viernes, 19 de octubre de 2007

Kirche auf der Anklagebank

Von Andrés Gaudin (Buenos Aires, 3. Oktober 2007, na-poonal).-
Der Prozess gegen den ehemaligen Militärkaplan Christian von Wernich, der verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit während der letzten argentinischen Diktatur (1976-83) für schuldig befunden und zu lebenslanger Haft verurteilt wurde, hat sich nun zu einem Untersuchungsverfahren gegen die gesamte katholische Kirche entwickelt: Die gesamte - damalige und heutige - oberste Führungsriege der Institution in Argentinien soll möglicherweise an Ermordungen, Folterungen, Kinderhandel und dem Verschwindenlassen von Menschen beteiligt gewesen sein. Die Verdachtsmomente reichen bis hin zum verstorbenen Papst Johannes Paul II. Zu den Zeugen der Anklage zählen die Bischöfe der Diözesen von Neuquén und Quilmes, zahlreiche Priester, der Theologe Rubén Dri sowie Adolfo Pérez Esquivel, Träger des Friedensnobelpreises von 1980. Angesichts der schweren Anschuldigungen hüllt sich die Spitze der katholischen Kirche Argentiniens in Schweigen, und die spärlichen Kommentare, die aus dem Umfeld der Kirchenführung zu hören waren, bekundeten diskret ihre Komplizenschaft mit dem Ex-Kaplan. Von Wernich wurde im Dezember 2005 vor Gericht gestellt, nachdem man ihn verschiedener Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt hatte. Die Hauptverhandlung, im Zuge derer mehr als 200 Zeugen gehört wurden, begann jedoch erst am 5. Juli 2007. Das Ergebnis: von Wernich konnte die unmittelbare Beteiligung an sieben Mordfällen, 42 Entführungen bzw. dem Verschwindenlassen von Menschen sowie Folterungen in 31 Fällen nachgewiesen werden. Als Polizeiinspektor der Provinz Buenos Aires fungierte von Wernich als offizieller Beichtvater der Polizei; wie Hunderte von Aussagen ehemaliger Gefangener und Ex-Polizisten belegen, nahm der Priester jedoch auch an Verhören und Folterungen von Entführten teil. Außerdem gehörte er laut Zeugenaussagen einem Erschießungskommando an, das die Ermordung von sieben Studenten der Universität vornahm. „Ich habe die Rolle der Kirche als Institution, insbesondere die Rolle, die die Führungsriege gespielt hat, immer in Frage gestellt und tue dies auch heute noch, denn sie hat sich angesichts der Ereignisse nicht auf die richtige Seite, das heißt, auf die Seite der Gepeinigten, gestellt“, erklärte vor Gericht der Salesianer Rubén Capitanio, einer der Priester, die gegen den Ex-Kaplan ausgesagt hatten. "Der Fall von Wernich ist mehr als symbolisch, denn er hat die Seite der Peiniger sogar noch unterstützt.” Am 5. September kam ein Dokument des Bistums Neuquén im Süden des Landes an die Öffentlichkeit, in dem die Haltung der Kirch angeprangert wird. „Schweigen, zuviel Schweigen, mangelnde öffentliche Unterstützung der Familien, die nach dem Verbleib ihrer Angehörigen fragten, sich taub stellen angesichts der Forderung nach Gerechtigkeit – all das hat dazu geführt, dass man uns als Komplizen der Diktatoren des Todes betrachtet hat, wo wir doch Apostel des Lebens sein sollten.“ Die Unterstützung, die von Wernich von der katholischen Kirche erhielt, reichte weit über die Diktatur hinaus und weit in die Demokratie hinein: Im Jahr 1996, als die Vorwürfe gegen den Ex-Kaplan lauter wurden, verschaffte die Kirche ihm eine neue Identität als Christian González und übertrug ihm die Obhut einer kleinen touristischen Gemeinde in Chile. Hier, im etwa 100 km südlich von Santiago gelegenen Quisco, lebte von Wernich unentdeckt, bis die argentinische Justiz einen internationalen Haftbefehl gegen ihn präsentierte. „Die Kirche ist das Opfer einer üblen Verfolgungsjagd“, wetterte Jorge Bergoglio, Kardinal von Buenos Aires, als im vergangenen Juni der Termin für den Prozessbeginn gegen Von Wernich bekannt wurde. Auch Bischof Andrés Stanovnik, von der im Norden gelegenen Diözese Chaco, unternahm einen schüchternen Anlauf zur Verteidigung Von Wernichs: „Ich gedenke nicht den Stab über einen meiner Brüder zu brechen“, erklärte er, „und ich warne vor einem vorschnellen Urteil. Von Wernich wurde lediglich angeklagt, nicht verurteilt.“ Aufgrund der Zeugenaussagen, die im Verfahren gegen von Wernich gesammelt wurden, sitzen nun neben anderen auch die Jesuiten Bergoglio und Stanovnik auf der Anklagebank. Mona Moncalvillo, Journalistin und Leiterin des staatlichen Senders Radio Nacional, ist die Schwester eines der sieben ermordeten Studenten. Wie sie dem Gericht erzählte, hatte von Wernich von ihrer Familie eine beträchtliche Summe Geld gefordert, angeblich, um den jungen Mann außer Landes zu bringen und so sein Leben zu retten. „Bergoglio wusste über alles Bescheid. Die Jesuiten waren bestens darüber unterrichtet, was in Argentinien vor sich ging.“ Estela de la Cuadra ist die Schwester einer der während der Diktatur Verschwundenen. Ihre Nichte wurde in Gefangenschaft geboren und in die Familie eines Polizisten gegeben. „Von Wernich war es, der das Baby meiner Schwester Elena an die Familie eines Militärs weitergab. Der heutige Kardinal Bergoglio wusste genau Bescheid, denn meine anderen Geschwister, die nach Europa ins Exil gegangen waren, hatten zu dem Generaloberen der Jesuiten Pedro Arrupe Kontakt aufgenommen, und dieser informierte Bergoglio darüber, wie sehr meine Familie unter dem Geschehenen litt.“ Im Zuge seiner gerichtlichen Aussage prangerte Pérez Esquivel, aktiver Katholik und Gründer der Menschenrechtsorganisation Servicio de Paz y Justicia (SERPAJ), vehement die „Komplizenschaft der Kirchenoberhäupter mit der Diktatur“ an. Wir haben die Führung der Kirche gebeten, uns bei der Suche nach den Verschwundenen zu helfen, doch wir bekamen nie eine Antwort. Auch auf die humanitäre Unterstützung von Papst Johannes Paul II. warteten wir vergeblich.“ Nicht nur der damalige Erzbischof, Monsignor Juan Carlos Aramburu, habe sich in Schweigen gehüllt; auch Pabst Johannes Paul II sei ein Komplize der Diktatur gewesen, so Pérez Esquivel. „Dreimal haben wir einen Bericht über 84 Fälle verschwundener Kinder erstellt und ihm persönlich in die Hand gedrückt, doch die einzige Antwort des Papstes lautete: "'Bevor Sie sich in dieser Angelegenheit an mich wenden, sollten Sie lieber an die Kinder in den kommunistischen Ländern denken.'“ Auf die Aussage des Friedensnobelpreisträgers folgte die Anhörung des ehemaligen Priesters und Theologen Rubén Dri, der erklärte: „Der Kardinal, die Bischöfe und der Nuntius wurden von den Militärs zu gemeinsamen Abendessen eingeladen, sie saßen mit den Mördern an einem Tisch und teilten das Brot mit ihnen, und nie klagten sie die schrecklichen Verbrechen an, über die wir alle Bescheid wussten.“ Am 10 September bezeugte Luis Stockler, Bischof der Diözese zu Quilmes, 20 km südlich von Buenos Aires, „Entrüstung und Ohnmacht angesichts der Person Christian Von Wernichs" und ermutigte die Zeugen, "dass sie von dem Horror berichten". Seine vernichtende Kritik an der Führungsspitze der katholischen Kirche gipfelte in den Worten: „Schluss mit Institutionen, die schweigen und sich zu Komplizen der Verbrechen und ihrer Akteure machen!“

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