Bis auf einen haben alle amtierende Provinzgouverneure der UCR (Catamarca, Corrientes, Santiago del Estero, Rio Negro, Mendoza) ihre Unterstützung der Kandidatin gesichert. Als Beweis dieser Allianz bewirbt sich der amtierende Gouverneur von Mendoza, Julio Cobos, für das Amt des Vizepräsidenten. Verschiedene soziale Bewegung im Großraum Buenos Aires und die PS (sozialdemokratische Partei) der Provinz Buenos Aires werden die Wahlformel Kirchner - Cobos unterstützen.
Neben diesen Tatsachen gilt die Wahl von Cristina Fernandez de Kirchner als fest gesichert, weil die Opposition es nicht fertig gebracht hat, einen gemeinsamen Kandidaten mit einem attraktiven Programm zu präsentieren.
Der in den Umfragen führende Oppositionspolitiker Lavagna gilt als „korrektere“ Version des Kirchnerismus, schlägt aber keine große Veränderungen vor. Hätte es keine persönliche Auseinandersetzung mit dem Präsidenten Kirchner gegeben und gäbe es keine politisch aktive Präsidentengattin, dann wäre Lavagna ein möglicher Kandidat für die Kräfte in Argentinien, die seit 2003 von der wirtschaftlichen Entwicklung profitieren.
Der neoliberale Lopez Murphy und die Kandidatin Carrio hatten ihre wirkliche Chance bereits 2003.
Die aktuelle wirtschaftspolitische Diskussion im Land wird zum Teil noch vom neoliberalen Gedankengut geprägt, aber ein neoliberaler Kandidat hat im heutigen Argentinien keine Chance. Frau Carrio hat auch einen guten Teil ihrer Wähler durch einen extremen Diskurs verloren, der noch dazu durch ihre Taten unglaubwürdig geworden ist. Beim letzten Wahlkampf um den Bürgermeisteramt der Stadt Buenos Aires hat sie erst selber für das Amt kandidieren wollen. Da sie aber laut eigenen Äußerungen „den Rest der ArgentinierInnen im Oktober nicht im Stich lassen wolle“, verzichtete sie auf die Kandidatur und versprach sich nicht in dem Wahlkampf einzumischen. Wenige Wochen danach entschied sie den Kandidat Telerman zu unterstützen, der aber ein enttäuschenden dritten Platz erreichte.
Die große weiße Hoffnung des argentinischen Konservatismus, Mauricio Macri, kokettierte auch mit einer Präsidentschaftskandidatur, entschied sich aber für das Amt des Oberbürgermeister der argentinischen Bundeshauptstadt. Nach einem sehr professionell geführten Wahlkampf, muß er dort ab 10.12.07 beweisen, ob er einen Anspruch auf das höchste Amt im Staate erheben kann.
Alle erwähnten Kandidaten sind nicht durch internen Wahlen zu ihrer Kandidatur gekommen, sondern sind das Ergebnis von Verhandlungen diverser Machtinhaber bzgw. Machtgruppen. Die nominell existierende repräsentative Demokratie in ihrer argentinischen Version ist ein Viertel Jahrhundert nach dem Ende der letzten Militärdiktatur nicht sehr weit gekommen.
Sicherlich ist die zukünftige argentinische Präsidentin eine Kandidatin die noch viele Fragen offen letzt. Nicht zu letzt, welche politische Rolle der Mann an ihrer Seite ab dem 10.12.07 spielen wird. Aber im Reich der Blinden ist der Einäugige König.
Nestor Kirchner pflegt zu äußern, daß am Ende seines Mandats Argentinien sich bereits auf dem Weg zwischen der Hölle und dem Fegefeuer befinden sollte. Dies ist im durchaus gelungen, wenn man die aktuelle Lage mit der Jahreswende 2001/2002 verglichen wird. Seine Präsidentschaft bedeutete die Abkehr des neoliberalen Fundamentalismus eines Carlos Menem, der in den 90er Jahren des 20. Jahrhunderts, die Zerstörung der wirtschaftlichen, sozialen und politischen Strukturen des Landes als Ziel hatte. Ein guter Teil der heutigen Probleme und Unzulänglichkeiten des Landes hatten dort ihren Ursprung.
Die Frage ist, ob die argentinische Bevölkerung, unter der Leitung einer Präsidentin durch das Fegefeuer gehen will, um das versprochene Paradies zu erreichen.

domingo, 19 de agosto de 2007

Im nächsten Jahr in.....Argentinien

Im nächsten Jahr in.....Argentinien
Juden in Argentinien, zwischen Integration und Antisemitismus

Viele jüdische Gemeinde überall auf der Welt beenden ihre Feiern zum Neujahrstag (Rosh Hashana) mit dem Spruch: „Im nächsten Jahr in Jerusalem“. Nichts anderes geschieht in den jüdischen Gemeinden in Argentinien, aber die große Mehrheit der argentinischen Juden denkt nicht an die Alia (Auswanderung nach Israel).

Geschichte der Einwanderung

Im Jahr 1492 wurde nicht nur Amerika von den Spaniern „entdeckt“, sondern im selben Jahr haben die katholischen Könige von Spanien alle Moslems und Juden aus Spanien vertrieben. Diejenigen Juden die in Spanien bleiben wollten, haben ihren Glauben verheimlicht und in der Öffentlichkeit als Christen weitergelebt. Man nannte sie "marranos“. Nach Meinung mancher Historiker wurden die Reisen des Admirals Colon und anderer „Conquistadores“ (Eroberer) durch „marranos“ organisiert, um ihr Überleben zu sichern. Durchaus möglich, daß bei der Eroberung und Gründung des Vizekönigreichs des Rio de la Plata, das heutige Argentinien, auch mehrere „marranos“ beteiligt waren.
Während der Kolonialzeit und bis in die 70er Jahre des 19.Jahhunderts siedelten ansonsten nur einzelne jüdische Familien im heutigen Argentinien. Die spanische Inquisition beobachtete mißtrauisch diese einzelne Ausländer, die sich dort als Händler oder Vertreter ausländischer Gesellschaften niederließen.
Mit der Masseneinwanderung der letzten zwanzig Jahren des 19.- und der ersten zwei Dekaden des 20.Jahrhunderts begann auch die Einwanderung der Juden nach Argentinien. Getrieben wurden sie meistens durch den in Osteuropa herrschenden Antisemitismus. Jeder Pogrom im zaristischen Rußland löste eine neue Einwanderungswelle aus.
Diese Einwanderer ließen sich nicht nur in Buenos Aires nieder, sondern leisteten ihren Beitrag zur Erschließung des Landesinneren. Sie gründeten Siedlungen, die zum Teil noch heute bestehen und zu Städte gewachsen sind (z.B. Moisesville in der Provinz Santa Fe). Diese Siedlungen hatten einen landwirtschaftlichen Charakter und gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben westeuropäische Juden (Familien Hirsch/ Rothschild) erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die Existenz der Siedlungen zu sichern. Das Leben dieser Juden im Landesinnere ist in die argentinische Literatur bereits eingegangen durch das Werk des Schriftstellers Alberto Gerchunoff, „Los gauchos judios“.
Der Erfolg dieser Einwanderungswelle sprach sich in der jüdischen Welt um. Während der ersten Jahre der zionistischen Bewegung, gab es Überlegung den neuen jüdischen Staat auf argentinischen Boden aufleben zu lassen (*1), aber diese Idee wurde durch die Entscheidung zu Gunsten Palästinas verworfen.
Diese Einwanderer gründeten zahlreiche Institutionen die das gesamte Leben der Juden in Argentinien begleiteten. Synagogen, Sportvereine, Kulturvereine, Presse und eigene politische Parteien wurden gegründet. Jiddisch, die Umgangssprache der osteuropäischen Juden, wurde zur meist gesprochene Fremdsprache in manchen Viertel von Buenos Aires, wie z.B. Once oder Villa Crespo. Zwischen 1906 und 1912 wanderten ca. 13.000 Juden pro Jahr nach Argentinien, 1920 zählte die Gemeinde ca. 150.000 Mitglieder.
In den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts gab es eine andere Einwanderungswelle. Aus dem zusammenbrechenden otomanischen Imperium (hauptsächlich aus Syrien und Libanon) wanderte eine größere Anzahl von sephardischen Juden nach Argentinien. Innerhalb der jüdischen Gemeinde in Argentinien blieben sie aber eine Minderheit (ca. 15%).
So wie andere Einwanderer traten die Juden in die damals neu gegründeten gewerkschaftlichen Organisation ein und wurden sehr rasch vom argentinischen Establishment als Gefahr zum „Status Quo“ angesehen.
In Zusammenhang mit der Niederschlagung eines Streiks in Buenos Aires, kam es 1919 zu einem Pogrom im Viertel Once. Der Vorsitzende des jüdisch - sozialistischen Vereins „Avantgard“, Pedro Wald, wurde festgenommen und unter Anklage gestellt wegen den Versuch „einen argentinischen Sowjet(*2) gründen zu wollen“.
Die Ausbreitung des Antisemitismus im Europa der 30er Jahre löste eine weitere Auswanderungswelle aus. Zwischen 1933 und 1941 wanderten ca. 30.000 deutsch sprechende Juden nach Argentinien. Ab 1938 wurde diese Einwanderung erschwert durch eine Mitteilung des argentinischen Außenministeriums („Circular Nr. 11“) , der die Erteilung von Einwanderungsvisa an Menschen die in anderen Ländern als „unerwünschte Bürger“ galten, verbat. In einigen Fällen ignorierten die argentinische Diplomaten aus ethischen Gründen diesen Erlaß, die meisten ließen sich ihre Vollmacht Visa zu erteilen, fürstlich belohnen.
Obwohl Argentinien im II. Weltkrieg neutral blieb, sympathisierten breite Teile der Streitkräfte, die damals die Politik des Landes bestimmten, mit Nazi – Deutschland.
Am 4.6.1943 gab es einen Militärputsch der eine pro – Alliierte Regierung stürzte. Diese Militärdiktatur berief den argentinischen Schriftsteller Gustavo Martinez Zuviria ins Erziehungsministerium. Martinez Zuviria hatte unter den Pseudonym Hugo Wast antisemitische Hetzschriften veröffentlicht.
Mitglied in dieser Regierung war auch der damalige Coronel Juan Peron, der das Amt des Staatssekretärs für Arbeit übernahm.
Peron wurde nach und nach der starke Mann dieser Regierung und im Februar 1946 demokratisch zum Präsidenten gewählt. Perons Sympathie für den Faschimus ist kein Geheimnis und diese Einstellung wird von folgenden Fakten unterstrichen:
a) Der Chef der Leibwächter - Gruppe die Peron beschützte war Rodolfo Freude. Rodolfo Freude war der Sohn Ludwig Freude, der wichtigste Strohmann der Nazis in Argentinien
b) Chef der argentinischen Einwanderungsbehörde wurde Santiago Peralta, dessen anti –jüdische Schriften mit Goebbels – Schriften zu vergleichen sind.
c) Unter Perons Anweisung wurden in verschiedenen europäischen Städten Büros aufgemacht, die die Schleusung von Nazis, Faschisten und Kollaborateure aus ganz Europa nach Argentinien organisieren sollte.

Andererseits hat Peron als erster Präsident einen Juden in seinem Kabinett geholt. 1947 stimmte Argentinien, unter Peron, für die Teilung Palästinas und damit für die Errichtung eines jüdischen Staates und zwei Jahre später wurden die diplomatischen Beziehungen zum jungen Staat aufgenommen.
Trotz der Verbreitung des Antisemitismus in der argentinischen Elite, beteiligten sich die argentinischen Juden sehr stark an der Politik des Landes. Moises Lebensohn innerhalb der UCR und Enrique Dickmann in der Sozialistischen Partei haben diese Gruppierungen gegen Ende der 50er Jahre erneuert.

Juden im heutigen Argentinien

Die letzte Militärdiktatur (1976-83) setze zum ersten Mal die Kontinuität der jüdischen Gemeinde in Frage. Der bis dahin gedachte Antisemitismus des Establishments wurde in die alltägliche Praxis umgesetzt. Das Verschwinden lassen von andersdenkende Personen wurde auch verstärkt gegen argentinische Juden eingesetzt. Für die Militärs paßten die Juden, die allgemein unter dem Verdacht standen „links/kosmopolitisch/kapitalistisch“ zu sein, nicht in eine „christliche – westlich orientierte“ Gesellschaft. Die argentinische Menschenrechtsorganisationen sprechen von 30.000 Opfer, davon waren ca. 2.000 jüdischer Abstammung. Die überproportionale Anzahl der jüdischen Opfer steht sicherlich im Zusammenhang mit ihrem sozialen und politischen Engagement. Nach Zeugenaussagen von Überlebenden der argentinischen Konzentrationslager, hatten festgenommene
Juden geringe Chancen dort lebend raus zukommen. Nach Angaben der spanischen NGO „Cosofam“ kann man von einem „Völkermord an den argentinischen Juden“ sprechen.(*3)
Mit der Wiederherstellung der Demokratie 1983 konnten sich die argentinische Juden wieder am politischen Leben beteiligen. In der ersten Regierungsmannschaft von Alfonsin waren der Wirtschaftsminister, die Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei im Senat und Abgeordnetenkammer und der Staatssekretär für Kultur jüdischer Abstammung.
Auch die nachfolgend demokratisch gewählte Präsidenten beriefen Juden in ihre Regierungsmannschaft. Trotzdem blieben bestimmte Stellen im Machtapparat des Staates für Juden verwehrt. Die Verfassungsreform von 1994 änderte die Bedingungen für die Ausübung des höchsten Amt im Staat (bis dahin mußte der Präsident römisch – katholisch getauft sein).
Ende der 90er Jahre beschloß das argentinische Parlament die Verabschiedung eines Anti-Diskriminierungsgesetz und die Errichtung einer staatlichen Antidiskriminierungsbehörde, um den Schutz der religiösen und ethnischen Minderheiten zu verbessern.
Diese Verbesserungen der rechtlichen Lage der jüdischen Minderheit in Argentinien standen unter dem Schatten von zwei Bombenattentate während der 90er Jahre. 1992 wurde das Gebäude der israelischen Botschaft in die Luft gesprengt. Im Juli 1994 ereignete sich das schlimmste Bombenattentat der argentinischen Geschichte gegen das Gebäude der AMIA, die leitende soziale Institution der jüdischen Gemeinde in Argentinien. 85 Tote, über 300 Verletzte und mittlerweile 13 Jahre ohne endgültige Aufklärung des Verbrechens(*4), brachten das Selbstverständniss der argentinischen Juden ins Wanken.
Die Zahlen der in Argentinien lebenden Juden schwanken zwischen 175.000 und 200.000 Personen. Trotz dieser ungenauen Zahlen ist die jüdische Gemeinde in Argentinien eindeutig die größte in Lateinamerika. Ca. drei Viertel der argentinischen Juden leben im Großraum Buenos Aires. Seit der Entstehung der Staates Israels und unter den Eindruck der Krisen und Diktaturen in Argentinien sind ca. 70.000 Juden nach Israel ausgewandert.
Neben der bereits erwähnten AMIA ist die wichtigste Institution der jüdischen Gemeinde, die DAIA , die politische Vertretung der jüdischen Organisationen im Land.
Alle religiöse Strömungen des Judentum sind in Argentinien vertreten. Im Großraum Buenos Aires findet man ca. 50 konservative, 5 orthodoxe und eine reformitsische Synagoge. In der argentinischen Hauptstadt befindet sich auch die Ausbildungsstätte der konservativen Rabbiner Lateinamerikas.
Eine weitere wichtige Säule des jüdischen Lebens in Argentinien bilden die jüdischen Schulen.
Ca. 25.000 Kinder und Jugendliche werden dort zur Zeit ausgebildet.
Ferner haben sich im Großraum Buenos Aires auch große jüdische Sportverbände etabliert, die mehrere tausend Mitglieder haben.
Die wirtschaftliche und politische Krise des Landes um die letzte Jahrtausendwende hatte auch heftige Auswirkungen auf die jüdische Gemeinde. Viele Institutionen gerieten in Zahlungsunfähigkeit, dort arbeitende Angestellte wurden arbeitslos. Die traditionelle Finanzierungsquelle dieser Institutionen waren zwei jüdische Banken (Patricios/Mayo), die den Zusammenbruch von 2001/2002 nicht überlebt haben.
Während dieser Krise mußten zeitweise ca. 20.000 JüdInnen durch AMIA und andere Wohlfahrtsverbände ernährt, gekleidet und mit Wohnungen versorgt werden. Die Arbeitsbörse der AMIA wurde zu einer wichtigen Anlaufstellen.
Mehrere jüdische Wochen- und Monatszeitschriften und Internetdienste bereichern die argentinische Presselandschaft. Die argentinische Presse berichtet auch sehr oft über das Leben der jüdischen Institutionen im Land. Die Direktwahl der AMIA – Vorstände und die indirekte Wahl der DAIA werden von allen Massenmedien dargestellt.
Innerhalb der Gemeinde organisieren sich die Juden politisch nach den Muster der israelischen Parteien (Orthodoxe, Arbeiterpartei, Likud, Linkssozialisten) . Darüber hinaus gibt es eine Reihe von jüdischen Organisationen die historisch der argentinischen KP nahe standen und ihren eigenen Dachverband haben.
Außerhalb der Gemeinde beteiligen sie sich in fast alle politische Parteien des Landes und bekleiden auch hohe politische Ämter (Gouverneur der Provinz Tucuman, Oberbürgermeister der Stadt Buenos Aires, Erziehungsminister).
Außerordentlich wichtig ist der jüdische Beitrag zur argentinischen Kunst und Kultur. Und manche dieser in Argentinien geborenen Juden haben sogar sich international behaupten können, wie z.B. die Musiker Giora Feidmann oder Daniel Barenboim.
Trotzdem gibt es Bereiche in denen es immer noch eine informelle aber unüberwindliche Hürden für Juden gibt. Trotz der überproportional hohen Anzahl an jüdische Juristen, wurde noch keiner zum Obersten Gericht des Staates berufen. Die Offizierslaufbahnen der Streit- und Sicherheitskräfte sind immer noch faktisch für jüdische AnwärterInnen gesperrt.
Die weitere Demokratisierung der argentinischen Gesellschaft und der dazugehörige Abbau der sichtbaren und unsichtbaren sozialen Hürden wird das Fortbestehen der jüdischen Gemeinde in Argentinien, trotz aller Widrigkeiten, sichern. Das nächste Neujahrsfest werden die meisten ..in Argentinien feiern

Roberto Frankenthal


(*1) Diese Überlegungen lieferten den Grundgedanken für eine in Argentinien sehr verbreitet Verschwörungstheorie, die vom antisemitischen Professor Walter Beveraggi Allende 1969 in die Welt gesetzt wurde. Der so genannte „Plan Andinia“ sieht die Errichtung eines zweiten jüdischen Staates im argentinischen Patagonien. Dieser „Plan“ wurde (oder wird?) sowohl den Streit- wie den Sicherheitskräften bei ihrer Ausbildung unterrichtet. Die Anwesenheit von israelischen Rucksacktouristen in Patagonien vor wenigen Jahren reichte aus, damit bestimmte Presseorgane dieses Machwerk wieder ans Tageslicht brachten.
(*2) Rat von Arbeiter und Soldaten
(*3) In ihrem Bericht zu dieser Frage erläutert COSOFAM die Vorsorge von verschiedenen jüdischen Organisationen aus den USA, die bereits Pläne in der Schublade hatten, um eine Massenauswanderung der argentinischen Juden nach Brasilien und den USA zu organisieren.
(*4) Sicher ist nur, daß beide Attentate in Argentinien durchgeführt werden konnten, weil die Täter sich sicher sein konnten, daß ein guter Teil des Staatsapparates und der Sicherheitskräfte, ihre antisemitischen Ziele teilten.

Die Kontinuität der Verfolgung

Die Kontinuität der Verfolgung
Antisemitismus in der argentinischen Politik 1976-2006

Der folgende Text ist eine gekürzte und aktualisierte Version des gleichnamigen Artikels, erschienen in den Lateinamerikanachrichten 252/253 Juni/Juli 1995

Nicht nur der Einfluss der in den späten 1940er-Jahren eingewanderten deutschen Nazis hat den argentinischen Antisemitismus geprägt. Dieser fand schon seinen frühen Ausdruck gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als eine Wirtschaftskrise die erste Entwicklungsphase des Landes stoppte. Laut dem argentinischen Journalisten Julian Martel sei die Gruppe "fremdartiger Einwanderer" schuld an dieser Entwicklung – also die Jüdinnen und Juden.[i]
Geistiger Träger dieses Antisemitismus ist seit der damaligen Zeit der rechtsextreme Flügel des argentinischen Nationalismus. Beflügelt von den Ideen von Maurras[ii] in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, denen der Nazis und Falangisten in den 40er- und 50er-Jahren oder vom katholischen Integratismus(#1) in den 60ern, belegten die örtlichen Antisemiten Führungspositionen innerhalb der argentinischen Gesellschaft. Etliche Generationen von Offiziersanwärtern der Streitkräfte wurden (oder werden?) in ihren Militärschulen in diesem Geiste indoktriniert. Unterstützt wurden diese Eliten von einer katholischen Kirche, die ihr Gedankengut teilt und bis heute die Beschlüsse des II.Vatikanischen Konzils mehrheitlich noch nicht umgesetzt hat.
Besonders während der Militärdiktaturen (zwischen 1930 und 1976 gab es sieben erfolgreiche Staatsstreiche der argentinischen Streitkräfte) wurde der Antisemitismus zur Staatsdoktrin.
Die letzte Militärdiktatur (1976-83) kann als die blutigste der argentinischen Geschichte bezeichnet werden und in dieser Zeit erreichte der Antisemitismus ungeahnte Ausmaße.


Die Jahre des Grauens

Schon die letzten Jahre der demokratischen Präsidentschaft von Juan und Isabel Perón waren durch antisemitische Attentate geprägt. Der Antisemitismus wurde zum Instrument in der Auseinandersetzung zwischen linken und rechten PeronistInnen. Die Publikationen letzterer, wie z.B. die Zeitschrift El Caudillo, waren voll rassistischer Hetze und antisemitischer Ressentiments. Die linksperonistischen Montoneros wurden als „Handlanger des Zionismus“ angegriffen und der Zionismus selbst in verschwörungstheoretischer Manier als Teil der „Internationalen Synarchie“[iii] gesehen. Während der darauf folgenden Diktatur sollten diese Vorstellungen zur Staatsideologie werden.

Dies bekamen jüdische BürgerInnen, die in den Jahren der Diktatur (1976 – 1983) in irgendeiner Form mit der Staatsmacht in Kontakt kamen, in mehrfacher Hinsicht zu spüren:
Die desaparecidos (Verschwundenen) jüdischer Herkunft wurden in den geheimen Folterlagern der Streitkräfte besonders brutal misshandelt. Die argentinischen KZs waren nicht Teil eines Systems des industriell betriebenen Massenmords wie die im Europa der Nazizeit, aber der Antisemitismus spielte im Feinbild der Militärs eine wichtige Rolle.[iv]
Durch die Tätigkeit des jüdischen Bankiers David Graiver als Finanzberater der linksradikalen Montoneros glaubten die Diktatoren ihre Wahnvorstellung einer "internationalen Verschwörung" gegen Argentinien bestätigt.[v]
In den Militärakademien wurde den zukünftigen Offizieren und Unteroffizieren beigebracht, dass die Juden die Errichtung eines "zweiten zionistischen Staates" in Patagonien planten (der so genannte Plan Andinia).
Juden und Jüdinnen, die in Israel gewesen waren, wurden nach ihrer "paramilitärischen Ausbildung" dort befragt. Jacobo Timmerman, Herausgeber der Tageszeitung La Opinión, musste während seiner illegalen Haft unter Folter mehr Fragen zu seiner Beziehung zum Zionismus beantworten als zu den "kritischen" Äußerungen seiner Zeitung.
Für jüdische SchülerInnen der Oberschule bedeutete die Diktatur, dass sie im Fach "Bürgerkunde" die Moralwerte und Sakramente der katholischen Kirche lernen mussten.
Für den jüdischen Wehrpflichtigen bedeutete die Diktatur die Konfrontation mit Offizieren, die in ihm einen "Feind des Vaterlandes" sahen und seine argentinische Staatsbürgerschaft in Frage stellten - nach dem Motto "ein Jude kann kein Argentinier sein".
Obwohl sofort nach dem Putsch im März 1976 fast alle politischen Zeitschriften verboten wurden, schaffte es eine Publikation, sich über dieses Verbot hinwegzusetzen: Die Zeitschrift Cabildo, Organ des rechtsextremistischen Movimiento Nacionalista de Restauracion, erschien weiterhin jede Woche und wurde an jeden Zeitungsstand verkauft. Cabildo kann als argentinische Version des Stürmers bezeichnet werden.
Der Besitz von linker Literatur war in den ersten Jahren der Diktatur Grund genug, um festgenommen und gefoltert zu werden. Das antisemitische Machwerk Die geheimen Protokolle der Weisen von Zion der zaristischen Geheimpolizei konnte dagegen in jedem Buchladen gekauft werden.
Im staatlichen Fernsehen gab es 1981 eine viel beachtete Talkshow, in der die Loyalität der jüdischen BürgerInnen gegenüber dem argentinischen Staat in Frage gestellt wurde.

Die Generäle Videla, Viola und Galtieri haben mehrmals versprochen, gegen den Antisemitismus vorzugehen. Besonders typisch war die Haltung des letzten Diktators Bignone: In einem Treffen mit VertreterInnen der jüdischen Gemeinde sprach er sich gegen Antisemitismus aus, weigerte sich aber, diese Erklärung öffentlich zu wiederholen.

Die argentinische Militärdiktatur hat die Vernichtung ganzer politischer Gruppen geplant und durchgeführt. Aus diesem Grund werden die begangenen Verbrechen jetzt von der argentinischen Justiz als Völkermord eingestuft.



Der COSOFAM-Bericht von 1999

Im Jahr 1999 hat die Menschenrechtsorganisation COSOFAM, mit Sitz in Barcelona, einen Bericht über die Verfolgung der Juden und Jüdinnen während der Militärdiktatur herausgegeben. Diese Organisation spricht von einem geplanten aber nicht vollendeten Völkermord an den argentinische Juden und Jüdinnen, was sie folgendermaßen begründet:

1) Der antisemitische und völkermörderische Charakter der Repression wurden nachhaltig durch die Bedeutung des Antisemitismus sowohl im öffentlichen Leben Argentiniens als auch traditionell innerhalb der Streitkräfte geprägt. Im Vergleich mit anderen gewalttätigen Regimes des Cono Sur – auch jenen mit etwa gleich hohem jüdischen Bevölkerungsanteil - wird eindeutig ersichtlich, dass die Anzahl und Qualität diskriminierender Taten wesentlich höher war.
2) Die antisemitischen Taten des Repressionsapparates sind die logische Weiterentwicklung des „ideologischen Antisemitismus“ früherer Jahre, mit einer aktiven Orientierung, was sie vom passiven Verhalten der Bevölkerungsmehrheit unterscheidet. Rechtsextremistische Katholiken, Nazis oder Ultranationalisten hatten in den unterschiedlichen Militärregierungen schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings wurden sie am Ende dieser Perioden immer aus dem politischen Leben entfernt. Während der Zeitspanne 1976-83 bekleideten sie erneut wichtige Ämter im Staat oder hatten andere Möglichkeiten, die Streitkräfte zu beeinflussen.
3) Die verschiedenen antisemitischen Muster, die wir vorgefunden haben, stammen aus den verschiedensten ideologischen Quellen: Der rechtsextremistische Katholizismus, der Ultranationalismus, der Faschismus, der Nazismus und der Antizionismus kamen in diesen Taten zum Ausdruck.
4) Die Langlebigkeit des Antisemitismus und ihre ideologische Belastung haben dazu geführt, dass Juden und Jüdinnen unter den Opfern der Repression überproportional vertreten sind. Dieser Bericht beweist, dass die These falsch ist, die Juden und Jüdinnen seien aufgrund ihres sozialen oder politischen Engagements verfolgt worden. Diese These erklärt nicht die Häufigkeit der antisemitischen Taten. Stattdessen gibt es Erkenntnisse, die den überproportionalen Anteil der Juden und Jüdinnen an den Repressionsopfern verstehen helfen:
a) Die Mitglieder der Streitkräfte glaubten, dass sich Juden und Jüdinnen sehr stark an oppositionellen Aktivitäten beteiligten. In ihrem antisemitischen Weltbild nahmen sie Juden und Jüdinnen sowohl als international agierende KapitalistInnen, gefährliche KommunistInnen als auch als ZionistInnenen mit zweifelhafter Loyalität zum argentinischen Heimatland wahr.
b) Juden und Jüdinnen wurden besonders oft für die Verlegung (eine Art „Endlösung“) ausgewählt, welche die systematische Beseitigung zum Ziel hatte.
c) Die jüdischen Organisationen waren für den Repressionsapparat wegen angeblicher subversiver oder „antiargentinischer“ Aktivitäten verdächtig.

5) Die Bedeutung des Antisemitismus im politischen Leben Argentiniens und seine starke Verbreitung innerhalb der Streit- und Sicherheitskräfte bestimmten die Auswahl, Folterung und Mord an ArgentinierInnen jüdischen Glaubens, auch über andere Aspekte hinweg, die zu diesen Maßnahmen führten.
6) Der fehlende Zugang zu den Archiven der Militärregierung macht es unmöglich zu beweisen, dass dieses Verhalten angeordnet worden ist oder dass es schriftliche Befehle für diese Taten gab. Allerdings reichen die Zeugenaussagen (z.B. aus dem CONADEP - Bericht) um zu beweisen, dass schriftliche Befehle in diesem Fall nicht nötig waren. Die ideologische Schulung der Mitglieder der Streit- und Sicherheitskräfte reichte, um sie zu diesen Taten zu bewegen. Aufgrund dieser antisemitischen Schulung wussten sie schon im Voraus wie man sich gegenüber Juden und Jüdinnen zu verhalten hat.
7) Der zwischen 1976 und 1983 in Argentinien begangene Völkermord an den Juden und Jüdinnen weist Parallelen zu den Pogromen des zaristischen oder stalinistischen Regimes in Russland oder zu Nazi – Deutschland auf. Auch im argentinischen Fall waren die Opfer absolut wehrlos und die Täter konnten alle ihnen zur Verfügung stehenden Methoden benutzen und sich Straflosigkeit sichern. Die Unterschiede zu den o.g. Ereignissen sind folgende:
a) Der Völkermord fand nicht in der Öffentlichkeit statt. Es gab keine „Kristallnacht“, keine öffentlichen Erschießungen oder verfälschten Gerichtsprozesse. Er fand in den Kasernen der Streitkräfte, in Polizeistützpunkten und geheimen Haftzentren statt. Dort konnte der Völkermörder ohne Rücksichtnahme erniedrigen, foltern und töten.
b) Diese Taten fanden zeitgleich mit dem Versuch der Militärdiktatur statt, ein Bild der Normalität des jüdischen Lebens in Argentinien zu vermitteln. Dieser Versuch wurde von den Verantwortlichen im Staat durchgeführt, mit deren Kenntnis die o.g. Taten begangen worden sind, denn die gesamte Befehlsstruktur musste beteiligt sein, um dieser Ziele zu erreichen.

8) Das Ausmaß dieses Völkermords an den Juden und Jüdinnen hat dazu geführt, dass internationale jüdische Organisationen sich um die Zukunft der Juden und Jüdinnen in Argentinien Gedanken machten und Pläne in die Wege leiteten, um eine massive Auswanderung vorzubereiten. Die „Hebrew Inmigrant Aid Society“ (HIAS) hatte schon Pläne aufgelegt um die Juden und Jüdinnen aus Argentinien auszufliegen und eine Zusage des damaligen brasilianischen Präsident Figuieredo bekommen, kurzfristig 350.000 argentinische Juden und Jüdinnen in seinem Land aufzunehmen. Ende 1976 nahm Albert Schindler, amerikanischer Rabbi und Vizepräsident der „Union of American Hebrew Congregations“ Kontakt mit dem amerikanischen US - State Department auf. Dort erhielt er die Zusage, dass die USA 100.000 Visen für argentinische Juden und Jüdinnen zur Verfügung stellen würde.
9) Die historischen Tatsachen, die den argentinischen Antisemitismus einzigartig machen; die ideologische Bereitschaft; die Planung der Folterung und Beseitigung der Juden und Jüdinnen und die große Anzahl der Opfer (mehr als 12% der Fälle die bei der CONADEP angezeigt worden sind), bestärken uns in unserer Annahme, dass die argentinischen Streit- und Sicherheitskräfte einen Völkermord an den Juden und Jüdinnen durchgeführt haben.

Anhand der uns zur Verfügung stehenden Aussagen, der eingereichten Dokumente und Berichte ist bewiesen worden dass:

a) Es gab eine Sonderbehandlung der Entführten und Festgenommenen jüdischer Herkunft.
b) Mehrere Fälle sind bekannt worden, in denen die Repressoren ihren Willen geäußert haben den Entführten oder Festgenommen aufgrund seiner jüdischen Herkunft ausrotten zu wollen.
c) Der Anteil der Juden und Jüdinnen unter den Opfern ist wesentlich größer als der Anteil der Juden und Jüdinnen unter der Gesamtbevölkerung des Landes.
d) Mehrere Fälle sind bekannt geworden, in denen nur das Judentum oder der Zionismus als Grund für die Entführung, Festnahme und Folterung angegeben worden sind.
e) Die Benutzung nazistischer Symbole in den geheimen Haftzentren ist bewiesen worden. Die Repressoren haben offen ihre militant antisemitischen und nazistischen Ideologien zum Ausdruck gebracht.
f) Es gab eine Systematisierung der Verfolgung der Juden und Jüdinnen, die aufgrund einer antisemitischen Programmierung stattfand, die sich die Täter zu eigen machten.

Dieses Verhalten fällt unter die Bestimmung des Völkermords, denn es hatte die völlige oder partielle Vernichtung der „rassischen“ oder religiösen Gruppe der Juden und Jüdinnen zum Ziel.



Antisemitismus auf den Straßen

Der Wahlkampf 1983 hatte, wie viele andere Wahlkämpfe der argentinischen Geschichte, antisemitische Untertöne. Die Telefondrohungen gegen jüdische Institutionen wurden häufiger und im Zuge der "Liberalisierung" des politischen Lebens wagten sich auch bekennende Antisemiten an die Öffentlichkeit. Alberto Ottalagano, der während der Amtszeit Isabel Peróns Rektor der Universität in Buenos Aires war, erschien nun auf dem Titelbild der Wochenzeitschrift Siete Dias mit stolzem Nazigruß. "Die Juden sollen nicht glauben, dass sie jetzt mit der Demokratie wieder die Klappe groß aufmachen dürften" warnte Ottalagano in einem Interview.

Mit der Amtsübernahme von Raúl Alfonsín übernahmen auch viele jüdische BürgerInnen Verantwortung im Staatsapparat. Waren sie während der Diktatur praktisch von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen gewesen, erschien ihr Engagement nun umso größer. Die Fraktionsvorsitzenden der Regierungspartei im Senat und in der Abgeordnetenkammer, der Wirtschaftminister, der Präsident der Nationalen Entwicklungsbank und viele andere Funktionäre waren jüdischen Glaubens.[vi] Besonders empört waren die argentinischen AntisemitInnen über die Ernennung des jüdischen Schriftstellers Marcos Aguinis zum Staatssekretär für Kultur.
Ging man noch mit der Losung "Se va acabar la dictadura militar" („Die Diktatur wird zu Ende gehen“) gegen die Diktatur auf die Straße, so wurde 1984 für manche "Se va acabar la sinagoga radical" („Die radikale Synagoge wird zu Ende gehen“) daraus[vii]. Begleitet wurden diese Parolen von mehreren Attentaten gegen jüdische Einrichtungen:
1984 wurden Brandbomben gegen die sefardische Synagoge von Rosario, gegen den jüdischen Wohlfahrtsverband derselben Stadt und gegen die Hauptsynagoge von Buenos Aires geworfen.
1985 wurde eine Bombe im jüdischen Kindergarten Scholem Aleijem in Buenos Aires gelegt.
1987 gab es Angriffe auf die jüdische Gemeinde in Bahia Blanca und auf eine sefardische Synagoge in Buenos Aires, sowie Friedhofsschändungen der jüdischen Friedhöfe von Liniers und Cordoba.
Während einer der vielen Massenkundgebungen des Gewerkschaftsdachverbandes CGT wurde der UCR-Abgeordnete Jaroslavsky in Sprechchören als "jüdischer Hurensohn" bezeichnet. Die Führung der CGT distanzierte sich von diesen Äußerungen.

Carlos Menem und die Juden: Eine schwierige Beziehung

Als Carlos Saul Menem am 14. Mai 1989 die Präsidentschaftswahlen gewann, dachten viele jüdische BürgerInnen in Argentinien an eine eventuelle Auswanderung. Obwohl traditionell, und besonders im Landesinnern, die Beziehungen zwischen ArgentinierInnen jüdischer und arabischer Herkunft immer freundschaftlich waren, war der Caudillo aus La Rioja vielen Juden und Jüdinnen unheimlich. Seine Sympathie für die rechtsextreme Carapintada-Fraktion[viii] innerhalb der Streitkräfte, seine Beziehungen zu so zwielichtigen Persönlichkeiten wie dem syrischen Drogen-und Waffenhändler Monzer Al-Kassar und die finanzielle Wahlkampfunterstützung durch den lybischen Präsidenten Ghadafi machten viele misstrauisch.
Menem versuchte, dieses Misstrauen abzubauen, indem er als erster argentinischer Präsident Israel besuchte. Durch sein Angebot, im Konflikt zwischen Israel und Syrien vermitteln zu wollen, machte er sich jedoch lächerlich. Auch die nächste Geste des "guten Willens" endete in einer reinen PR-Veranstaltung: Die angebliche Öffnung der geheimen Archive der argentinischen Bundespolizei über im Land untergetauchte NS-Kriegsverbrecher erwies sich als Veröffentlichung einer Sammlung von Zeitungsausschnitten zum Thema.
Menem wagte es jedoch, als erster Peronist die offene Sympathie Peróns für Nazis und Faschisten und deren massive Unterstützung zu kritisieren. Immerhin wurde Anfang der 1990er-Jahre der NS-Verbrecher Josef Schwammberger festgenommen und an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Kurz vor den Wahlen vom 14. Mai 1995 beschloss der argentinische Bundesrichter Moldes, den ehemaligen SS-Hauptmann Erich Priebke an Italien auszuliefern. Besonders durch den Fall Priebke wurde deutlich, über welche Verbindungen die untergetauchten NS-Kriegsverbrecher in der argentinischen Gesellschaft verfügten.[ix] Eine danach ins Leben gerufene Kommission zur Untersuchung der nazistischen Aktivitäten in Argentinien erwies sich als wenig durchsetzungsfähig und der Regierung Menem als Auftraggeberin gegenüber extrem weisungsgebunden. Als die Wissenschaftlerin Beatriz Gurevich in den Archiven der argentinischen Botschaft in Schweden eine Kopie des Circular 11 (Rundbrief Nr. 11) aus dem Jahr 1938 fand, der eine Ausstellung von Einreisevisa an flüchtende Juden und Jüdinnen praktisch untersagte, wurde sie kurzerhand aus der Kommission ausgeschlossen und ihr Fund verschwiegen.

Auch während Menems Amtszeit kam es zu antisemitischen Gewaltakten: Eine Synagoge in Concordia (Entre Ríos) wurde zerstört und im April 1991 wurde der jüdische Friedhof von Berazategui geschändet.

Eine neue Dimension der Gewalt

Die Bombenattentate gegen die israelische Botschaft im März 1992 und gegen das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires im Juli 1994[x] eröffneten ein neues Kapitel des Antisemitismus in Argentinien. Obwohl die Hintergründe beider Anschläge noch nicht restlos aufgeklärt sind, kann man behaupten, dass sie in Argentinien stattfanden, weil dort die logistischen Voraussetzungen vorhanden sind, um antisemitische Gewalttaten solchen Ausmaßes durchzuführen.
Dachte die Mehrheit der ArgentinierInnen nach dem Attentat von 1992 noch, dass es hier um eine ferne (nahöstliche) Auseinandersetzung ging, so bekam das AMIA-Attentat 1994 eine andere Bedeutung. Die jüdische Bevölkerung in Argentinien wurde in ihrem Selbstverständnis getroffen.

Nach dem Ende der Militärdiktatur glaubte man, dass der Antisemitismus keinen Platz mehr in der argentinischen Gesellschaft haben könnte. Aber so wie der argentinische Autoritarismus nicht am 10. Dezember 1983 mit der Wiederherstellung der Demokratie verschwunden ist, so bleibt auch ein wahnhafter Antisemitismus weiterhin lebendig. Die Massendemonstrationen nach den beiden Attentaten gaben Anlass zur Hoffnung, aber "der Schoß aus dem er kroch, ist noch fruchtbar".


ROBERTO FRANKENTHAL



[i] La inmigracion en la literatura argentina. Gladys Onega. Ed.Galerna., Bs.As, 1969.
[ii] Charles Maurras war ein französischer politischer Publizist, der bis in die 1930er-Jahre hinein als einer der wichtigsten Vordenker des konservativen, nationalistischen Frankreichs fungierte. Er gründete 1908 die Action Française, eine monarchistisch-chauvinistische politische Bewegung, die über die sehr einflussreiche Zeitschrift L'Action française, aber auch über eigene Jugend- und Studentengruppen in die Gesellschaft hineinzuwirken versuchte. Der Antisemit Maurras propagierte die Wiedereinführung der Monarchie als Staatsform und die Reetablierung des Katholizismus als Staatsreligion.
[iii] Synarchie (vom griechischen συναρχία) ist eine Herrschaftsform, bei der viele Personen gemeinsam die Herrschaft ausüben. In einem verschwörungstheoretischen Geschichtsbild versteht man unter Synarchie eine geheime Weltregierung (Zentralsteuerungshypothese), die je nachdem mit der Freimaurerei, dem Illuminatenorden oder der „jüdischen Weltverschwörung“ usw. in Verbindung gesetzt wird.
[iv] siehe "NUNCA MAS" Bericht der CONADEP. Eudeba, Bs.As,1985
[v] siehe "El crimen de Graiver". Juan Gasparini Ediciones B, Bs.As., 1990.
[vi] Z.B. Adolfo Gass, Cesar Jaroslavsky, Bernardo Grinspun, Mario Brodersohn, u.A.
[vii] „La sinagoga radical” spielt auf Alfonsíns Partei an, die Unión Cívica Radical (UCR).
[viii] Während der Osterwoche 1987 versuchten die Carapintadas (bemalte Gesichter) unter der Führung von Aldo Rico und Mohamed Ali Seineldín die Regierung Alfonsín zu stürzen, was jedoch misslang. Die Carapintadas setzten sich hauptsächlich aus Offizieren zusammen und gehörten der nationalistischen, rechtsextremen Bewegung an, welche die Rückkehr der Demokratie nicht anerkennen wollte und mehrere Umsturzversuche unternahm.
[ix] siehe Argentinien Nachrichten Nr.21 /Okt.94 "Erich Priebke: Ein Mörder in Rom oder der gute Nachbar in Bariloche".
[x] siehe Argentinien Nachrichten Nr.21/Okt.94