domingo, 19 de agosto de 2007

Im nächsten Jahr in.....Argentinien

Im nächsten Jahr in.....Argentinien
Juden in Argentinien, zwischen Integration und Antisemitismus

Viele jüdische Gemeinde überall auf der Welt beenden ihre Feiern zum Neujahrstag (Rosh Hashana) mit dem Spruch: „Im nächsten Jahr in Jerusalem“. Nichts anderes geschieht in den jüdischen Gemeinden in Argentinien, aber die große Mehrheit der argentinischen Juden denkt nicht an die Alia (Auswanderung nach Israel).

Geschichte der Einwanderung

Im Jahr 1492 wurde nicht nur Amerika von den Spaniern „entdeckt“, sondern im selben Jahr haben die katholischen Könige von Spanien alle Moslems und Juden aus Spanien vertrieben. Diejenigen Juden die in Spanien bleiben wollten, haben ihren Glauben verheimlicht und in der Öffentlichkeit als Christen weitergelebt. Man nannte sie "marranos“. Nach Meinung mancher Historiker wurden die Reisen des Admirals Colon und anderer „Conquistadores“ (Eroberer) durch „marranos“ organisiert, um ihr Überleben zu sichern. Durchaus möglich, daß bei der Eroberung und Gründung des Vizekönigreichs des Rio de la Plata, das heutige Argentinien, auch mehrere „marranos“ beteiligt waren.
Während der Kolonialzeit und bis in die 70er Jahre des 19.Jahhunderts siedelten ansonsten nur einzelne jüdische Familien im heutigen Argentinien. Die spanische Inquisition beobachtete mißtrauisch diese einzelne Ausländer, die sich dort als Händler oder Vertreter ausländischer Gesellschaften niederließen.
Mit der Masseneinwanderung der letzten zwanzig Jahren des 19.- und der ersten zwei Dekaden des 20.Jahrhunderts begann auch die Einwanderung der Juden nach Argentinien. Getrieben wurden sie meistens durch den in Osteuropa herrschenden Antisemitismus. Jeder Pogrom im zaristischen Rußland löste eine neue Einwanderungswelle aus.
Diese Einwanderer ließen sich nicht nur in Buenos Aires nieder, sondern leisteten ihren Beitrag zur Erschließung des Landesinneren. Sie gründeten Siedlungen, die zum Teil noch heute bestehen und zu Städte gewachsen sind (z.B. Moisesville in der Provinz Santa Fe). Diese Siedlungen hatten einen landwirtschaftlichen Charakter und gegen Ende des 19. Jahrhunderts haben westeuropäische Juden (Familien Hirsch/ Rothschild) erhebliche Mittel zur Verfügung gestellt, um die Existenz der Siedlungen zu sichern. Das Leben dieser Juden im Landesinnere ist in die argentinische Literatur bereits eingegangen durch das Werk des Schriftstellers Alberto Gerchunoff, „Los gauchos judios“.
Der Erfolg dieser Einwanderungswelle sprach sich in der jüdischen Welt um. Während der ersten Jahre der zionistischen Bewegung, gab es Überlegung den neuen jüdischen Staat auf argentinischen Boden aufleben zu lassen (*1), aber diese Idee wurde durch die Entscheidung zu Gunsten Palästinas verworfen.
Diese Einwanderer gründeten zahlreiche Institutionen die das gesamte Leben der Juden in Argentinien begleiteten. Synagogen, Sportvereine, Kulturvereine, Presse und eigene politische Parteien wurden gegründet. Jiddisch, die Umgangssprache der osteuropäischen Juden, wurde zur meist gesprochene Fremdsprache in manchen Viertel von Buenos Aires, wie z.B. Once oder Villa Crespo. Zwischen 1906 und 1912 wanderten ca. 13.000 Juden pro Jahr nach Argentinien, 1920 zählte die Gemeinde ca. 150.000 Mitglieder.
In den ersten Jahrzehnten des 20.Jahrhunderts gab es eine andere Einwanderungswelle. Aus dem zusammenbrechenden otomanischen Imperium (hauptsächlich aus Syrien und Libanon) wanderte eine größere Anzahl von sephardischen Juden nach Argentinien. Innerhalb der jüdischen Gemeinde in Argentinien blieben sie aber eine Minderheit (ca. 15%).
So wie andere Einwanderer traten die Juden in die damals neu gegründeten gewerkschaftlichen Organisation ein und wurden sehr rasch vom argentinischen Establishment als Gefahr zum „Status Quo“ angesehen.
In Zusammenhang mit der Niederschlagung eines Streiks in Buenos Aires, kam es 1919 zu einem Pogrom im Viertel Once. Der Vorsitzende des jüdisch - sozialistischen Vereins „Avantgard“, Pedro Wald, wurde festgenommen und unter Anklage gestellt wegen den Versuch „einen argentinischen Sowjet(*2) gründen zu wollen“.
Die Ausbreitung des Antisemitismus im Europa der 30er Jahre löste eine weitere Auswanderungswelle aus. Zwischen 1933 und 1941 wanderten ca. 30.000 deutsch sprechende Juden nach Argentinien. Ab 1938 wurde diese Einwanderung erschwert durch eine Mitteilung des argentinischen Außenministeriums („Circular Nr. 11“) , der die Erteilung von Einwanderungsvisa an Menschen die in anderen Ländern als „unerwünschte Bürger“ galten, verbat. In einigen Fällen ignorierten die argentinische Diplomaten aus ethischen Gründen diesen Erlaß, die meisten ließen sich ihre Vollmacht Visa zu erteilen, fürstlich belohnen.
Obwohl Argentinien im II. Weltkrieg neutral blieb, sympathisierten breite Teile der Streitkräfte, die damals die Politik des Landes bestimmten, mit Nazi – Deutschland.
Am 4.6.1943 gab es einen Militärputsch der eine pro – Alliierte Regierung stürzte. Diese Militärdiktatur berief den argentinischen Schriftsteller Gustavo Martinez Zuviria ins Erziehungsministerium. Martinez Zuviria hatte unter den Pseudonym Hugo Wast antisemitische Hetzschriften veröffentlicht.
Mitglied in dieser Regierung war auch der damalige Coronel Juan Peron, der das Amt des Staatssekretärs für Arbeit übernahm.
Peron wurde nach und nach der starke Mann dieser Regierung und im Februar 1946 demokratisch zum Präsidenten gewählt. Perons Sympathie für den Faschimus ist kein Geheimnis und diese Einstellung wird von folgenden Fakten unterstrichen:
a) Der Chef der Leibwächter - Gruppe die Peron beschützte war Rodolfo Freude. Rodolfo Freude war der Sohn Ludwig Freude, der wichtigste Strohmann der Nazis in Argentinien
b) Chef der argentinischen Einwanderungsbehörde wurde Santiago Peralta, dessen anti –jüdische Schriften mit Goebbels – Schriften zu vergleichen sind.
c) Unter Perons Anweisung wurden in verschiedenen europäischen Städten Büros aufgemacht, die die Schleusung von Nazis, Faschisten und Kollaborateure aus ganz Europa nach Argentinien organisieren sollte.

Andererseits hat Peron als erster Präsident einen Juden in seinem Kabinett geholt. 1947 stimmte Argentinien, unter Peron, für die Teilung Palästinas und damit für die Errichtung eines jüdischen Staates und zwei Jahre später wurden die diplomatischen Beziehungen zum jungen Staat aufgenommen.
Trotz der Verbreitung des Antisemitismus in der argentinischen Elite, beteiligten sich die argentinischen Juden sehr stark an der Politik des Landes. Moises Lebensohn innerhalb der UCR und Enrique Dickmann in der Sozialistischen Partei haben diese Gruppierungen gegen Ende der 50er Jahre erneuert.

Juden im heutigen Argentinien

Die letzte Militärdiktatur (1976-83) setze zum ersten Mal die Kontinuität der jüdischen Gemeinde in Frage. Der bis dahin gedachte Antisemitismus des Establishments wurde in die alltägliche Praxis umgesetzt. Das Verschwinden lassen von andersdenkende Personen wurde auch verstärkt gegen argentinische Juden eingesetzt. Für die Militärs paßten die Juden, die allgemein unter dem Verdacht standen „links/kosmopolitisch/kapitalistisch“ zu sein, nicht in eine „christliche – westlich orientierte“ Gesellschaft. Die argentinische Menschenrechtsorganisationen sprechen von 30.000 Opfer, davon waren ca. 2.000 jüdischer Abstammung. Die überproportionale Anzahl der jüdischen Opfer steht sicherlich im Zusammenhang mit ihrem sozialen und politischen Engagement. Nach Zeugenaussagen von Überlebenden der argentinischen Konzentrationslager, hatten festgenommene
Juden geringe Chancen dort lebend raus zukommen. Nach Angaben der spanischen NGO „Cosofam“ kann man von einem „Völkermord an den argentinischen Juden“ sprechen.(*3)
Mit der Wiederherstellung der Demokratie 1983 konnten sich die argentinische Juden wieder am politischen Leben beteiligen. In der ersten Regierungsmannschaft von Alfonsin waren der Wirtschaftsminister, die Fraktionsvorsitzende der Regierungspartei im Senat und Abgeordnetenkammer und der Staatssekretär für Kultur jüdischer Abstammung.
Auch die nachfolgend demokratisch gewählte Präsidenten beriefen Juden in ihre Regierungsmannschaft. Trotzdem blieben bestimmte Stellen im Machtapparat des Staates für Juden verwehrt. Die Verfassungsreform von 1994 änderte die Bedingungen für die Ausübung des höchsten Amt im Staat (bis dahin mußte der Präsident römisch – katholisch getauft sein).
Ende der 90er Jahre beschloß das argentinische Parlament die Verabschiedung eines Anti-Diskriminierungsgesetz und die Errichtung einer staatlichen Antidiskriminierungsbehörde, um den Schutz der religiösen und ethnischen Minderheiten zu verbessern.
Diese Verbesserungen der rechtlichen Lage der jüdischen Minderheit in Argentinien standen unter dem Schatten von zwei Bombenattentate während der 90er Jahre. 1992 wurde das Gebäude der israelischen Botschaft in die Luft gesprengt. Im Juli 1994 ereignete sich das schlimmste Bombenattentat der argentinischen Geschichte gegen das Gebäude der AMIA, die leitende soziale Institution der jüdischen Gemeinde in Argentinien. 85 Tote, über 300 Verletzte und mittlerweile 13 Jahre ohne endgültige Aufklärung des Verbrechens(*4), brachten das Selbstverständniss der argentinischen Juden ins Wanken.
Die Zahlen der in Argentinien lebenden Juden schwanken zwischen 175.000 und 200.000 Personen. Trotz dieser ungenauen Zahlen ist die jüdische Gemeinde in Argentinien eindeutig die größte in Lateinamerika. Ca. drei Viertel der argentinischen Juden leben im Großraum Buenos Aires. Seit der Entstehung der Staates Israels und unter den Eindruck der Krisen und Diktaturen in Argentinien sind ca. 70.000 Juden nach Israel ausgewandert.
Neben der bereits erwähnten AMIA ist die wichtigste Institution der jüdischen Gemeinde, die DAIA , die politische Vertretung der jüdischen Organisationen im Land.
Alle religiöse Strömungen des Judentum sind in Argentinien vertreten. Im Großraum Buenos Aires findet man ca. 50 konservative, 5 orthodoxe und eine reformitsische Synagoge. In der argentinischen Hauptstadt befindet sich auch die Ausbildungsstätte der konservativen Rabbiner Lateinamerikas.
Eine weitere wichtige Säule des jüdischen Lebens in Argentinien bilden die jüdischen Schulen.
Ca. 25.000 Kinder und Jugendliche werden dort zur Zeit ausgebildet.
Ferner haben sich im Großraum Buenos Aires auch große jüdische Sportverbände etabliert, die mehrere tausend Mitglieder haben.
Die wirtschaftliche und politische Krise des Landes um die letzte Jahrtausendwende hatte auch heftige Auswirkungen auf die jüdische Gemeinde. Viele Institutionen gerieten in Zahlungsunfähigkeit, dort arbeitende Angestellte wurden arbeitslos. Die traditionelle Finanzierungsquelle dieser Institutionen waren zwei jüdische Banken (Patricios/Mayo), die den Zusammenbruch von 2001/2002 nicht überlebt haben.
Während dieser Krise mußten zeitweise ca. 20.000 JüdInnen durch AMIA und andere Wohlfahrtsverbände ernährt, gekleidet und mit Wohnungen versorgt werden. Die Arbeitsbörse der AMIA wurde zu einer wichtigen Anlaufstellen.
Mehrere jüdische Wochen- und Monatszeitschriften und Internetdienste bereichern die argentinische Presselandschaft. Die argentinische Presse berichtet auch sehr oft über das Leben der jüdischen Institutionen im Land. Die Direktwahl der AMIA – Vorstände und die indirekte Wahl der DAIA werden von allen Massenmedien dargestellt.
Innerhalb der Gemeinde organisieren sich die Juden politisch nach den Muster der israelischen Parteien (Orthodoxe, Arbeiterpartei, Likud, Linkssozialisten) . Darüber hinaus gibt es eine Reihe von jüdischen Organisationen die historisch der argentinischen KP nahe standen und ihren eigenen Dachverband haben.
Außerhalb der Gemeinde beteiligen sie sich in fast alle politische Parteien des Landes und bekleiden auch hohe politische Ämter (Gouverneur der Provinz Tucuman, Oberbürgermeister der Stadt Buenos Aires, Erziehungsminister).
Außerordentlich wichtig ist der jüdische Beitrag zur argentinischen Kunst und Kultur. Und manche dieser in Argentinien geborenen Juden haben sogar sich international behaupten können, wie z.B. die Musiker Giora Feidmann oder Daniel Barenboim.
Trotzdem gibt es Bereiche in denen es immer noch eine informelle aber unüberwindliche Hürden für Juden gibt. Trotz der überproportional hohen Anzahl an jüdische Juristen, wurde noch keiner zum Obersten Gericht des Staates berufen. Die Offizierslaufbahnen der Streit- und Sicherheitskräfte sind immer noch faktisch für jüdische AnwärterInnen gesperrt.
Die weitere Demokratisierung der argentinischen Gesellschaft und der dazugehörige Abbau der sichtbaren und unsichtbaren sozialen Hürden wird das Fortbestehen der jüdischen Gemeinde in Argentinien, trotz aller Widrigkeiten, sichern. Das nächste Neujahrsfest werden die meisten ..in Argentinien feiern

Roberto Frankenthal


(*1) Diese Überlegungen lieferten den Grundgedanken für eine in Argentinien sehr verbreitet Verschwörungstheorie, die vom antisemitischen Professor Walter Beveraggi Allende 1969 in die Welt gesetzt wurde. Der so genannte „Plan Andinia“ sieht die Errichtung eines zweiten jüdischen Staates im argentinischen Patagonien. Dieser „Plan“ wurde (oder wird?) sowohl den Streit- wie den Sicherheitskräften bei ihrer Ausbildung unterrichtet. Die Anwesenheit von israelischen Rucksacktouristen in Patagonien vor wenigen Jahren reichte aus, damit bestimmte Presseorgane dieses Machwerk wieder ans Tageslicht brachten.
(*2) Rat von Arbeiter und Soldaten
(*3) In ihrem Bericht zu dieser Frage erläutert COSOFAM die Vorsorge von verschiedenen jüdischen Organisationen aus den USA, die bereits Pläne in der Schublade hatten, um eine Massenauswanderung der argentinischen Juden nach Brasilien und den USA zu organisieren.
(*4) Sicher ist nur, daß beide Attentate in Argentinien durchgeführt werden konnten, weil die Täter sich sicher sein konnten, daß ein guter Teil des Staatsapparates und der Sicherheitskräfte, ihre antisemitischen Ziele teilten.

Die Kontinuität der Verfolgung

Die Kontinuität der Verfolgung
Antisemitismus in der argentinischen Politik 1976-2006

Der folgende Text ist eine gekürzte und aktualisierte Version des gleichnamigen Artikels, erschienen in den Lateinamerikanachrichten 252/253 Juni/Juli 1995

Nicht nur der Einfluss der in den späten 1940er-Jahren eingewanderten deutschen Nazis hat den argentinischen Antisemitismus geprägt. Dieser fand schon seinen frühen Ausdruck gegen Ende des 19. Jahrhunderts, als eine Wirtschaftskrise die erste Entwicklungsphase des Landes stoppte. Laut dem argentinischen Journalisten Julian Martel sei die Gruppe "fremdartiger Einwanderer" schuld an dieser Entwicklung – also die Jüdinnen und Juden.[i]
Geistiger Träger dieses Antisemitismus ist seit der damaligen Zeit der rechtsextreme Flügel des argentinischen Nationalismus. Beflügelt von den Ideen von Maurras[ii] in den ersten Jahrzehnten dieses Jahrhunderts, denen der Nazis und Falangisten in den 40er- und 50er-Jahren oder vom katholischen Integratismus(#1) in den 60ern, belegten die örtlichen Antisemiten Führungspositionen innerhalb der argentinischen Gesellschaft. Etliche Generationen von Offiziersanwärtern der Streitkräfte wurden (oder werden?) in ihren Militärschulen in diesem Geiste indoktriniert. Unterstützt wurden diese Eliten von einer katholischen Kirche, die ihr Gedankengut teilt und bis heute die Beschlüsse des II.Vatikanischen Konzils mehrheitlich noch nicht umgesetzt hat.
Besonders während der Militärdiktaturen (zwischen 1930 und 1976 gab es sieben erfolgreiche Staatsstreiche der argentinischen Streitkräfte) wurde der Antisemitismus zur Staatsdoktrin.
Die letzte Militärdiktatur (1976-83) kann als die blutigste der argentinischen Geschichte bezeichnet werden und in dieser Zeit erreichte der Antisemitismus ungeahnte Ausmaße.


Die Jahre des Grauens

Schon die letzten Jahre der demokratischen Präsidentschaft von Juan und Isabel Perón waren durch antisemitische Attentate geprägt. Der Antisemitismus wurde zum Instrument in der Auseinandersetzung zwischen linken und rechten PeronistInnen. Die Publikationen letzterer, wie z.B. die Zeitschrift El Caudillo, waren voll rassistischer Hetze und antisemitischer Ressentiments. Die linksperonistischen Montoneros wurden als „Handlanger des Zionismus“ angegriffen und der Zionismus selbst in verschwörungstheoretischer Manier als Teil der „Internationalen Synarchie“[iii] gesehen. Während der darauf folgenden Diktatur sollten diese Vorstellungen zur Staatsideologie werden.

Dies bekamen jüdische BürgerInnen, die in den Jahren der Diktatur (1976 – 1983) in irgendeiner Form mit der Staatsmacht in Kontakt kamen, in mehrfacher Hinsicht zu spüren:
Die desaparecidos (Verschwundenen) jüdischer Herkunft wurden in den geheimen Folterlagern der Streitkräfte besonders brutal misshandelt. Die argentinischen KZs waren nicht Teil eines Systems des industriell betriebenen Massenmords wie die im Europa der Nazizeit, aber der Antisemitismus spielte im Feinbild der Militärs eine wichtige Rolle.[iv]
Durch die Tätigkeit des jüdischen Bankiers David Graiver als Finanzberater der linksradikalen Montoneros glaubten die Diktatoren ihre Wahnvorstellung einer "internationalen Verschwörung" gegen Argentinien bestätigt.[v]
In den Militärakademien wurde den zukünftigen Offizieren und Unteroffizieren beigebracht, dass die Juden die Errichtung eines "zweiten zionistischen Staates" in Patagonien planten (der so genannte Plan Andinia).
Juden und Jüdinnen, die in Israel gewesen waren, wurden nach ihrer "paramilitärischen Ausbildung" dort befragt. Jacobo Timmerman, Herausgeber der Tageszeitung La Opinión, musste während seiner illegalen Haft unter Folter mehr Fragen zu seiner Beziehung zum Zionismus beantworten als zu den "kritischen" Äußerungen seiner Zeitung.
Für jüdische SchülerInnen der Oberschule bedeutete die Diktatur, dass sie im Fach "Bürgerkunde" die Moralwerte und Sakramente der katholischen Kirche lernen mussten.
Für den jüdischen Wehrpflichtigen bedeutete die Diktatur die Konfrontation mit Offizieren, die in ihm einen "Feind des Vaterlandes" sahen und seine argentinische Staatsbürgerschaft in Frage stellten - nach dem Motto "ein Jude kann kein Argentinier sein".
Obwohl sofort nach dem Putsch im März 1976 fast alle politischen Zeitschriften verboten wurden, schaffte es eine Publikation, sich über dieses Verbot hinwegzusetzen: Die Zeitschrift Cabildo, Organ des rechtsextremistischen Movimiento Nacionalista de Restauracion, erschien weiterhin jede Woche und wurde an jeden Zeitungsstand verkauft. Cabildo kann als argentinische Version des Stürmers bezeichnet werden.
Der Besitz von linker Literatur war in den ersten Jahren der Diktatur Grund genug, um festgenommen und gefoltert zu werden. Das antisemitische Machwerk Die geheimen Protokolle der Weisen von Zion der zaristischen Geheimpolizei konnte dagegen in jedem Buchladen gekauft werden.
Im staatlichen Fernsehen gab es 1981 eine viel beachtete Talkshow, in der die Loyalität der jüdischen BürgerInnen gegenüber dem argentinischen Staat in Frage gestellt wurde.

Die Generäle Videla, Viola und Galtieri haben mehrmals versprochen, gegen den Antisemitismus vorzugehen. Besonders typisch war die Haltung des letzten Diktators Bignone: In einem Treffen mit VertreterInnen der jüdischen Gemeinde sprach er sich gegen Antisemitismus aus, weigerte sich aber, diese Erklärung öffentlich zu wiederholen.

Die argentinische Militärdiktatur hat die Vernichtung ganzer politischer Gruppen geplant und durchgeführt. Aus diesem Grund werden die begangenen Verbrechen jetzt von der argentinischen Justiz als Völkermord eingestuft.



Der COSOFAM-Bericht von 1999

Im Jahr 1999 hat die Menschenrechtsorganisation COSOFAM, mit Sitz in Barcelona, einen Bericht über die Verfolgung der Juden und Jüdinnen während der Militärdiktatur herausgegeben. Diese Organisation spricht von einem geplanten aber nicht vollendeten Völkermord an den argentinische Juden und Jüdinnen, was sie folgendermaßen begründet:

1) Der antisemitische und völkermörderische Charakter der Repression wurden nachhaltig durch die Bedeutung des Antisemitismus sowohl im öffentlichen Leben Argentiniens als auch traditionell innerhalb der Streitkräfte geprägt. Im Vergleich mit anderen gewalttätigen Regimes des Cono Sur – auch jenen mit etwa gleich hohem jüdischen Bevölkerungsanteil - wird eindeutig ersichtlich, dass die Anzahl und Qualität diskriminierender Taten wesentlich höher war.
2) Die antisemitischen Taten des Repressionsapparates sind die logische Weiterentwicklung des „ideologischen Antisemitismus“ früherer Jahre, mit einer aktiven Orientierung, was sie vom passiven Verhalten der Bevölkerungsmehrheit unterscheidet. Rechtsextremistische Katholiken, Nazis oder Ultranationalisten hatten in den unterschiedlichen Militärregierungen schon immer eine wichtige Rolle gespielt. Allerdings wurden sie am Ende dieser Perioden immer aus dem politischen Leben entfernt. Während der Zeitspanne 1976-83 bekleideten sie erneut wichtige Ämter im Staat oder hatten andere Möglichkeiten, die Streitkräfte zu beeinflussen.
3) Die verschiedenen antisemitischen Muster, die wir vorgefunden haben, stammen aus den verschiedensten ideologischen Quellen: Der rechtsextremistische Katholizismus, der Ultranationalismus, der Faschismus, der Nazismus und der Antizionismus kamen in diesen Taten zum Ausdruck.
4) Die Langlebigkeit des Antisemitismus und ihre ideologische Belastung haben dazu geführt, dass Juden und Jüdinnen unter den Opfern der Repression überproportional vertreten sind. Dieser Bericht beweist, dass die These falsch ist, die Juden und Jüdinnen seien aufgrund ihres sozialen oder politischen Engagements verfolgt worden. Diese These erklärt nicht die Häufigkeit der antisemitischen Taten. Stattdessen gibt es Erkenntnisse, die den überproportionalen Anteil der Juden und Jüdinnen an den Repressionsopfern verstehen helfen:
a) Die Mitglieder der Streitkräfte glaubten, dass sich Juden und Jüdinnen sehr stark an oppositionellen Aktivitäten beteiligten. In ihrem antisemitischen Weltbild nahmen sie Juden und Jüdinnen sowohl als international agierende KapitalistInnen, gefährliche KommunistInnen als auch als ZionistInnenen mit zweifelhafter Loyalität zum argentinischen Heimatland wahr.
b) Juden und Jüdinnen wurden besonders oft für die Verlegung (eine Art „Endlösung“) ausgewählt, welche die systematische Beseitigung zum Ziel hatte.
c) Die jüdischen Organisationen waren für den Repressionsapparat wegen angeblicher subversiver oder „antiargentinischer“ Aktivitäten verdächtig.

5) Die Bedeutung des Antisemitismus im politischen Leben Argentiniens und seine starke Verbreitung innerhalb der Streit- und Sicherheitskräfte bestimmten die Auswahl, Folterung und Mord an ArgentinierInnen jüdischen Glaubens, auch über andere Aspekte hinweg, die zu diesen Maßnahmen führten.
6) Der fehlende Zugang zu den Archiven der Militärregierung macht es unmöglich zu beweisen, dass dieses Verhalten angeordnet worden ist oder dass es schriftliche Befehle für diese Taten gab. Allerdings reichen die Zeugenaussagen (z.B. aus dem CONADEP - Bericht) um zu beweisen, dass schriftliche Befehle in diesem Fall nicht nötig waren. Die ideologische Schulung der Mitglieder der Streit- und Sicherheitskräfte reichte, um sie zu diesen Taten zu bewegen. Aufgrund dieser antisemitischen Schulung wussten sie schon im Voraus wie man sich gegenüber Juden und Jüdinnen zu verhalten hat.
7) Der zwischen 1976 und 1983 in Argentinien begangene Völkermord an den Juden und Jüdinnen weist Parallelen zu den Pogromen des zaristischen oder stalinistischen Regimes in Russland oder zu Nazi – Deutschland auf. Auch im argentinischen Fall waren die Opfer absolut wehrlos und die Täter konnten alle ihnen zur Verfügung stehenden Methoden benutzen und sich Straflosigkeit sichern. Die Unterschiede zu den o.g. Ereignissen sind folgende:
a) Der Völkermord fand nicht in der Öffentlichkeit statt. Es gab keine „Kristallnacht“, keine öffentlichen Erschießungen oder verfälschten Gerichtsprozesse. Er fand in den Kasernen der Streitkräfte, in Polizeistützpunkten und geheimen Haftzentren statt. Dort konnte der Völkermörder ohne Rücksichtnahme erniedrigen, foltern und töten.
b) Diese Taten fanden zeitgleich mit dem Versuch der Militärdiktatur statt, ein Bild der Normalität des jüdischen Lebens in Argentinien zu vermitteln. Dieser Versuch wurde von den Verantwortlichen im Staat durchgeführt, mit deren Kenntnis die o.g. Taten begangen worden sind, denn die gesamte Befehlsstruktur musste beteiligt sein, um dieser Ziele zu erreichen.

8) Das Ausmaß dieses Völkermords an den Juden und Jüdinnen hat dazu geführt, dass internationale jüdische Organisationen sich um die Zukunft der Juden und Jüdinnen in Argentinien Gedanken machten und Pläne in die Wege leiteten, um eine massive Auswanderung vorzubereiten. Die „Hebrew Inmigrant Aid Society“ (HIAS) hatte schon Pläne aufgelegt um die Juden und Jüdinnen aus Argentinien auszufliegen und eine Zusage des damaligen brasilianischen Präsident Figuieredo bekommen, kurzfristig 350.000 argentinische Juden und Jüdinnen in seinem Land aufzunehmen. Ende 1976 nahm Albert Schindler, amerikanischer Rabbi und Vizepräsident der „Union of American Hebrew Congregations“ Kontakt mit dem amerikanischen US - State Department auf. Dort erhielt er die Zusage, dass die USA 100.000 Visen für argentinische Juden und Jüdinnen zur Verfügung stellen würde.
9) Die historischen Tatsachen, die den argentinischen Antisemitismus einzigartig machen; die ideologische Bereitschaft; die Planung der Folterung und Beseitigung der Juden und Jüdinnen und die große Anzahl der Opfer (mehr als 12% der Fälle die bei der CONADEP angezeigt worden sind), bestärken uns in unserer Annahme, dass die argentinischen Streit- und Sicherheitskräfte einen Völkermord an den Juden und Jüdinnen durchgeführt haben.

Anhand der uns zur Verfügung stehenden Aussagen, der eingereichten Dokumente und Berichte ist bewiesen worden dass:

a) Es gab eine Sonderbehandlung der Entführten und Festgenommenen jüdischer Herkunft.
b) Mehrere Fälle sind bekannt worden, in denen die Repressoren ihren Willen geäußert haben den Entführten oder Festgenommen aufgrund seiner jüdischen Herkunft ausrotten zu wollen.
c) Der Anteil der Juden und Jüdinnen unter den Opfern ist wesentlich größer als der Anteil der Juden und Jüdinnen unter der Gesamtbevölkerung des Landes.
d) Mehrere Fälle sind bekannt geworden, in denen nur das Judentum oder der Zionismus als Grund für die Entführung, Festnahme und Folterung angegeben worden sind.
e) Die Benutzung nazistischer Symbole in den geheimen Haftzentren ist bewiesen worden. Die Repressoren haben offen ihre militant antisemitischen und nazistischen Ideologien zum Ausdruck gebracht.
f) Es gab eine Systematisierung der Verfolgung der Juden und Jüdinnen, die aufgrund einer antisemitischen Programmierung stattfand, die sich die Täter zu eigen machten.

Dieses Verhalten fällt unter die Bestimmung des Völkermords, denn es hatte die völlige oder partielle Vernichtung der „rassischen“ oder religiösen Gruppe der Juden und Jüdinnen zum Ziel.



Antisemitismus auf den Straßen

Der Wahlkampf 1983 hatte, wie viele andere Wahlkämpfe der argentinischen Geschichte, antisemitische Untertöne. Die Telefondrohungen gegen jüdische Institutionen wurden häufiger und im Zuge der "Liberalisierung" des politischen Lebens wagten sich auch bekennende Antisemiten an die Öffentlichkeit. Alberto Ottalagano, der während der Amtszeit Isabel Peróns Rektor der Universität in Buenos Aires war, erschien nun auf dem Titelbild der Wochenzeitschrift Siete Dias mit stolzem Nazigruß. "Die Juden sollen nicht glauben, dass sie jetzt mit der Demokratie wieder die Klappe groß aufmachen dürften" warnte Ottalagano in einem Interview.

Mit der Amtsübernahme von Raúl Alfonsín übernahmen auch viele jüdische BürgerInnen Verantwortung im Staatsapparat. Waren sie während der Diktatur praktisch von allen öffentlichen Ämtern ausgeschlossen gewesen, erschien ihr Engagement nun umso größer. Die Fraktionsvorsitzenden der Regierungspartei im Senat und in der Abgeordnetenkammer, der Wirtschaftminister, der Präsident der Nationalen Entwicklungsbank und viele andere Funktionäre waren jüdischen Glaubens.[vi] Besonders empört waren die argentinischen AntisemitInnen über die Ernennung des jüdischen Schriftstellers Marcos Aguinis zum Staatssekretär für Kultur.
Ging man noch mit der Losung "Se va acabar la dictadura militar" („Die Diktatur wird zu Ende gehen“) gegen die Diktatur auf die Straße, so wurde 1984 für manche "Se va acabar la sinagoga radical" („Die radikale Synagoge wird zu Ende gehen“) daraus[vii]. Begleitet wurden diese Parolen von mehreren Attentaten gegen jüdische Einrichtungen:
1984 wurden Brandbomben gegen die sefardische Synagoge von Rosario, gegen den jüdischen Wohlfahrtsverband derselben Stadt und gegen die Hauptsynagoge von Buenos Aires geworfen.
1985 wurde eine Bombe im jüdischen Kindergarten Scholem Aleijem in Buenos Aires gelegt.
1987 gab es Angriffe auf die jüdische Gemeinde in Bahia Blanca und auf eine sefardische Synagoge in Buenos Aires, sowie Friedhofsschändungen der jüdischen Friedhöfe von Liniers und Cordoba.
Während einer der vielen Massenkundgebungen des Gewerkschaftsdachverbandes CGT wurde der UCR-Abgeordnete Jaroslavsky in Sprechchören als "jüdischer Hurensohn" bezeichnet. Die Führung der CGT distanzierte sich von diesen Äußerungen.

Carlos Menem und die Juden: Eine schwierige Beziehung

Als Carlos Saul Menem am 14. Mai 1989 die Präsidentschaftswahlen gewann, dachten viele jüdische BürgerInnen in Argentinien an eine eventuelle Auswanderung. Obwohl traditionell, und besonders im Landesinnern, die Beziehungen zwischen ArgentinierInnen jüdischer und arabischer Herkunft immer freundschaftlich waren, war der Caudillo aus La Rioja vielen Juden und Jüdinnen unheimlich. Seine Sympathie für die rechtsextreme Carapintada-Fraktion[viii] innerhalb der Streitkräfte, seine Beziehungen zu so zwielichtigen Persönlichkeiten wie dem syrischen Drogen-und Waffenhändler Monzer Al-Kassar und die finanzielle Wahlkampfunterstützung durch den lybischen Präsidenten Ghadafi machten viele misstrauisch.
Menem versuchte, dieses Misstrauen abzubauen, indem er als erster argentinischer Präsident Israel besuchte. Durch sein Angebot, im Konflikt zwischen Israel und Syrien vermitteln zu wollen, machte er sich jedoch lächerlich. Auch die nächste Geste des "guten Willens" endete in einer reinen PR-Veranstaltung: Die angebliche Öffnung der geheimen Archive der argentinischen Bundespolizei über im Land untergetauchte NS-Kriegsverbrecher erwies sich als Veröffentlichung einer Sammlung von Zeitungsausschnitten zum Thema.
Menem wagte es jedoch, als erster Peronist die offene Sympathie Peróns für Nazis und Faschisten und deren massive Unterstützung zu kritisieren. Immerhin wurde Anfang der 1990er-Jahre der NS-Verbrecher Josef Schwammberger festgenommen und an die Bundesrepublik Deutschland ausgeliefert. Kurz vor den Wahlen vom 14. Mai 1995 beschloss der argentinische Bundesrichter Moldes, den ehemaligen SS-Hauptmann Erich Priebke an Italien auszuliefern. Besonders durch den Fall Priebke wurde deutlich, über welche Verbindungen die untergetauchten NS-Kriegsverbrecher in der argentinischen Gesellschaft verfügten.[ix] Eine danach ins Leben gerufene Kommission zur Untersuchung der nazistischen Aktivitäten in Argentinien erwies sich als wenig durchsetzungsfähig und der Regierung Menem als Auftraggeberin gegenüber extrem weisungsgebunden. Als die Wissenschaftlerin Beatriz Gurevich in den Archiven der argentinischen Botschaft in Schweden eine Kopie des Circular 11 (Rundbrief Nr. 11) aus dem Jahr 1938 fand, der eine Ausstellung von Einreisevisa an flüchtende Juden und Jüdinnen praktisch untersagte, wurde sie kurzerhand aus der Kommission ausgeschlossen und ihr Fund verschwiegen.

Auch während Menems Amtszeit kam es zu antisemitischen Gewaltakten: Eine Synagoge in Concordia (Entre Ríos) wurde zerstört und im April 1991 wurde der jüdische Friedhof von Berazategui geschändet.

Eine neue Dimension der Gewalt

Die Bombenattentate gegen die israelische Botschaft im März 1992 und gegen das jüdische Gemeindezentrum AMIA in Buenos Aires im Juli 1994[x] eröffneten ein neues Kapitel des Antisemitismus in Argentinien. Obwohl die Hintergründe beider Anschläge noch nicht restlos aufgeklärt sind, kann man behaupten, dass sie in Argentinien stattfanden, weil dort die logistischen Voraussetzungen vorhanden sind, um antisemitische Gewalttaten solchen Ausmaßes durchzuführen.
Dachte die Mehrheit der ArgentinierInnen nach dem Attentat von 1992 noch, dass es hier um eine ferne (nahöstliche) Auseinandersetzung ging, so bekam das AMIA-Attentat 1994 eine andere Bedeutung. Die jüdische Bevölkerung in Argentinien wurde in ihrem Selbstverständnis getroffen.

Nach dem Ende der Militärdiktatur glaubte man, dass der Antisemitismus keinen Platz mehr in der argentinischen Gesellschaft haben könnte. Aber so wie der argentinische Autoritarismus nicht am 10. Dezember 1983 mit der Wiederherstellung der Demokratie verschwunden ist, so bleibt auch ein wahnhafter Antisemitismus weiterhin lebendig. Die Massendemonstrationen nach den beiden Attentaten gaben Anlass zur Hoffnung, aber "der Schoß aus dem er kroch, ist noch fruchtbar".


ROBERTO FRANKENTHAL



[i] La inmigracion en la literatura argentina. Gladys Onega. Ed.Galerna., Bs.As, 1969.
[ii] Charles Maurras war ein französischer politischer Publizist, der bis in die 1930er-Jahre hinein als einer der wichtigsten Vordenker des konservativen, nationalistischen Frankreichs fungierte. Er gründete 1908 die Action Française, eine monarchistisch-chauvinistische politische Bewegung, die über die sehr einflussreiche Zeitschrift L'Action française, aber auch über eigene Jugend- und Studentengruppen in die Gesellschaft hineinzuwirken versuchte. Der Antisemit Maurras propagierte die Wiedereinführung der Monarchie als Staatsform und die Reetablierung des Katholizismus als Staatsreligion.
[iii] Synarchie (vom griechischen συναρχία) ist eine Herrschaftsform, bei der viele Personen gemeinsam die Herrschaft ausüben. In einem verschwörungstheoretischen Geschichtsbild versteht man unter Synarchie eine geheime Weltregierung (Zentralsteuerungshypothese), die je nachdem mit der Freimaurerei, dem Illuminatenorden oder der „jüdischen Weltverschwörung“ usw. in Verbindung gesetzt wird.
[iv] siehe "NUNCA MAS" Bericht der CONADEP. Eudeba, Bs.As,1985
[v] siehe "El crimen de Graiver". Juan Gasparini Ediciones B, Bs.As., 1990.
[vi] Z.B. Adolfo Gass, Cesar Jaroslavsky, Bernardo Grinspun, Mario Brodersohn, u.A.
[vii] „La sinagoga radical” spielt auf Alfonsíns Partei an, die Unión Cívica Radical (UCR).
[viii] Während der Osterwoche 1987 versuchten die Carapintadas (bemalte Gesichter) unter der Führung von Aldo Rico und Mohamed Ali Seineldín die Regierung Alfonsín zu stürzen, was jedoch misslang. Die Carapintadas setzten sich hauptsächlich aus Offizieren zusammen und gehörten der nationalistischen, rechtsextremen Bewegung an, welche die Rückkehr der Demokratie nicht anerkennen wollte und mehrere Umsturzversuche unternahm.
[ix] siehe Argentinien Nachrichten Nr.21 /Okt.94 "Erich Priebke: Ein Mörder in Rom oder der gute Nachbar in Bariloche".
[x] siehe Argentinien Nachrichten Nr.21/Okt.94

LA CONTINUIDAD DE LA PERSECUCION

LA CONTINUIDAD DE LA PERSECUCION

Antisemitismo en la política argentina (1976-2006)

El siguiente texto es una versión actualizada y resumida de un articulo publicado en la revista „Lateinamerika Nachrichten“ Nr.252/253 Junio/Julio 1995

El antisemitismo argentino no solo ha sido influenciado por los nazis alemanes que inmigraron al país en las postrimerías de la década del 40 del siglo XX. El mismo ya
había tenido sus primeras formas de expresión a finales del siglo diecinueve, cuando una crisis económica interrumpió la primera etapa de desarrollo del país.
Según el periodista Julián Martel un grupo de „extranjeros indeseados“ eran los responsables de esta crisis, o sea los judios/judias. (*1)
El soporte ideológico del antisemitismo en Argentina es desde esa época el ala de la extrema derecha del nacionalismo argentino. Influenciado en principio por las ideas de Maurras(*2) a comienzos del siglo XX, adopta posteriormente en los 40 el ideario nazi y falangista, para posteriormente en los 60 nutrirse del integrismo católico.
Representantes de este pensamiento ocuparon lugares de conducción tanto dentro del aparato del Estado como de la sociedad en general.
Varias generaciones de aspirantes a oficiales de las Fuerzas Armadas y de Seguridad han sido ( o son?) adoctrinadas en este sentido. Estos esfuerzos han sido apoyados fervientemente por la Iglesia Católica, que comparte una buena parte del ideario antijudio y ha tenido serias dificultades para implementar los cambios decididos en el Concilio Vaticano II.
Especialmente en las épocas de dictaduras militares (entre 1930 y 1976 ha habido 7 golpes de estados victoriosos) se ha convertido el antisemitismo en doctrina de Estado.
La última dictadura militar (1976-83) fue la más sangrienta de la historia argentina y durante la misma, el antisemitismo también alcanza niveles excepcionales.

Los años del terror.

Los últimos años de la presidencia democrática de Juan e Isabel Perón fueron el escenario de un recrudecimiento de acciones antisemitas. El antisemitismo se convirtió en un instrumento dentro de la lucha política entre la derecha y la izquierda del peronismo. Las publicaciones de la extrema derecha peronista como p.ej. la revista El Caudillo desbordaban de ataques racistas y predica del antisemitismo. La organización de la izquierda peronista Montoneros era denostada como un instrumento del sionismo. El sionismo mismo era visto como una parte de una conspiración sinárquica internacional (*3).
La posterior dictadura le daría a estas ideas el rango de doctrina de estado.
Con esta doctrina de estado se vieron confrontados los judíos argentinos / as, que durante dicho período por alguna u otra razón tuvieron contacto con las autoridades del mismo.
Los desaparecidos de origen judío sufrieron vejámenes sin igual en los centros de detención y tortura erigidos por las Fuerzas Armadas. A pesar de que los campos de concentración argentinos no fueron parte de un mecanismo industrial de asesinatos masivos, como si lo fueron los campos en Europa en la época del Nazismo, el contenido antisemita jugo un rol muy importante en la definición del enemigo por parte de los militares. (*4)
Las actividades del banquero judío David Graiver como asesor financiero de la organización radical de izquierda Montoneros cimentó la creencia de los dictadores argentinos de enfrentarse a una „conspiración internacional“ contra el país.
Durante este período se adoctrino a oficiales y suboficiales de las Fuerzas Armadas y de Seguridad, que los judíos estaban planeando erigir un „segundo estado sionista“ en la Patagonia (el así llamado „Plan Andinia).
Judíos y judías que habían visitado el estado de Israel fueron interrogados a su regreso sobre la „instrucción paramilitar“ recibida.
El editor del diario „La Opinión“, Jacobo Timmerman, tuvo que responder en los interrogatorios a los que fue sometido bajo tortura, mas preguntas referidas a su relación con el sionismo que sobre las posturas criticas de su periódico con respecto a la „lucha antisubversiva“ de la Junta Militar.
Para alumnos judios/as de la secundaria, la dictadura militar significó la obligación de estudiar y conocer los principios morales y los sacramentos de la Iglesia Católica, impartidos en la materia „Formación Cívica“.
Para el conscripto argentino de origen judío, el servicio militar obligatorio significaba encontrarse con oficiales que veían en él a un „enemigo de la patria“ y cuestionaban su pertenencia al país, partiendo del principio que „un judío no puede ser argentino“.
A pesar de que la mayoría de las publicaciones políticas dejaron de aparecer después del golpe de estado de marzo de 1976, hubo una publicación que continuo llegando a los puntos de venta durante toda la dictadura: La revista Cabildo, órgano del Movimiento Nacionalista de Restauración. Cabildo era algo así como una versión criolla del Stürmer de la Alemania nazi.
Para muchos la posesión de literatura política de izquierda trajo en aquellos años como consecuencia ser detenido y torturado. Sin embargo el libelo antisemita Los protocolos de los sabios de Sion era vendido abiertamente en cualquier librería.
En 1981 se proyecto en la televisión estatal un programa del tipo „talkshow“, en el cual se cuestionaba la lealtad de la comunidad judía hacia el estado argentino.
Los generales Videla, Viola y Galtieri, a cargo de la presidencia de la Nación entre 1976 y 1983 prometieron en reiteradas oportunidades emprender acciones contra el antisemitismo. Lo típico de estas promesas fue la actitud del General Bignone, a finales de la dictadura: en reunión privada con dirigentes de la comunidad judía se expreso contra el antisemitismo, pero al mismo tiempo se negó a hacer publica esta expresión.
La dictadura militar argentina planeo y ejecuto la eliminación de grupos políticos. A partir de esta planificación y ejecución es que la justicia argentina ha clasificado a estos delitos de genocidio y/o crímenes de lesa humanidad.

El Informe COSOFAM de 1999

La organización de Derechos Humaños COSOFAM, con sede en Barcelona, presento en 1999 un informe sobre la persecución sufrida por judios/as durante la dictadura militar. La organización habla de un genocidio planeado, pero no llevado a cabo hasta sus ultimas consecuencias, contra los judios/as de la Argentina.
Lo fundamenta de la siguiente manera.
1) El carácter genocida y antisemita de la represión fueron decididamente influenciados por la importancia del antisemitismo en la vida publica argentina y su influencia tradicional en las Fuerzas Armadas. En comparación con otros regímenes violentos del Cono Sur, que contaban con una cantidad proporcional semejante de población judía, la cantidad y calidad de los hechos discriminatorios es mucho mayor.
2) Las acciones antisemitas del aparato represivo son la lógica consecuencia del „antisemitismo ideológico“ de los años anteriores, con una orientación activa que se diferencia de la pasividad de la mayoría de la población. Católicos ultraderechistas, Nazis o ultra nacionalistas siempre habían jugado un rol en los gobiernos militares precedentes. Sin embargo siempre eran apartados al final de estos períodos de la vida política. Durante el período 1976-83 ocuparon altos cargos del estado o tenían otros medios para influir sobre las Fuerzas Armadas.
3) Los diferentes modelos antisemitas encontrados provienen de diferentes fuentes ideológicas: el catolicismo ultraderechista, el ultra nacionalismo, el fascismo, el nazismo y el antisionismo fueron llevados a la practica.
4) La perdurabilidad del antisemitismo y su carga ideológica llevaron a una sobre representación de los judios/as dentro del universo de las victimas de la represión. Este informe prueba que es falso que los judios/as fueran perseguidos debido a su compromiso social y/o político. Esta tesis no explica la gran cantidad de hechos antisemitas producidos. Existen evidencias de por que es tan grande la cantidad de judios/as con relación a la cantidad total de victimas de la represión:

a ) Los miembros de las Fuerzas Armadas creían que la participación de judios/as
en actividades opositoras eran desproporcionadamente grandes. En su visión
del mundo categorizaban a los judios/as como capitalistas con un accionar
global, como comunistas peligrosos y como sionistas de dudosa lealtad al
estado argentino.
b) Los judios/as detenidos eran „trasladados“ (vale decir eliminados) con mayor
frecuencia que otros detenidos
c) Las organizaciones judías eran sospechosas de actividades subversivas o
„antiargentinas“ para el aparato represivo.


5 ) La importancia del antisemitismo en la vida política argentina y su gran difusión
dentro de las Fuerzas Armadas y de Seguridad determinaron la elección, tortura
y posterior asesinato de los argentinos de origen judio/a, mas allá de otros
aspectos que llevaron al aparato represivo a desarrollar estas actividades.
6) La falta de acceso a los archivos del gobierno militar hace imposible probar, que
este accionar fue ordenado o que existían ordenes escritas para ello. Pero las
declaraciones de los testigos sobrevivientes (ver informe de la CONADEP)
alcanzan para probar, que no eran necesarias las ordenes por escrito en este caso. La formación ideológica de los miembros de las Fuerzas Armadas y de Seguridad alcanzaba para motivar a los represores a sus actividades. Debido
a esta „formación“ previa ya sabían como comportarse con respecto a los judios/as.
7) El genocidio contra los judíos que se produjo en Argentina entre 1976 y 1983
muestra paralelismos a los progroms de la Rusia zarista o estalinista o a la persecución antijudia del nazismo alemán. Aquí también las victimas estaban indefensas y los victimarios podían utilizar todos los métodos a su alcance para lograr su objetivo, ya que su impunidad estaba garantizada. Las diferencias con los genocidios europeos fueron las siguientes:
a) El genocidio se perpetro a escondidas. No hubo una „Noche de los Cristales“,
ejecuciones publicas o procesos judiciales tergiversados. El genocidio se
llevo a cabo en los cuarteles de las Fuerzas Armadas y destacamentos de las
Fuerzas de Seguridad, en centros clandestinos de detención. Allí los genocidas podían humillar, torturar y asesinar sin ningún tipo de restricciones.
b) Estos hechos se llevaron a cabo al mismo tiempo que la dictadura militar
trato de transmitir una imagen de normalidad de la vida judía en la Argentina.
Estos intentos fueron llevados a cabo por los más altos representantes del
Estado, que sabían del genocidio que se estaba perpetrando, ya que este
solo fue posible con la participación de toda la estructura de mandos de las
Fuerzas Armadas.

8) La magnitud del genocidio contra los judios/as de la Argentina llevo a que
organizaciones judías internacionales analizaran el futuro de la comunidad
judía en la Argentina y preparan planes de emigración masiva para sus
integrantes. La organización „Hebrew Inmigrant Aid Society“ (HIAS) ya tenia
planes para la evacuación aérea de los judíos de la Argentina y contaba con
una confirmación del presidente brasilero Figueiredo de permitir ingresar a su
país, a corto plazo, a unos 350.000 judios/as de la Argentina. A finales de
1976 Albert Schindler, un rabino norteamericano que era el vicepresidente de
la „Union of American Hebrew Congregations”, contacto al Departamento de
Estado de los USA. Allí le fue confirmada la voluntad de ese Departamento
de extender unos 100.000 visados para judios/as de la Argentina.
9)Los hechos históricos que hacen único en su tipo al antisemitismo argentino,
la predisposición ideológica, la planificación y eliminación de los judios/as y
la gran cantidad de casos (mas del 12% de los casos denunciados ante la
CONADEP) nos refuerzan en nuestra argumentación, que las Fuerzas Armadas
y de seguridad de la Argentina perpetraron un genocidio contra los judios/as de
su país.

Sobre la base de la documentación que obra en nuestro poder y las declaraciones de numerosos testigos esta probado que:

a) Existía un tratamiento especial para detenidos y secuestrados de origen judío.
b) Se han conocidos varios casos, en los cuales los represores expresaron sus deseos de eliminar a los detenidos y secuestrados, por su condición de judios/as.
c) La proporción de victimas de origen judío dentro del universo total de victimas de la represión es muchísimo mayor que su proporción dentro de la población total
del país.
d) Se han conocido varios casos, en los cuales se argumento que el judaísmo o el
Sionismo fueron los causales del secuestro, detención y tortura de las victimas.
e) La utilización de simbología nazi en los campos clandestinos de detención ha
ha sido ampliamente probada. Los represores se vanagloriaron abiertamente
de su ideología nazi y antisemita.
f) Existió una sistematización de la persecución de los judios/as, que los victimarios
asumieron como propia, debido a su programación ideológica antisemita.

Estas conductas están consideradas como un genocidio, ya que su fin era la destrucción parcial de un grupo „racial“ o religioso, los judios/as de Argentina.


El antisemitismo en las calles

La campaña electoral de 1983 tuvo como muchas otras campañas electorales de la historia argentina, ciertos subtonos antisemitas. Las amenazas telefónicas a las instituciones judías se hicieron mas frecuentes y dentro de la „liberalización“ de la vida política, se comenzaron a escuchar discursos antisemitas como el del antisemita confeso Alberto Ottalagano. El ex-rector de la Universidad de Buenos Aires durante el gobierno de Isabel Perón apareció fotografiado en la portada de la revista Siete Días haciendo el saludo nazi. „Que no crean ahora los judíos, que con la democracia van a poder abrir mucho el pico“, afirmaba Ottalagano en una entrevista.

Con el gobierno de Raúl Alfonsin muchos ciudadaños judíos asumieron responsabilidades publicas. Como durante la dictadura militar prácticamente habían sido excluidos del aparato de dirección del Estado, su presencia en ese momento
parecía proporcionalmente mucho mas grande a su numero real. Los jefes de las fracciones del partido de gobierno en las Cámaras de Senadores y Diputados, el Ministro de Economía, el presidente del Banco Nacional de Desarrollo y otros puestos mas fueron ocupados por ciudadaños de origen judío. Los antisemitas se sintieron especialmente provocados por el nombramiento del escritor judío Marcos Aguinis como secretario de Cultura de la Nación.
El cántico de protesta de las manifestaciones contra la dictadura „Se va acabar la dictadura militar“ se transformo en 1984 para los notorios antisemitas en „Se va acabar la sinagoga radical“(*7)
Estos cánticos fueron acompañados por una ola de atentados antisemitas.
En 1984 se arrojaron bombas incendiarias contra la sinagoga sefardí de Rosario, contra una oficina de beneficencia de la misma ciudad y contra la sinagoga central de la ciudad de Buenos Aires.
En 1985 el jardín de infantes judío Scholem Aleijem sufrió un atentado con una bomba.
En 1987 fue atacada la comunidad judía de Bahía Blanca y una sinagoga sefardí de la ciudad de Buenos Aires, así como los cementerios judíos de Liniers y Córdoba.
Durante una manifestación de la central sindical CGT se hizo mención al diputado de la UCR Cesar Jaroslavsky, calificándolo como „judío hijo de puta“. La Conducción de la CGT se distancio de estos agravios.

Carlos Menem y los judíos: Una relación difícil.

Cuando el 14.5.1998 Carlos Menem venció en las elecciones presidenciales, muchos judios/as de la Argentina pensaron en emigrar.
A pesar que en el interior del país, de donde proviene Menem, la convivencia entre las minorías árabes y judías siempre ha sido muy fraternal, existían fuertes sospechas en la comunidad judía con respecto al caudillo de La Rioja. Sus simpatías por la fracción Carapintada de extrema derecha de las Fuerzas Armadas, sus conexiones con el traficante de drogas y armas de origen sirio Monzer Al Kassar y el apoyo financiero para la campaña electoral enviado por el presidente libio Ghadaffi completaban un cuadro inquietante para muchos judios/as de la Argentina.
Menem trato de calmar estas inquietudes convirtiéndose en el primer presidente argentino en visitar el Estado de Israel. Su oferta de mediación entre Israel y Siria no fue tomada en serio en el Medio Oriente. También el próximo gesto de buena voluntad devino en una mera actividad de relaciones publicas: La supuesta apertura de los archivos de la Policía Federal Argentina sobre los criminales de guerra nazis refugiados en el país, devino en una exhibición de viejos recortes periodísticos.
Sin embargo como primer conductor del peronismo se animo a criticar la abierta simpatía de Perón hacia los Nazis y Fascistas que condujo a su masiva inmigración al país. Como resultado de esta posición, a principios de los 90 fue extraditado a Alemania el criminal de guerra nazi Josef Schwammberger. Poco antes de las elecciones de mayo de 1995 (donde estaba en juego la reelección de Menem), el juez federal argentino Moldes decidió conceder la extradición a Italia del ex- oficial de las SS, Erich Priebke. Las discusiones alrededor de la detención y extradición de Priebke demostraron los contactos y vinculaciones que tenían los fugitivos nazis en la sociedad Argentina.( *9).
Una comisión para analizar la inmigración de los fugitivos nazis y fascistas a la Argentina fue constituida poco tiempo después. La comisión dependía del Ministerio de Relaciones Exteriores y demostró tener pocos poderes y estar muy atada a los lineamientos recibidos desde el gobierno argentino. Cuando la investigadora Beatriz Gurevich encontró una copia de la Circular Nr. 11 del Ministerio de Relaciones Exteriores de 1938, en la cual se ordenaba prácticamente rechazar todos los pedidos de visado de refugiados judios/as de Europa, en la embajada argentina en Suecia, fue expulsada de la comisión y su hallazgo no fue revelado a la opinión publica.
También durante el mandato menemista hubo actos de violencia antijudia: Una sinagoga en Concordia (Entre Rios) fue destruida y en 1991 fue desacrado el cementerio judio de Berazategui.

Una nueva dimensión de la violencia.

Los atentados con bomba contra la embajada de Israel en Marzo de 1992 y contra el centro comunitario AMIA de Buenos Aires en Julio de 1994 (*10) abrieron un nuevo capitulo del antisemitismo en la Argentina. A pesar de que aun hoy, 15 años después del primer y 13 años después del segundo atentado, todavía los dos crímenes no han sido del todo esclarecidos, existen evidencia nítidas de que estos atentados se produjeron en la Argentina, por que aquí existía la infraestructura logística y la cobertura política para perpetrar este tipo de atentados violentos de tinte antisemita.
Tras el primer atentado en 1992 la mayoría de los argentinos / as creyó que el mismo era parte de un lejano conflicto (el del Medio Oriente).El atentado contra la AMIA de 1994 tuvo otra relevancia. La población judía de la Argentina vio cuestionada su identidad y su futuro en el país.

Después del final de la dictadura militar se creía que el antisemitismo no tendría mas
cabida en la sociedad argentina. Pero así como el autoritarismo argentino no murió el 10 de diciembre de 1983 con la reinstauración de la democracia, tampoco lo ha hecho su obligatorio compañero de ruta, el antisemitismo. Las manifestaciones masivas de repudio del pueblo argentino tras los atentados del 92 y 94 dan pie a la esperanza, de que la barbarie antisemita no vuelva a ocurrir en la Argentina. Pero la matriz del odio que engendro al antisemitismo argentino aun es fértil....

Roberto Frankenthal

(*1) La inmigración en la literatura argentina. Gladys Onega. Ed. Galerna, Bs.As. 1969
(*2) Charles Maurras fue un publicista político francés que hasta la década del 30 del siglo XX influenció a la opinión nacionalista y conservadora de Francia. En 1908 creo la Action Francaise, un movimiento monarquista-chauvinista, que edito la revista L’ Action Francaise, de gran influencia en Francia. A la vez y a través de movimientos juveniles y estudiantiles trato de penetrar en los diferentes estamentos de la sociedad francesa. El antisemita Maurras proponía la reinstauración de la monarquía y el reestablecimiento del catolicismo como religión oficial.
(*3) Sinarquia: es una forma de gobierno, en la cual muchas personas comparten el ejercicio del poder. En las interpretaciones conspirativas de la historia se entiende bajo sinarquia el establecimiento de un poder secreto mundial, que depende alternativamente de la franco-masonería, las ordenes de los “Iluminati” o de una conspiración judía mundial.
(*4) Ver “Nunca Mas”, Informe de la CONADEP. Eudeba, Bs.As. 1985
(*5 )Ver “El crimen de Graiver”, Juan Gasparini, Ediciones B, Bs.As. 1990
(*6) p.ej: Adolfo Gass, Cesar Jaroslavsky, Bernardo Grisnpun, Mario Brodersohn y otros
(*7) La “sinagoga radical” hace referencia al partido de Alfonsin, la Unión Cívica Radical (UCR)
(*8) Durante la Semana Santa de 1987 los Carapintadas, bajo las ordenes de Aldo Rico y Mohammed Ali Seineldin intentaron derrocar al gobierno de Alfonsin, pero su levantamiento fracaso. Los Carapintadas eran un grupo de oficiales de las Fuerzas Armadas de Argentina de extrema derecha y ultra nacionalista, que reivindicaban a los represores de la Dictadura Militar y realizaron varios levantamientos armados entre 1987 y 1990.
(*9) Ver Argentinien Nachrichten Nr. 21/ Okt. 1994 “Erich Priebke: el asesino de Roma o el buen vecino de Bariloche”.
(*10) Ver Argentinien Nachrichten Nr.21/Okt. 1994

Jenseits der „General Paz“

Eine sozialpolitische Reise durch das argentinische Landesinnere

Der Moloch am Rio de la Plata bestimmt ohne weiteres den Puls de Landes. Aber auch jenseits der „General Paz“, eine Autobahnähnliche Allee die als Grenze zwischen der argentinischen Bundeshauptstadt und der Provinz Buenos Aires gilt, gibt es ein anderes Land, der sehr wenig in Buenos Aires und im Ausland beachtet wird.
Durch kurze Skizzen der Provinzen Santa Cruz, Salta, San Juan und Santa Fe möchte ich den LeserInnen von „Tangodanza“ einen Einblick in dieses andere Argentinien ermöglichen,

Der ferne Süden: SANTA CRUZ

An der Südspitze des südamerikanischen Kontinents befindet sich diese Provinz mit fast 250.000 Quadratkilometer (zum Vergleich Argentinien hat 2,8 Millionen Quadratkilometer, Deutschland ca.358.000 Quadratkilometer). Die Einwohnerzahl liegt knapp unter 200.000 Menschen, davon lebt fast ein Drittel in der Provinzhauptstadt Rio Gallegos. Viel Wind, Millionen Schafe, und Bodenschätze prägen das Gesicht dieser patagonischen Provinz. Der karge Steppenboden und eine Durchschnittstemperatur von 9 ° Grad ermöglichen nur eine sehr extensive Schafzucht. Zuchtbetriebe mit 20.000 Hektar Land und mehr sind keine Seltenheit und die Besitzverhältnisse haben sich seit Anfang des 20. Jahrhunderts nicht viel verändert: damals bestimmten wenige Großgrundbesitzer britischer Herkunft das wirtschaftliche Leben, heute sind es internationale Konzerne.
Erdöl und Erdgas wurde hauptsächlich an der Atlantikküste gefunden und Kohle wird in Rio Turbio, am Rande der Anden gefördert.
Der andere wichtige Faktor der Wirtschaft dieser Provinz ist der Tourismus. Im Gebiet des Lago Argentino befindet sich der größte Gletscher Südamerikas, der Perito Moreno. Der nächstliegende Ort, Calafate ist zu einer touristischen Hochburg in den letzten Jahren gewachsen. Ein entschiedener Beitrag dazu leistete der amtierende Präsident und frühere Gouverneur der Provinz, Nestor Kirchner.
In Calafate besitzt er einen Wochenendhaus und er ließ den örtlichen Flughafen ausbauen, um größere Flugzeuge wenige Kilometer von dem Naturwunder „Perito Moreno“ landen zu lassen.
Santa Cruz ist einer der wenigen Provinzen, die keine Zuwendungen von der Zentralregierung benötigen, um ihre Ausgaben zu finanzieren. Während seiner Amtszeit als Gouverneur nutzte Kirchner die Gunst der Stunde und sicherte den zukünftigen Wohlstand. Als die staatliche Erdölgesellschaft YPF von der menemistischen Regierung in den 90er Jahren privatisiert wurde, erhielten die Erdöl fördernde Provinzen saftige Ausgleichszahlungen, im Fall von Santa Cruz waren es ca. 500 Millionen Dollar. Diese Summe wurde auf Auslandskonten der Provinz überwiesen und damit überstand Santa Cruz die Krise um die Jahreswende 2001/2002.
In Santa Cruz werden zwar Löhne und Gehälter bezahlt die weit über den Landesdurchschnitt liegen, dafür sind die Preise hier höher als anderswo. In der Schafzucht und im Bergbau werden hauptsächlich chilenische Einwanderer beschäftigt, der Hauptarbeitgeber der Provinz ist aber der Staat. Der relative Wohlstand der Provinz ermöglicht einen stetigen Fluß an Investitionen. Ein Oppositionspolitiker bemerkte vor kurzem, daß wenn man irgendwo in Rio Gallegos mehrere Minuten stehen bleibt, errichtet die Provinzregierung schnell Mauern drum herum.
Die Bevölkerung von Santa Cruz genießt einen kämpferischen Ruf. Bereits zwischen 1920 und 1922 erhebten sich die Landarbeiter, um für bessere Bedingungen zu kämpfen. Diese aufständischen Landarbeiter wurden von der damaligen Regierung mit Hilfe der Armee brutal niedergeschossen.
Zuletzt im Februar 2006 kam es zur einen gewaltsamen Protest der Erdölarbeiter im Ort Las Heras.
Im Verlauf einer Demonstration wurde auf einem Polizeiposten geschossen und ein Polizist ermordet.
Die heutige Entwicklung der Provinz wird zum großen Teil aus der Bundeshauptstadt ferngesteuert. Kirchner und ein guter Teil seiner nationalen Regierungsmannschaft stammen aus Santa Cruz. Bei den kommenden Wahlen für das Gouverneursamt (Oktober 2007) gilt Alicia Kirchner, amtierende Sozialministerin auf Bundesebene und Präsidentenschwester, als aussichtsreiche Kandidatin.

Die schöne: SALTA

Die Provinz Salta befindet sich im Nordwesten Argentiniens, an der Grenze mit Bolivien und Chile.
Sie zählt knapp über eine Million Einwohner und die Provinz hat eine Gesamtfläche von ca. 155.000 Quadratkilometer. Landschaftlich gibt es drei unterschiedliche Zonen: Von Osten nach Westen, der subtropische Regenwald an der Grenze mit der Nachbarprovinz Chaco, die Täler und Erhebungen der Voranden - Zone und die Anden mit der Atacama – Hochebene an der Grenze zu Chile. Die Provinzhauptstadt Salta („La Linda“, die Schöne) gilt als die am meisten von der spanischen Kolonialzeit geprägten Großstadt des Landes. Die Wirtschaft der Provinz wird durch die Landwirtschaft und den Bergbau geprägt. In Salta wird ein Drittel des in Argentinien angebauten Tabaks geerntet. Wichtig ist auch der Zuckerrohr und der Anbau von Zitrusfrüchte und Bohnen. Eine kleine aber feine Weinindustrie etablierte sich im Cafayate – Tal, der auch eine touristische Sehenswürdigkeit ist. Zunehmend an Bedeutung gewinnen einerseits der Anbau von Soja und Mais (mit dem damit verbundenen Problemen, siehe unten) und der Tourismus. Im Bergbau werden hauptsächlich Natriumsalz abgebaut und die Provinz verfügt auch über ein gewisses Erdöl- und Erdgasvorkommen.
Die wichtigsten Industrieanlagen verarbeiten den dort gewonnenen Erdöl.
Der Anbau von genetisch modifizierte Soja und Mais ist der neueste Wirtschaftszweig der Provinz. Dafür werden aber sehr große Flächen an bislang unberührten subtropischen Regenwald geopfert.
Mehr als ein Drittel des ursprünglichen Regenwaldes der Provinz ist in den letzten zehn Jahren abgeholzt worden. Trotzdem leistete die Provinz erbitterten Widerstand gegen einen Geseztesvorhaben des Parlaments, der den Abbau der Regenwälder begrenzen sollte.
Salta ist eine politische Hochburg der feudalistischen Peronismus. Seit Jahrzehnten wird die Provinz durch die Familie Romero kontrolliert und regiert. Der Gründer dieser Dynastie Roberto Romero war, nach Angaben der US-amerikanischen DEA, ein wichtiger Drogenhändler. Sein Sohn und amtierender Gouverneur Juan Carlos Romero finanzierte einen Teil der Präsidentschaftswahlkampagne von Carlos Menem im Jahr 2003, er selber kandidierte mit Menem für das Amt des Vizepräsidenten. Vor kurzem wurde der ihm nahestehende Provinzsenator José Aparicio verhaftet, der unter dem Verdacht steht einen Drogendealer gewaltsam aus dem Weg geräumt zu haben.
Obwohl Salta eine relativ reiche Provinz ist, zeigen die sozialen Indikatoren, daß dieses Reichtum sehr ungerecht verteilt ist. Die Kindersterblichkeit und der Analphabetismus liegen über den Landesdurchschnitt.

Am Fuße der Anden: SAN JUAN

Bereits 1564 wurde die Hauptstadt der Provinz durch spanische „Conquistadores“ die aus Chile kamen gegründet. Bis zur Gründung des Vizekönigreich des „Rio de la Plata“ (1776) wurde San Juan von Santiago de Chile aus verwaltet.
Die für argentinische Verhältnisse kleine Provinz (90.000 Quadratkilometer) zählt nur ca. 620.000 EinwohnerInnen. Drei verschiedene Gebirgsketten bedecken ca. 80% der Fläche der Provinz.
Die Nähe zur geologisch jungen Gebirgskette der Anden machte San Juan zum Opfer von zwei großen Erdbeben im letzten Jahrhundert: 1944 wurde die Provinzhauptstadt zerstört, 1980 die Stadt Caucete.
Von den Anden fließen aber auch die Gebirgsflüße die den eher kargen Boden der Provinz bewässern. Die ausreichende Bewässerung und die vielen Sonnenstunden am Fuße der Anden machten San Juan zu der zweitwichtigsten Weinprovinz des Landes. Die ausgedehnte Weinanbaugebiete und die Weinkellereien bilden den Rückgrat der touristischen „Weinroute“ von San Juan.
Die staatliche Förderung ermöglichte in den 80er und 90er Jahren die Niederlassung kleiner Industrien in San Juan, die allerdings wenige Arbeitsplätze geschaffen haben. Mehr Arbeitsplätze entstanden durch den Bergbau, der besonders in den letzten 5 Jahren die Wirtschaft der Provinz verändert hat.
In den letzten Jahren zeigt diese Anden – Provinz die höchsten Wachstumsraten beim Export von Bergbau – Produkten. Der größte Bergbauprojekt der Provinz heißt Veladero und dort wird Gold gewonnen.
Die Kehrseite dieses Booms ist, daß diese Goldgewinnung mit Zyanid betrieben wird und damit werden die Wasserquellen der Provinz sehr stark belastet. Die ausführende Firma, die kanadische Barrick Gold, hat ein ähnliches Projekt in Chubut einstellen müssen, weil das Volk der benachbarten Stadt Esquel sich dagegen mobilisierte. Eine Minderheit der Sanjuaninos macht auf die Umweltrisiken von Veladero aufmerksam, aber die Mehrheit der Provinzeinwohner hat eine konservative Grundeinstellung.
Diese Grundeinstellung spiegelt sich auch in anderen Bereichen. Das nationale Gesundheitsministerium verteilt seit mehreren Jahren kostenlose Verhütungsmittel an die Provinzen. Der amtierende Gesundheitsminister von San Juan weigerte sich diese Verhütungsmittel an die Bevölkerung weiter zu geben.
In San Juan gibt zwei wichtige politische Parteien: die Blockisten und die Peronisten. Die Blockisten entstanden in den 20er Jahren des 20.Jahrhunderts als Volks - konservative Abspaltung der Union Civica Radical. Seitdem haben sie immer die Politik der Provinz mit gestaltet, auch in Zeiten der Militärdiktatur. In San Juan wurde der damalige Coronel Peron erst berühmt, als er 1944 den Wiederaufbau der Provinzhauptstadt nach dem Erdbeben leitete.

Die Kornkammer: SANTA FE

Die Provinz Santa Fe ist für argentinische Verhältnisse sehr dicht besiedelt. 3 Millionen Menschen teilen sich ca. 133.000 Quadratkilometer. Davon leben ca. 1,1 Millionen im Großraum Rosario, die drittgrößte Stadt Argentiniens. Regiert wird die Provinz aber in der gleichnamigen Hauptstadt Santa Fe (380.000 EinwohnerInnen).
Obwohl Santa Fe über keinen eigenen Zugang zum Meer verfügt, ist Rosario einer der wichtigsten Häfen des Landes. Hier am Rio Parana wird ein großer Teil der landwirtschaftlichen Produkten eingeschifft, die Argentinien exportiert.
Die Provinz zeigt einen wirtschaftlichen Süd – Nord – Gefälle. Der südliche Teil gehört zur „feuchten Pampa“, die Kornkammer Argentiniens. Santa Fe ist der zweitwichtigste Weizenproduzent des Landes und hier liegt auch das größte Soja – Anbaugebiets Argentiniens. Neben der Soja bilden Mais und Sonnenblumen die Basis einer zur Zeit sehr erfolgreichen Ölsaat - Industrie. Die Rinderzucht ist der andere wichtige landwirtschaftliche Standbein des Südens der Provinz. Santa Fe ist dadurch führend bei der Fleisch-, Milch und Käseproduktion des Landes.
Im Süden konzentriert sich auch die Herstellung von Maschinen und Werkzeuge für die Landwirtschaft (um Rafaela) und die Eisenindustrie (Villa Constitucion).
Der Großraum Rosario war bis zur Krise 2001/2002 eine der industriellen Schwerpunkte des Landes.
Die meisten Firmen produzierten aber für den Binnenmarkt und als dieser zusammenbrach, kam es zu einer nie gesehenen Entlassungswelle. In der ersten Hälfte von 2002 waren ca. 35 % der Rosarinos arbeitslos.
Der Norden der Provinz gehört schon zum subtropischen Chaco. Traditionell lebt es von der Viehzucht und der Holzproduktion. In den letzten Jahren mußten aber diese Wirtschaftszweige der Ausdehnung der Soja – Anbaufläche ausweichen.
Santa Fe war das traditionelle Ziel für viele EinwandererInnen, die im 19. und der ersten Jahre des 20. Jahrhunderts nach Argentinien kamen. Sie errichteten viele landwirtschaftliche Kolonien, die das Gesicht des Provinz prägten. Bereits 1915 kam es zu einem Aufstand der Bauern in Santa Fe („Grito de Alcorta“), die zur Wahrung ihrer Interessen eine eigene Partei gründeten (Partido Democrata Progresista). Wenige Jahre später waren es die Arbeiter der Holzindustrie im Norden Santa Fe, die gegen ihre menschenunwürdige Arbeitsverhältnisse protestierten. In den 60er und 70er Jahren war Rosario auch eine der Hochburgen der revolutionären Linken.
Diese allgemeine fortschrittliche Einstellung führte vielleicht auch dazu, daß Rosario seit 19 Jahren von einem sozialistischen (eher sozialdemokratischen) Bürgermeister regiert wird. Die Provinz an sich wird seit der Wiedereinführung der Demokratie von den Peronisten regiert. Im September wird der Gouverneur neu gewählt und der aussichtsreichste Kandidat ist der frühere sozialistische Bürgermeister von Rosario, Hermes Binner.

Roberto Frankenthal -April 2007

Lage der Menschenrechtsarbeit in Argentinien 2006

Fortschritte und Rückschläge

Die Aufarbeitung der Menschrenrechtsverbrechen in Argentinien

Mehrere Urteile der letzten Monate bestimmten die juristische Aufarbeitung der während der letzten Militärdiktatur begangenen Menschenrechtsverletzungen.
Zu aller erst wurde der ehemalige Polizist Julio Simon (alias „Turco Julian“) zu einer Haftstrafe von 25 Jahren verurteilt. Dieses Urteil wurde von einer Strafkammer der argentinischen Bundeshauptstadt im Fall „Poblete“ gefällt.
Die besondere Bedeutung des Falles liegt darin, daß das Oberste Gericht Argentiniens die Verfassungswidrigkeit der Befehlsnotstand – und Schlußpunktgesetze der 80er Jahre bei der Überprüfung einer Anklage des Bundesrichters Cavallo zu diesem Fall, fest stellte.
Julio Simon war während der argentinischen Militärdiktatur ein berüchtigter Folterer in den Haftzentren „Olimpo“ und „Club Atletico“, die dem I. Armeekorps unterstanden. Aus seiner Bewunderung zum deutschen Nationalsozialismus machte er kein Geheimnis. Ein zur Schau getragener Hakenkreuz als Schlüsselanhänger und die besonders sadistische Behandlung der Gefangenen jüdischer Abstammung waren seine Markenzeichen.
Geschützt durch die ObG. Gesetze, rühmte er sich Anfang der 90er Jahre über seine Taten vor laufender Kamera im argentinischen Fernsehen.
Der ehemalige Polizist stand auch auf der Liste der in Nürnberg angeklagten Mitarbeiter der argentinischen Sicherheitskräfte, die sich für das gewaltsame Verschwinden lassen von ca. 100 Deutschen und Deutschstämmigen verantworten mußten.
Ein weiterer wichtiger Urteil wurde in der Provinzhauptstadt La Plata gefällt. Dort wurde der ehemalige Polizeioffizier Miguel Etchecolatz zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt. Wesentlich wichtiger als der Ausmaß der Strafe war die Begründung der Strafkammer von La Plata. Etchecolatz Verbrechen wurden als Teil des in Argentinien begangenen Völkermord angesehen (Vernichtung einer nationalen Gruppe). Der ehemalige Kommissar der Polizei der Provinz Buenos Aires war die rechte Hand des bereits verstorbenen Generals Ramon J. Camps, der sich am Ende der Militärdiktatur rühmte, mehr als 5.000 „Subversiven“ umgebracht zu haben. Das Urteil der Strafkammer von La Plata spricht von einem „Circuito Camps“, eine Reihe von Folterlager, die von Camps und Etchecolatz geleitet worden sind.
Dieser erste Urteil eines argentinischen Gerichtes, der die Figur des Völkermordes berücksichtigt, hat eine besondere Bedeutung. Der Tatbestand des Völkermordes ist im argentinischen Strafgesetzbuch nicht vorgesehen, aber seit der Verfassungsänderung von 1994, haben die internationale Verträge (wie z.b. die Ächtung der Verbrechen gegen die Menschheit), die Argentinien unterschrieben hat, die selbe Bedeutung als die nationale Gesetzgebung.
Dieser bahnbrechende Urteil blieb allerdings nicht ohne Konsequenzen. Seit ca. 2 Wochen wird einer der Zeugen der Anklage J.Lopez vermißt. Zuletzt wurde er am Tag der Urteilsverkündung gesehen, als er sein Haus verließ, um angeblich zum Gerichtssaal in La Plata zu fahren. Zum Zeitpunkt des Redaktionsschlusses (16.10.06) war der Verbleib des 76-Jährigen Zeugen noch nicht aufgeklärt.
Gleichzeitig löste dieser Urteil eine Welle von anonymen Morddrohungen gegen Richter und Staatsanwälte der argentinischen Justiz, die mit der juristischen Aufarbeitung der Menschenrechtsverbrechen der Militärdiktatur beschäftigt sind.
Seit mehreren Monaten häufen sich die Aktivitäten von einer ganzen Reihe von im Ruhestand befindlichen Offiziere der Streitkräfte, die eine Einstellung der Verfahren fordert. Einzelne aktive Offiziere die an solchen Veranstaltungen teilnahmen, wurden aus den Reihen der Aktiven sofort ausgeschlossen.
Andere Gerichtsentscheidungen haben auch die zivilen Unterstützter der Militärdiktatur aufgeschreckt.
Bundesrichter Norberto Oyarbide, der dieses Amt seit den 90er Jahre im Sinne der menemistischen Justiz geführt hat, hob durch einen Gerichtsbeschluß die vom ehemaligen Präsidenten Menem beschlossene Begnadigung zu Gunsten des ehemaligen Wirtschaftsminister der Diktatur José Alfredo Martinez de Hoz. Martinez de Hoz war gegen Ende der 80er Jahre wegen den Fall „Gutheim“ angeklagt worden.
Federico und Miguel Gutheim, Inhaber einer Textilfirma, wurden während der Militärdiktatur festgenommen und ca. 5 Monate ohne Anklage, ohne Prozeß in Untersuchungshaft gehalten. Sie wurden von Regierungsbeamte unter Druck gesetzt, um ein Exportgeschäft nach Hong Kong über die Bühne zu bringen. Diese Lieferung stand im Zusammenhang mit der Vergabe von internationale Kredite an die argentinische Diktatur. In den 80er Jahren forderte der damalige Staatsanwalt für Regierungskriminalität, Ricardo Molinas, eine Haftstrafe von 10 Jahren in diesem Fall. Angeklagt waren neben Martinez de Hoz, der ehemalige Diktator Videla und der Innenminister Harguindeguy.
Oyarbide bezeichnete diesen Fall als „Verbrechen gegen die Menschheit“, der aufgrund der internationalen Vereinbarungen, die Argentinien unterschrieben und anerkannt hat, nicht begnadigt werden können. Letztendlich wird das Oberste Gericht über die Verfassungsmäßigkeit der von Menem beschlossenen Begnadigungen entscheiden.
In einem anderen Fall hat die 2. Kammer des Berufungsgerichtes der argentinischen Hauptstadt auch die Begnadigung des ehemaligen General Santiago Omar Riveros aufgehoben. Riveros war angeklagt worden, wegen seiner Rolle in der größten Armeekaserne des Landes während der Militärdiktatur. In Campo de Mayo gab es einen Vernichtungslager der Armee, denn nur eine sehr geringe Anzahl der dort Festgehaltene, haben die Folter und Mißhandlungen überlebt.

Je erfolgreicher die argentinische Justiz diese Aufarbeitung durchführt, um so größer werden die Drohungen und Widerstände werden. Die Tatsache, daß auch die zivilen Würdenträger der Diktatur, zur Rechenschaft gezogen werden können, wird von bestimmten Kreisen des argentinischen Establishment, der von der Diktatur reichlich profitiert hat, mit Sorge beobachtet.
Im kommenden Jahr 2007 finden in Argentinien Präsidentschaftswahlen statt. Diese Auseinandersetzung wird sicherlich den Wahlkampf prägen, denn schon jetzt sind die konservativen Stimmen zu vernehmen, die ein Schlußstrich fordern.

Roberto Frankenthal – Oktober 2006

Argentinien im dritten Jahr der Amtszeit von Kirchner

Von der “low intensity war” zur “low intensity” Demokratie
Argentinien im dritten Jahr der Amtszeit von Kirchner

Um die heutige Entwicklung der argentinischen Politik zu kommentieren muß man, um eine faire Analyse zu liefern, kurz in die jüngste Geschichte des Landes zurückblicken.
Und zwischen den 70er Jahren und die Jahreswende 2001/2002 gab es mehr oder weniger nur Krieg. Manchmal war es nur ein Krieg niedriger Intensität, manchmal aber nahm es sehr gewaltsame Formen an. Die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen Links- und Rechtsextremisten in der ersten Mitte der 70er Jahre, der Staatsterrorismus der zweiten Hälfte der 70er Jahre, der Krieg mit England um die Falklandinseln 1982, 3 Militäraufstände gegen die demokratische Regierung zwischen 1986 und 1990, der Versuch der Besetzung einer Militärkaserne durch eine national – revolutionäre Gruppe 1989, die “friedliche” Zerstörung der Strukturen des argentinischen Wohlfahrtsstaates in der menemistischen Dekade 1989-1999, die schlimmsten Bombenattentate der argentinischen Geschichte gegen die israelische Botschaft (1992) und der Zentrale der jüdischen Gemeinde AMIA (1994), die Sprengung der Militärfabrik von Rio Tercero 1995, unzählige unaufgeklärte Todesfälle in den 90er Jahren von Menschen die direkt oder indirekt mit Korruptionsfälle in Verbindung standen und der Systemzusammenbruch Ende 2001, begleitet von Plünderungen und ca. 25 Tote, waren vielleicht die tragischen Höhepunkte dieses Krieges, der auch gegen das eigene Volk geführt wurde.
Vor diesem Hintergrund erscheint der Anspruch des amtierenden Präsidenten Kirchner, aus Argentinien “ein normales Land” zu machen, ziemlich hochgesteckt.

Eine Demokratie niedriger Intensität

Zwei demokratische Parteien beherrschten, mehr oder weniger, die politische Landschaft in der oben beschriebenen Zeitperiode. Logischerweise konnten sich diese politische Gruppierungen, in den Zeiten wo die Konflikte gewaltsamer wurden, nicht erneuern oder weiterentwickeln. Die von der peronistischen PJ durchgeführten und von der bürgerlichen UCR mit getragenen Zerstörung des argentinischen Wohlfahrtsstaates in den 90er Jahren führte zu einer Sinnkrise dieser mehr oder weniger besser organisierten Wahlvereine. Symptomatisch dafür war die Aufstellung von 3 verschiedenen peronistischen Kandidaten zu den Präsidentschaftswahlen von April 2003. Ihnen gegenüber standen zwei ehemalige UCR – Würdenträger und der offizielle UCR – Präsidentschaftskandidat, der kläglich gescheitert ist.
Mit diese geschichtlichen Hintergrund kann man nicht erwarten, daß die argentinische Demokratie nach den Lehrbuchregeln funktioniert. Die Gründe:
a) Erst 1989 wurde ein demokratisch gewählter Präsident durch einen demokratisch gewählten Nachfolger ersetzt.
b) Die politischen und gesellschaftlichen Akteure, die die verschiedenen Phasen des “low intensity conflict” mit getragen haben, sind die selben die diese junge Demokratie entwickeln sollen.
In den letzten Wochen haben die argentinischen Medien indirekt über diese Themen berichtet. Für die Mehrheit der Bevölkerung blieb diese Debatte ohne Bedeutung, aber die veröffentlichte Meinung hat, nach dem argentinischen Scheitern bei der Fußball – WM, ihr Lieblingsthema gefunden. Angetrieben wurde sie durch zwei Entscheidungen der Regierung Kirchner.
Die 1994 durchgeführte Verfassungsreform sieht vor, daß der Präsident vom Instrument der Notverordnung Gebrauch machen darf.(spanisch: Decreto de Necesidad y Urgencia, DNU). Aber das argentinische Parlament hat seitdem versäumt, diese Bestimmung durch eine entsprechende Gesetzgebung zu begrenzen.
Erst jetzt hat eine Gesetzesvorlage der Exekutive festgelegt, daß eine paritätisch besetzte Kommission aus Abgeordneten- und Senatskammer, verbindlich zu den DNU Stellung nehmen soll. Allerdings hat diese Kommission dafür keine Fristen erhalten, und somit bleiben die Notverordnungen des Präsidenten in Kraft, bis das Parlament sich äußert.
Durch diese Instrumente wurde z.B. in der Menem – Zeit die großen Privatisierungen der Staatsbetriebe durchgeführt. De la Rua ließ auch so die Änderung der Zahlungsfristen der argentinischen Auslandsschulden absichern. Und Kirchner benutzte auch die DNU, um die Schulden beim IWF zu tilgen. Die zwei ersten Beispiele werden zur Zeit von argentinischen Gerichten auf ihre Strafbarkeit überprüft.
In einer weiteren Initiative sollten die Befugnisse des Kabinettschef festgelegt werden. Der Posten des Kabinettschef wurde auch durch die Verfassungsreform von 1994 geschaffen. Der Kabinettschef sollte regelmäßig das Parlament über die Tätigkeit der Exekutive informieren und das stark auf den Präsidenten der Republik ausgerichtete System durch eine parlamentarische Komponente abschwächen. Aber die Verfassungswirklichkeit zeigte etwas anderes; die bisher amtierenden Kabinettschefs kamen ihrer Berichtspflicht gegenüber dem Parlament selten oder ungern nach und sie wurden zu Vollstrecker der politischen Wünsche ihrer Präsidenten. In den letzten sechs Jahren erhielten sie außerdem Vollmachten von Parlament, um Gelder aus dem Nationalbudget nach eigenen Kriterien einzusetzen.
Diese Vollmacht wurde bei jeder Budgeteinreichung verlängert und die Regierung Kirchner möchte diese Möglichkeit in einem Gesetz umwandeln, um nicht alljährlich das Parlament darum zu bitten.,
Der amtierende Kabinettschef Alberto Fernandez argumentierte, daß er in den letzten Jahren nur 4 bis 5% der Gesamtsumme des Nationalbudgets umgeschichtet hat.

Budget, Parlament und die Wirklichkeit.

Während der Amtszeit von Raul Alfonsin (1983-1989) wurde nie ein Nationalbudget vom Parlament verabschiedet. Alfonsin wird in die Geschichte wegen der Wiederherstellung der argentinischen Demokratie eingehen, aber er ließ einfach die Budgets der Militärdiktatur erweitern oder umschichten. Der Grund: Während seiner gesamten Amtszeit verfügte Alfonsin über keine eigene Mehrheit im argentinischen Senat.
Unter Menem (1989-1999)geriet Argentinien unter der finanziellen Kontrolle des IWF. Eine der Forderungen des IWF war die Verabschiedung des Budgets durch das Parlament.
Menem verfügte über eigene Mehrheiten im Parlament und über die Zusage der UCR – Opposition, die großen wirtschaftlichen Reformen mit zutragen. Aber seine Pläne weichten so sehr von den Wahlversprechungen und der Ideologie der Peronisten ab, daß viele eigene Parteileute ihm die Gefolgschaft durch Abwesenheit im Plenarsaal kündigten. So kam es z.B. bei der Abstimmung über die Privatisierung der Erdölfirma YPF zur Besetzung von Abgeordnetenbänke durch Parlamentsangestellte, die auch im Sinne der Regierung abgestimmt haben, (Dieser Vorfall ging in die Geschichte als der Fall der “Diputruchos” (falsche Abgeordnete) ein).
Fernando de la Rua (1999-2001) hatte auch mit einen oppositionellen Parlament
zu kämpfen. Der Anfang des Endes seiner Amtszeit wurde eingeläutet durch die Änderung der Arbeitsgesetzgebung durch das argentinische Senat. Zur Zeit wird gerichtlich geklärt, wie viele Senatoren der peronistischen Mehrheit mit Schmiergelder des Geheimdienstes gekauft worden sind. Als Domingo Cavallo das Wirtschaftsministerium im März 2001 übernahm, erhielt er absolute Vollmachten vom Parlament, um die Wirtschaftskrise zu bändigen. Nur vor einem schreckten die Abgeordneten zurück: Cavallo wollte die Gesamteinnahmen des Staates als Garantie gegenüber dem IWF einsetzen und das Parlament verweigerte ihm hier die Gefolgschaft.
Viele Beobachter und Kritiker attestieren den amtierenden Präsident Kirchner eine Tugend, die fast keiner seiner Vorgänger hatte: er kann sehr gut mit Wirtschaftsdaten umgehen und besitzt eigene Vorstellung in diesen Fragen. Seit seiner Amtsübernahme war sein oberstes Prinzip die Kassen des Staates zu füllen, um das Land gegenüber den Unwägbarkeiten der internationalen Finanzen selbständig zu machen. Zu diesem Zweck wurde eine äußerst restriktive Finanzpolitik gefahren und kreative Buchhaltung eingesetzt. Noch während der Verhandlungen mit dem IWF wurden regelmäßig die Einnahmen des Staates unterbewertet, um finanzielle Freiräume für eine eigenständige Wirtschaftspolitik zu schaffen. Auch zur Finanzierung von öffentlichen Investitionen wurde neue Fonds geschaffen, die abseits der Kontrolle durch den IWF oder das argentinische Parlament standen. Durch solche Fonds wird z.B. das Öffentliche Personenverkehr im Großraum Buenos Aires subventioniert. Die regelmäßige Einreichung von zu pessimistisch kalkulierten Budgets vor dem argentinischen Parlament, gewährte der Exekutive die Verfügung über Milliarden großer “ungeplante” Überschüsse. Im letzten Jahr konnte die Exekutive ca. 3 Milliarden Dollar ohne Kontrolle durch das Parlament ausgeben.
Ein sehr großer Teil davon wurde für Infrastrukturinvestitionen eingesetzt, was auch unabhängige Analysten bestätigen. Kritisiert wird aber die mangelnde Transparenz dieser Politik und die Opposition äußert immer den Verdacht, daß diese Gelder für Wahlkampfzwecke mißbraucht werden.

Demokratie und Macht oder die Demokratie macht nichts.

Nestor Kirchner stammt aus einer politischen Bewegung, die noch nie die Wahrung der Formen der bürgerlichen Demokratie zu ihren wichtigsten Ziel erklärt hat. Auch die fortschrittlichen Gruppen dieser Bewegung, zu denen er historisch gehört, hielten in ihren glanzvollen Zeiten in den 70er Jahren nicht sehr viel davon. Erst der Staatsterrorismus hat manche (nur manche) davon überzeugt, daß die Demokratie doch ein schützenswertes Gut wäre.
Und die demokratisch gewählte Regierungen der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts wurden immer wegen ihrer geringen Durchsetzungskraft kritisiert. Noch in den 90er wurde die Regierung von Menem bewundert oder kritisiert (je nach Standpunkt) mit dem Satz: “Roba pero hace” (Er klaut, aber er tut was). In ähnlicher Weise wurden die “Macher” – Qualitäten der ehemaligen peronistischen Präsidenten Duhalde und Rodriguez Saa gewürdigt.
Kirchner setzt diese “Macher” – Tradition fort und möchte dabei weder vom guten Willen der peronistischen Gouverneure (wie sein Vorgänger Duhalde) noch von der Tätigkeit eines zersplitterten und nicht gerade effizient arbeitenden Parlament abhängig sein. Er möchte alle Entscheidungstrümpfe in der Hand haben und tendiert dazu, etwaige Widersprüche gegen seine Politik als Herausforderung gegen seine Macht zu sehen.
Fast alle seine demokratisch gewählte Vorgänger waren wie er Rechtsanwälte, aber als erster benutzt er auch im Alltagsdiskurs eine allgemein verständliche Sprache und scheut es auch nicht seine Gegner öffentlich zu brandmarken oder Konfliktsituationen in der Gesellschaft offen anzusprechen.
Diese Situation wird von der Opposition in Argentinien ausgenutzt, um sich zu profilieren. Allerdings zeigt die Qualität der Kritiken und ihre Sprachrohre, in welchen Zustand sich die argentinische Demokratie befindet.
Federführend innerhalb der Opposition ist die konservative Tageszeitung “La Nacion”. Bereits kurz vor der Amtsübernahme von Kirchner, gab es einen Treffen zwischen den damaligen Chefredakteur dieser Zeitung, Claudio Escribano, und den heute amtierenden Präsident. Escribano stellte dem Wahlgewinner einen Forderungskatalog in Bezug auf die zukünftige Politik ( Verurteilung von Kuba bei internationalen Foren, Anerkennung der Führungsrolle der USA und Übernahme der Außenpolitik von Washington, besondere Rücksichtnahme gegenüber den Unternehmern, Endgültige Einstellung der Verfahren wegen Menschenrechtsverletzungen der Militärdiktatur und Harte Hand in Fragen der inneren Sicherheit). Als Kirchner diesen Forderungskatalog ablehnte, schrieb Escribano, daß die Regierung Kirchner nicht länger als ein Jahr im Amt bleiben würde. Und seitdem führt sie eine Kampagne in diese Richtung.
Gern gesehener Kolumnist dieser Zeitung ist Mariano Grondona. In den 60er Jahren verfaßte er Dokumente für putschende Offiziere, während der Diktatur 76 – 83 gehörte er zu den intellektuellen Unterstützter des Staatsterrorismus. Immerhin hat er die Zeichen der Zeit erkannt: wenn die Regierung nicht mehr die Interessen des Establishment berücksichtigt, fordert er nicht mehr die Streitkräfte zum Putsch auf.
Jetzt mahnt er die Regierung zu mehr Verfassungstreue.
Die UCR – Opposition versucht auch die jüngsten Vorstöße der Regierung als den Griff nach der totalen Macht zu disqualifizieren. Aber die Zeitungsarchive torpedieren die Glaubwürdigkeit der Opposition. Neben der bereits erwähnten Budget – Politik von Alfonsin, tauchen dort auch die Vollmachtenanforderungen der UCR – Kabinettschefs Terragno und Colombo (1999-2001), die weit über die aktuellen Vollmachten von Fernandez hinaus gingen. Der aussichtsreichste Präsidentschaftskandidat breiter Kreise der UCR ist allerdings der ehemalige peronistische Wirtschaftsminister Lavagna, der während seiner Amtszeit (2002-2005) 216 DNU mit unterzeichnet hat.
Sich selbst disqualifiziert hat sich die ARI – Abgeordnete Carrio, die behauptet hat, daß es zwischen Kirchner und Hitler, bis auf die Errichtung von Konzentrationslager, keine Unterschiede gebe.
Konstruktive Kritik im Parlament üben nur einzelne Abgeordnete wie Claudio Lozano (Ökonom des Gewerkschaftdachverbandes CTA) oder die kleine Fraktion der argentinischen Sozialdemokratie (Partido Socialista).
Bei einer Ansprache vor dem spanischen Parlament während eines Staatsbesuches Anfang Juli 2006 sagte Kirchner in Bezug auf seine Kollegen Evo Morales und Hugo Chavez, daß bei der Analyse ihres Verhaltens die Geschichte der jeweiligen Gesellschaften berücksichtigt werden sollte. Der selbe Satz gilt uneingeschränkt für Kirchner und Argentinien


Zukunftsaussichten

Die Mehrheit der ArgentinierInnen scheint allerdings zufrieden zu sein mit dieser “Demokratie niedriger Intensität”. Obwohl erst im Oktober 2007 die kommenden Präsidentschaftswahlen stattfinden werden, gilt ein Wahlgewinn von Kirchner als ziemlich sicher. Die Opposition würde eine zweiten Wahlgang (will heißen kein Kandidat erreicht im ersten Wahlgang mehr als 40 % der Stimmen oder hält einen Vorsprung von mehr als 10% der Stimmen zum Zweiten) bereits als Erfolg feiern.
Zwischenzeitlich setzt Kirchner die Weichen für die kommenden Jahren fest. Nach einer Empfehlung der Regierung, haben Arbeitnehmer und Arbeitgeber Lohn und Gehaltserhöhungen von ca. 19% vereinbart. Der Mindestlohn soll durch einen Stufenplan bis auf 800 Pesos angehoben werden (im Mai 2003 betrug er 200 Pesos). Für dieses Jahr wird erneut ein Wachstum von ca. 8% vom BIP erwartet. Die Preiserhöhungen werden bei ca. 10% liegen, und somit die Inflationsbefürchtungen fürs Erste dämpfen.
Trotzdem lebt ca. ein Drittel der EinwohnerInnen des südamerikanischen Staates unter der offiziellen Armutsgrenze. Die Armutsbekämpfung, die Einführung eines progressiven Steuersystems und die Reform des privatisierten Rentensystems sind immer noch die nicht erledigte Aufgaben der Kirchner – Regierung. Außenpolitisch gibt es hoffnungsvollere Zeichen. Trotz der Konflikte mit Uruguay (Papierfabriken am Grenzfluß zwischen beiden Länder) und Chile (Preisanstieg der Erdgas – Lieferungen) erleben die gemeinsamen Pläne der südamerikanischen Länder einen erneuten Impuls. Die Errichtung einer Erdgaspipeline, an der Venezuela und Bolivien ihre Vorkommen einspeisen sollen und die Brasilien, Paraguay, Argentinien und Uruguay mit der notwendigen Energie für die Entwicklung versorgen soll; die Gründung einer “Südbank” um die MERCOSUR - Länder von den internationalen Finanzzentren unabhängig zu machen; gemeinsame Schuldscheine von Argentinien und Venezuela um öffentliche Vorhaben zu finanzieren, der Beitritt Venezuelas, der Antrag Mexikos als assoziierter Staat des MERCOSUR(wie Chile) zu gelten, erheben den gemeinsamen Markt zu mehr als die einfache Zollunion, die in den 90er Jahren von den Neoliberalen geplant worden ist.
Die jetzige Regierung packt auch ein anderen heißen Eisen den ihre Vorgänger gemieden haben. Ein neues Verteidigungsgesetz soll die Struktur der Streitkräfte verändern und sie einen gemeinsamen Generalstab unterordnen. Pläne zur Reform der Militärjustiz wurden auch Ende Juli 2006 vorgestellt.
Eingefroren ist fürs erste ein interessanter Entwurf zur Reform des argentinischen Strafgesetzbuches. Der von einer Expertenkommission eingereichte Papier scheint zu gewagt, will heißen zu fortschrittlich, für den Justizminister Iribarne zu sein.
Die “Demokratie niedriger Intensität” ist wahrscheinlich nicht der Idealzustand der angestrebt werden sollte, aber in Vergleich mit der jüngsten Vergangenheit doch ein Fortschritt. Oder in Kirchners Worten: “Wir kommen aus der Hölle und sind auf dem Weg durch das Fegefeuer”.

ROBERTO FRANKENTHAL

Der deutsche Beitrag im Kampf gegen die Straflosigkeit in Argentinien

DER DEUTSCHE BEITRAG IM KAMPF GEGEN DIE STRAFLOSIGKEIT IN ARGENTINIEN


Staatsterrorismus in Argentinien

Mit dem Putsch vom 24.März 1976 begann der blutigste und dunkelste Kapitel der argentinischen Geschichte.
Die argentinischen Streitkräfte, die bereits 1930,1943,1955,1962 und 1966 die Macht im Staat übernommen
hatten, setzten alle verfassungsmäßige Organe außer Kraft und besetzten alle Schalpositionen des Staates (auch Gewerkschaftsorganisationen, Universitäten, staatliche Forschungsinstitutionen) mit aktiven oder ehemalige Offiziere der Armee, Luftwaffe und Marine.
Im 20. Jahrhundert hatten die argentinischen Streitkräfte bereits eine besonders wichtige Rolle bei der Repression der politischen und sozialen Opposition gespielt. Die Erschießungen beim Arbeiteraufstand in Patagonien 1920-21, die Bombardierung der Plaza de Mayo bei einem Putschversuch im Juni 1955, die Erschießung von politischen Gefangenen in Trelew im August 1972 waren die Vorläufer des Staatsterrorismus, der bereits unter der demokratisch gewählten Präsidentin Isabel Peron 1974-75 entfacht worden ist.Zur Rechtfertigung der schlimmsten Menschenrechtsverletzungen im südamerikanischen Subkontinent in der zweiten Hälfte des vergangenen Jahrhunderts, wurde immer wieder mit der Existenz von bewaffneten
Organisation im Argentinien, die gewaltsam die Macht übernehmen wollten, argumentiert. Fest steht, dass aus militärischer Sicht beide Organisationen (Montoneros und ERP) bereits im März 1976 als besiegt galten. Die Tätigkeit dieser Gruppen hätte man mit polizeilichen und politischen Mitteln einstellen können, so wie andere Guerilla – Gruppen in Europa bekämpft worden sind.
Nominell hatten bis dahin die argentinischen Streitkräfte ihre Interventionen in der Politik als notwendigen und vorübergehendes Korrektiv einer schwachen Demokratie erklärt. Der Staatsstreich vom 24.3.1976 war aber eine Disziplinierungsmaßnahme, um die Gestalt der argentinischen Gesellschaft zu verändern.
Der argentinische Wohlfahrtsstaat, von Peron entworfen und von seinen zivilen und militärischen Nachfolgern in der Essenz aufrechterhalten, sollte abgeschafft werden. Noch 1975 betrug der Anteil von Löhne und Gehälter am BIP ca. 47%. Auf der Basis der Einkünfte aus der Landwirtschaft hatte sich ab 1930 eine Industrie etabliert, die beispielhaft für Südamerika war. Die Schaffung von Industriearbeitsplätze, ein bis dahin hervorragendes Erziehungswesen, ein dichtes Netz an Gesundheits- und Sozialeinrichtungen hatten die größte Mittelschicht
Lateinamerikas geschaffen.
Aber das argentinische Establishment wollte Mitte der 70er Jahre eine Rückkehr zu einem Exportorientiertes Modell, der durch eine demokratisch gewählte Regierung nicht durchzusetzen war. Wie oben bereits erwähnt wurde der staatliche Terrorismus bereits unter der demokratischen Regierung des Ehepaars Peron entfacht. 1974 wurden mit Mitteln des argentinischen Wohlfahrtsministeriums, damals unter der Leitung des Privatsekretärs von Peron, José Lopez Rega, das Todesschwadron „TRIPLE A“ gebildet. Mehr als 300 Menschen wurden bis März 1976 von dieser rechts extremistischen Terrororganisation ermordet. Die
Todesdrohungen der „TRIPLE A“ führten unzählige Politiker und Intellektuelle ins Exil.
Zwei Dekrete der Regierung von Isabel Peron aus dem Jahr 1975 ermächtigten die argentinische Armee an der „Aufstandsbekämpfung“ teilzunehmen. Die argentinischen Streitkräfte und die Sicherheitskräfte waren für diese Auseinandersetzung bereits vorbereitet.
Bereits 1930 führte der damalige Chef der argentinischen Bundespolizei, Leopoldo Lugones (h), die Benutzung von Elektroschocks als gängige Ermittlungsmethode. Gleichzeitig wurde eine Sektion der Bundespolizei mit der Observierung und zeitweiligen Verfolgung der politischen und sozialen Opposition beauftragt. Schon 1962 wurde die Repressionsmethode, die in die Geschichtsbücher als „der argentinische Tod“ eingegangen ist, das gewaltsame verschwinden lassen von Personen, eingeführt. Der erste Opfer hieß Felipe Vallese und war ein
Metallarbeiter.
Mitte der 60er Jahre übernahmen die argentinischen Streitkräfte die „Doktrin der Nationalen Sicherheit“. Der Kern dieser Doktrin war eine Verlegung der Grenzen, die von den Streitkräften verteidigt werden sollten. Die Landesgrenzen sollten aufgehoben werden, die Streitkräfte sollten die „christliche, westliche Lebensform“ verteidigen und den Feind im Landesinnere bekämpfen.
Zu diesem Zweck wurden ab 1965 französische Berater, die ihre Erfahrungen im Algerien- Krieg 1958 –1962 gesammelt hatten, vom argentinischen Generalstabschef der Armee zur Ausbildung von Offizieren bei der Aufstandsbekämpfung engagiert. Eine im Verhältnis zur Größe der argentinischen Streitkräfte kleine Anzahl von Mitgliedern besuchte die einschlägigen Lehrgänge der US – Armee in Panama oder Fort Bragg, Georgia.
Die paramilitärischen Aktivitäten der „TRIPLE A“ und die nach Meinung der Streitkräfte uneffektive Aufstandsbekämpfung unter einer demokratisch gewählten Regierung wurden ab 24.3.1976 abgeschafft. Die argentinische Landkarte wurde bis auf dem letzten Winkel in Militärzonen aufgeteilt und für jede dieser Zonen wurde ein Verantwortlichen für die Repression ernannt. Mehr als 380 geheime Folter- und Gefangenenlager wurden in militärischen und polizeilichen Einrichtungen aufgebaut. Armee, Marine, Luftwaffe und die Polizei bildeten Einsatzgruppen, dessen einzige Aufgabe darin bestand, die bewaffnete und die friedliche
Opposition zur Militärdiktatur zu brechen.
Auf offener Straße, an ihren Arbeitsplatz wurden Menschen festgenommen, sowohl von uniformierten Mitglieder der Streit – und Sicherheitskräfte, wie von in Zivil agierende Gruppen der Einsatzkräfte. Bis auf wenige Ausnahmen wurden alle Festgenommene nach ihrer Ankunft in den geheimen Lagern gefoltert. Kinder, schwangere Frauen, Behinderte, Nonnen, Arbeiter, Studenten, selbst ehemalige Mitglieder der Streitkräfte oder Angehörige des Personals der Einsatzgruppen wurden mit Elektroschocks und Schlägen mißhandelt.
Wer diese Anweisungsprozedur überlebte, hatte allerdings geringe Chance lebendig aus diesen Lagern herauszukommen. Die Mehrheit der Gefangenen wurde nach einigen Wochen „verlegt“, will heißen umgebracht. Die bevorzugte Methode zur Beseitigung der Oppositionellen war ihr Abwurf über die argentinischen Küstengewässer. Mehrmals wöchentlich flogen Frachtmaschinen der argentinischen Streitkräfte über dem Rio de la Plata. An Bord befanden sich die Gefangenen, die durch Anästhesie – Spritzen ruhig gestellt worden waren. Einer der bekanntesten Folterzentren war die Mechaniker – Schule ESMA. Nach Angaben der
Menschenrechtsorganisationen wurden mehr als 5.000 Personen hier eingeliefert. Die Zahl der Überlebenden liegt bei ca. 300 Personen.
Die vom argentinischen Präsidenten Alfonsin eingesetzte Untersuchungskommission CONADEP sammelte Beweise für ca. 9000 Fälle von Verschwundenen, die Menschenrechtsorganisationen beziffern ihre Zahl mit 30.000.
Neben dieser Vernichtungsmethode waren die militärische Besetzung von Universitäten und Fabrikgelände eine andere Form der Disziplinierung der politischen und sozialen Opposition. Diese Maßnahmen zur Veränderung der Gesellschaft machten auch keinen Halt vor Gruppen und Institutionen, die sich im Prinzip wohlwollend oder neutral gegen den Putsch von März 1976 verhalten hatten. Als Beispiel soll die Verfolgung der Hauptvertreter der nationalen Bourgeoisie genannt werden. José Ber Gelbard und Julio Broner, waren seit den 50er Jahren die Vertreter der CGE, ein Unternehmensdachverband, der besonders auf die Entwicklung des Binnenmarktes gesetzt hatten. Von den Streitkräften wurden sie wegen „ökonomische
Subversion“ angezeigt. Beide, ehemalige Einwanderer aus Osteuropa, mußten das Land verlassen um das Leben zu retten, ihre Güter wurden konfisziert und ihre erworbene argentinische Staatsangehörigkeit aberkannt.
Der Staatsterrorismus veränderte die ökonomische Struktur des Landes. Ein künstlich aufgeblähtes Finanzsystem wurde für die argentinische Wirtschaft wichtiger als die produzierende Industrie. Die Konzentration der Industriebetriebe in wenigen, z.Teil, ausländischen Händen wurde aktiv unterstützt. Die wirtschaftlichen Beziehungen zu Länder wie z.B. die Bundesrepublik Deutschland erlebten einen bis dahin nicht gekannten Boom.
Die Bundesrepublik Deutschland wurde zu einer der Hauptlieferanten der argentinischen Streitkräfte, besonders nach dem die damalige US – Administration unter Jimmy Carter 1977 einen Waffenembargo gegen Argentinien wegen der zahlreichen bekannten Menschenrechtsverletzungen verhängte.
Dornier – Flugzeuge für die argentinische Luftwaffe, Fregatten von Blöhm & Voss und Thyssen für die argentinische Marine oder Panzer von Krauss – Maffei für die argentinische Armee sind nur einige der Beispiele für diese fruchtbaren (oder furchtbaren?) Zusammenarbeit.
Bei zivilen Projekten bevorzugte die argentinische Militärdiktatur auch den Einsatz deutscher Technologie. Für das zweite AKW am Standort Atucha wurde die damalige Siemens – Tochter KWU unter Vertrag genommen. Die damalige deutsche Bundesregierung war vorher über den Militärputsch informiert worden. Sie unternahm jedoch nichts gegen den Putsch und ihre Politik der angeblichen "stillen Diplomatie" entlarvte sich immer deutlicher als "stille Sympathie" mit dem Militärregime. Der Bundesrepublik Deutschland waren die guten politischen und wirtschaftlichen Beziehungen zu Argentinien wichtiger als jede Kritik an der argentinischen
Diktatur - selbst als Deutsche in Argentinien verschwanden und ermordet wurden

Juristische und politische Aufarbeitung in Argentinien

Die argentinische Militärdiktatur kapitulierte nicht vor einem Volksaufstand, sondern an ihrer eigenen Unfähigkeit. Der Verlust des Malvinas – Krieges im Juni 1982 hatte die Unfähigkeit der Streitkräfte erneut bewiesen. Die sehr schlechte wirtschaftliche Lage, der Verlust des selbst begonnenen Krieges und die Zunahme an Informationen über die begangenen Menschenrechtsverletzungen ebneten den Weg zur Wiederherstellung der Demokratie. Noch im Jahr 1983 beschloss die damalige Junta die Mitglieder der Streit – und Sicherheitskräfte
durch eine „Selbst – Amnestie“ von der Strafverfolgung zu befreien. Diese Maßnahme der Militärdiktatur wurde vom peronistischen Kandidat Italo Luder stillschweigend zur Kenntnis genommen. Aber der Kandidat der anderen großen Volkspartei UCR, Raul Alfonsin, trat im Wahlkampf entschieden gegen diese „Selbst – Amnestie“. Für Alfonsin gab es drei Ebenen der Verantwortung: a) Die oberste Leitung der Streitkräfte b) Die mittleren Ränge der Streitkräfte, die während der Militärdiktatur, besonders „abscheuliche Verbrechen“ begangen hätten und c) Die niederen oder ausführenden Mitglieder der Streitkräfte, die diese Befehle umgesetzt
hätten. Alfonsin versprach im Wahlkampf nur die zwei ersten Gruppen strafrechtlich verfolgen zu lassen. Nach seiner Wahl im Oktober 1983 und seiner Amtsübernahme am 10.12.1983 setzte er dieses Wahlversprechen um.
Durch einen Regierungsdekret ordnete der frisch gewählte Präsident die strafrechtliche Verfolgung der Mitglieder der Militärjuntas, die zwischen 1976 und 1981 aktiv gewesen waren. Gleichzeitig organisierte er eine Untersuchungskommission, die unter der Leitung vom Schriftsteller Ernesto Sabato, die Menschenrechtsverletzungen der vergangenen Jahren untersuchen sollte. Die Streitkräfte erhielten eine Chance der Selbstreinigung durch die Entscheidung des Präsidenten, die Militärjustiz mit der Untersuchung der Ereignisse zu beauftragen. Aber das Oberste Militärgericht beschloss, nach einer mehrmonatigen Untersuchung, dass die Einsätze der Streitkräfte während der Militärdiktatur moralisch makellos gewesen wären. Damit übernahm die Ziviljustiz den Fall. 1984 übergab die gebildete Kommission CONADEP einen Bericht an die argentinische Regierung. „Nunca Mas“, Nie wieder ist der Titel dieser dokumentarischen Reise über die Abgründe der menschlichen Existenz. Die Öffentlichkeit erhielt wenige Monate danach Zugang zu diesem Bericht, als die Druckerei der Universität von Buenos Aires es in einer Millionen Auflage herausbrachte. Der Öffentlichkeit unzugänglich blieb eine Listen mit ca. 1.500 Verdächtigte dieser abscheulichen Menschenrechtsverletzungen, die nur Alfonsin erhielt.
Dieser Bericht bildete die Grundlage der Anklage, die im Jahr 1985 von den damaligen Staatsanwälten Julio Cesar Strassera und Luis Moreno Ocampo eingereicht worden ist. Der Prozess fand vor der Bundesstrafkammer der argentinischen Justiz. Anklage und Verteidigung benutzten das Recht mehrere Hundert Zeugen zu befragen. In einem nach den Normen des Rechtsstaates einwandfrei geführten Prozess wurden die Mitglieder ersten Militärjunta, Videla, Massera und Agosti zu lebenslangen Freiheitsstrafen verurteilt. Angeklagt wurde wegen Mord, Folter, Entführung, gewaltsame Freiheitsberaubung und andere bereits im argentinischen Strafgesetz tipifizierten Verbrechen. Andere Mitglieder der Juntas erhielten geringere
Haftstrafen und sogar die Mitglieder der dritten Junta wurden in diesem Verfahren freigesprochen.
Die Auseinandersetzung vor Gericht hatte eine wichtige pädagogische Wirkung. Sie festigte den Glauben der Mehrheit der Bevölkerung an den Rechtsstaat. Aber nur wenige Monate nach dem Urteil wurde der eingeschlagene Kurs der Aufarbeitung der jüngsten Vergangenheit verändert. Getrieben durch den zunehmenden Druck aus den Streitkräften, die seit Dezember 1983 die Strafverfolgung stillschweigend akzeptiert hatten, schlug die Regierung Alfonsin mehrere
Gesetze vor, um die juristische Verfolgung der Taten einzugrenzen. Der Schlusspunktgesetz von 1986, der die Einreichung von Klagen wegen der begangenen Menschenrechtsverletzungen zeitlich begrenzte, und der Befehlsnotstandgesetz von 1987, der die niedrigen Dienstränge unterhalb des Ranges eines Majors von der Strafverfolgung befreite, wurden vom argentinischen Parlament nur nach mehreren Aufständen der argentinischen Armee beschlossen.
Trotz dieser Hürden hatte die argentinische Justiz gegen Ende der 80er Jahre bereits Ermittlungen gegen die wichtigsten Offiziere der argentinischen Streitkräfte aufgenommen, die an der Repression beteiligt waren. Alle juristischen Bemühungen wurden aber 1989 und 1990 durch Entscheidungen des neu gewählten Präsidenten Carlos Menem untergraben.
Als symbolische Geste der Versöhnung beschloss Menem sowohl verurteilte Täter wie Angeklagte durch eine Reihe von Begnadigungen der Strafverfolgung zu entziehen. Bereits Inhaftierte Täter wie Videla und Massera wurden auf freien Fuß gesetzt und alle anderen Prozesse eingestellt. Mehr als 73 % der argentinischen Bevölkerung waren nach den damaligen Umfragen gegen diese Art der Versöhnung.
Der unermüdliche Einsatz der Menschenrechtsorganisationen bewirkte, dass in den Jahren danach trotzdem eine begrenzte Strafverfolgung stattfand. Die Entführung von Kindern und die Geburt und Zwangsadoption von Säuglingen in den Folterstätten der Militärdiktatur waren ausdrücklich von den Amnestie – Gesetze der 80er Jahre ausgeschlossen worden. Ab 1996 wurde zu diesem Thema in Argentinien ermittelt.

Die Koalition gegen Straflosigkeit - Wahrheit und Gerechtigkeit

Als sich im Frühjahr 1997 der argentinischer Friedensnobelpreisträger Adolfo Pérez Esquivel an das Nürnberger Menschenrechtszentrum wandte mit der Bitte, in Deutschland Strafverfahren gegen argentinische Militärs wegen der Ermordung und des Verschwindenlassens von deutschen- und deutschstämmigen Opfern der Argentinischen Militärdiktatur einzuleiten, knüpfte er an eine lange deutsch - argentinische Solidaritätsgeschichte an.
Mit dem Beginn der brutalen Militärdiktaturen in Lateinamerika (Brasilien, Chile, Argentinien) hatten sich in Deutschland an vielen Orten Solidaritätsgruppen organisiert, die nicht nur verfolgten, exilierten LateinamerikanerInnen in Deutschland Unterstützung gaben, sondern sich von Anfang an aktiv für die Opfer einsetzten, politische Veränderungen einklagten und die strafrechtliche Verfolgung der Täter forderten. Rundreisen von Müttern von „Verschwunden“ und Kampagnen wie die Amnesty - Aktion „Fußball ja – Folter nein“ erinnerten die Deutsche Öffentlichkeit immer wieder an die schweren Menschenrechtsverletzungen in Lateinamerika.
Die seit drei Jahrzehnten in vielen Orten Deutschlands existierende Solidaritätsbewegung mit Lateinamerika hat in den Jahren nach 1997 wesentlich dazu beigetragen, dass die Arbeit der „Koalition gegen Straflosigkeit“ von Beginn an auf eine breite Unterstützung zählen konnte.
Warum es aber fast zwei Jahrzehnte nach dem Ende der argentinischen Militärdiktatur (1983) gedauert hat, bis zum ersten Mal in der deutsch - argentinischen Geschichte Strafanzeigen gegen argentinische Militärs eingereicht wurden, bleibt ein Geheimnis und ist vielleicht nur damit zu begründen, dass man lange Zeit hoffte, dass in Argentinien selbst Gerechtigkeit möglich wäre.
Aber angesichts der ergebnislosen Versuche, die Täter in Argentinien selbst strafrechtlich zu belangen, sahen die Angehörigen der Ermordeten und „Verschwundenen“ keine andere Möglichkeit, als sich an die Menschenrechtsorganisationen und an die internationale Gemeinschaft zu wenden, in der Hoffnung , wenigstens jenseits der eigenen nationalen Grenzen Wahrheit und Gerechtigkeit zu erreichen.
Angesichts der Entwicklungen in Spanien, Italien und Frankreich, wo es schon Strafrechtsprozesse gegen argentinische Militärs wegen des Verschwindens von Staatsbürgern dieser Länder gab, trafen sich auf Einladung des Nürnberger Menschenrechtszentrums verschiedene Menschenrechtsgruppen sowie Organisationen der katholischen und evangelischen Kirche mit dem Ziel, ähnliche Strafprozesse in Deutschland zu initiieren. Im März 1998 wurde in Stuttgart die "Koalition gegen die Straflosigkeit in Argentinien – Wahrheit und Gerechtigkeit für die deutschen und deutschstämmigen Verschwundenen in Argentinien" gegründet.
Inzwischen gehören der „Koalition“ folgende Organisationen und Hilfswerke an:
Aktionszentrum Arme Welt, Tübingen; Amnesty International Argentinien Koordinationsgruppe, Stuttgart; Argentiniengruppe Stuttgart; Argentiniengruppe Rhein-Neckar, Heidelberg; Argentinien Arbeitsgruppe, Köln; Diakonisches Werk der EKD - Menschenrechtsreferat, Stuttgart; Forschungs- und Dokumentationszentrum Chile - Lateinamerika (FDCL), Berlin; Kirchlicher Entwicklungsdienst Bayern, Nürnberg; Kommission für Menschenrechte des Vereins der Richter und Staatsanwälte und des Anwaltsvereins, Freiburg; Koordination der Argentiniengruppen in Deutschland, Berlin; Medizinische Flüchtlingshilfe, Bochum; Misereor, Aachen; Missionszentrale der Franziskaner, Bonn; Nürnberger Menschenrechtszentrum; Pax Christi L.A. Solidarität, Düsseldorf; Republikanische Anwältinnen und Anwälteverein, Hannover;

Juristische Hürden
Das Ziel der „Koalition“, die strafrechtliche Verfolgung der argentinischen Militärs, war klar definiert, unklar war jedoch der genaue juristische Weg, da es keine vergleichbaren Anzeigen gab, die als Vorlagen hätten dienen können.
Die juristische Grundlage der Anzeigen sind das Grundgesetz und das deutsche Strafrecht, vor allem dessen § 7. Darin heißt es: "Das deutsche Strafrecht wird bei Straftaten gegen deutsche Staatsbürger im Ausland angewandt, wenn die Tat am Ort des Geschehens strafbar ist oder der Tatort keiner Rechtsprechung unterliegt." Das deutsche Strafrecht ist auf Straftatbestände gegen deutsche Staatsbürger im Ausland anwendbar.
Im Beisein von Adolfo Pérez Esquivel und den Familienangehörigen von „Verschwundenen“, Betina Ehrenhaus und Idalina Tatter, wurden am 7. Mai 1998 im Bundesministerium der Justiz, damals noch in Bonn, die ersten vier Strafanzeigen eingereicht, mit der Bitte, dass die Strafanzeigen über den Bundesgerichtshof in Karlsruhe an das Landgericht Nürnberg - Fürth weitergeleitet würden.
Dass der Bundesgerichtshof die Anzeigen angenommen und zwei Monate später im Juli 1998 an die Nürnberger Justiz weitergeleitet hat, war ein erster riesiger Erfolg, mit dem manche Fachleute damals nicht gerechnet hatten - schließlich befanden sich unter den Beschuldigten zwei ehemalige argentinische Staatschefs.
Wesentlich für die juristische Argumentation war Gutachten des Max - Planck - Institutes für ausländisches und internationales Strafrecht in Freiburg, das die Frage beantworten sollte: "Besteht eine Möglichkeit der Bundesrepublik Deutschland zur Strafverfolgung Angehöriger staatlicher argentinischer Stellen wegen der während der Militärdiktatur (1976-1983) dort begangenen Taten des "`Verschwindenlassens´ - trotz innerstaatlicher Straffreistellungsvorschriften?" Das Ergebnis der Arbeitsgruppe unter Leitung von Dr. Kai Ambos fiel positiv aus.

Von 1998 bis 2003 erstattete die Koalition Strafanzeigen in fast 40 Fällen von Entführung, Folter und Ermordung von deutschen oder deutschstämmigen Bürger/innen. Diese Strafanzeigen wurden der Staatsanwaltschaft Nürnberg - Fürth übergeben, die nach zunächst zögerlicher Haltung gegen insgesamt 74 argentinische Militärs wegen mittelbarer oder unmittelbarer Täterschaft in den eingereichten Fällen ermittelte.
2001 wurden drei Auslieferungsanträge an Argentinien gestellt. Als sie von Argentinien abgelehnt wurden, legte die Bundesregierung in Argentinien Rechtsmittel ein und betrat damit juristisches Neuland auf internationaler Ebene. Frankreich folgte diesem Beispiel wenig später.

Im Dezember 2003 erließ die Nürnberger Staatsanwaltschaft internationalen Haftbefehl gegen die ehemaligen Juntageneräle Jorge Rafael Videla und Emilio Massera sowie den pensionierten Brigadegeneral Carlos Suárez-Mason wegen des Mordes an den beiden deutschen Staatsangehörigen Elisabeth Käsemann und Klaus Zieschank. Als Mitglieder der früheren argentinischen Militärregierung laut Nürnberger Amtsgericht, „hatten sie ein Terrorregime samt Repressionsapparat mit hierarchischen Befehlsstrukturen errichtet, mit dem Ziel der
systematischen Tötung politisch Andersdenkender, so genannter „Subversiver“. Aufgrund ihrer Willensherrschaft über diesen organisatorischen Machtapparat... und ihrer absoluten Befehlsgewalt hatten sie unter Ausnutzung der bestehende Befehlsketten...gleichsam regelhafte Abläufe ausgelöst, die zur Tötung der nachgenannten Opfer führten“.
Die Nürnberger Richter hebten hervor: „Die Beschuldigten Videla, Massera und Suarez Mason ließen im Rahmen ihrer Organisationsherrschaft durch die ihnen weisungsgebundenen Sicherheitskräfte Klaus Zieschank in der Absicht töten, die zuvor zu dessen Nachteil begangenen Straftaten zu verdecken“.
Die Bundesregierung beantragte auch in diesen Fällen die Auslieferung nach Deutschland.
Diesem juristischen und politischen Triumph folgte nur wenige Monate später die ernüchternde Nachricht, dass die Nürnberger Staatsanwaltschaft die Einstellung sämtlicher anderer von der Koalition eingereichter Fälle verfügt hatte. Als Begründung wurde entweder die fehlende deutsche Staatsangehörigkeit angegeben - auch in den Fällen von „verschwundenen“ Töchtern und Söhnen jüdischer Deutscher, die aus Nazideutschland geflohen waren und denen das Naziregime widerrechtlich die deutsche Staatsbürgerschaft entzogen hatte - oder
es wurde die Begründung verwendet, dass beim „Verschwinden“ einer Person nicht mit der für eine Anklage erforderlichen Sicherheit von einem Mord ausgegangen werden könne. Das „Verschwindenlassen“ ist in der deutschen Strafgesetzgebung bislang nicht als Straftat definiert.

Politische Lobbyarbeit

Die juristischen und politischen Erfolge der „Koalition“ wären ohne eine intensive unterstützende Presse- und Öffentlichkeitsarbeit nicht möglich gewesen.
Den Anfang machte am 7. Mai 1998 ein internationales „Hearing gegen die Straflosigkeit in Argentinien“ im Bonner „Wasserwerk“. Weitere Pressegespräche, Veranstaltungen und Seminare folgten wie beispielsweise 21. März 2001 das öffentliche Hearing "25 Jahre Militärputsch und Völkermord in Argentinien" und die am selben Tag erfolgte Einreichung einer Anzeige wegen Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit gegen
argentinische Militärs im Bundesministerium der Justiz oder im offiziellen Programm des Ökumenischen Kirchentages in Berlin 2003.
Zahlreiche Treffen mit verantwortlichen politischen Entscheidungsträgern halfen, dass das Thema der „Verschwundenen“ in Argentinien immer wieder in den Agenden der Politiker auftauchte, und so auch die Nürnberger Justiz immer wieder an die Bedeutung ihrer Ermittlungstätigkeit erinnert wurde.
Höhepunkte der politischen Lobbyarbeit waren der Empfang von Familienangehörigen von Verschwundenen und Vertretern der „Koalition“ durch den damaligen Bundespräsident Johannes Rau im März 2001 und die Verleihung des Bremer Solidaritätspreises an die Gruppe der deutschen- und deutschstämmigen Mütter aus Argentinien und an die „Koalition gegen Straflosigkeit“ 2005.
Wenn auch die juristische Aufarbeitung in Deutschland zurzeit vor einem erzwungenen Abschluss steht, so ist das ganze Feld der politischen Verantwortung der deutschen Bundesregierung bei weitem noch nicht bearbeitet. Die schon vor Jahren gestellte Forderung der „Koalition“ nach einer Expertenkommission zur Aufarbeitung der politischen Verantwortung der deutschen Bundesregierung ist noch umzusetzen.

"Mayor Peirano”: Ein argentinischer Militär in der deutschen Botschaft Buenos Aires

Seit dem Beginn der Arbeit der Koalition gegen Straflosigkeit im Jahre 1998 berichteten die deutschen Familienangehörigen von Verschwundenen über die dubiose Figur des ”Mayors Peirano”, welcher der Deutschen Botschaft als angeblicher Kontaktmann zu den argentinischen Streitkräften bei der Suche nach deutschen und deutschstämmigen Verschwundenen diente. Dieser argentinische Offizier war in der Deutschen Botschaft in Buenos Aires tätig. Er nahm die Proteste der Familien verschwundener Deutschstämmigen parallel zum, und manchmal sogar anstelle des zuständigen Botschaftspersonals entgegen. "Mayor Peirano” versuchte,
mehr Informationen über die Verschwundenen, ihre Freundschaften, täglichen Aktivitäten usw. zu erhalten, anstatt dabei zu helfen diese tatsächlich ausfindig zu machen.
Kein Angehöriger der verschwundenen Deutschen der zur Zeit mit der Koalition gegen Straflosigkeit in Kontakt steht, kennt auch nur ein positives Ergebnis der Arbeit von „Mayor Peirano“ oder der deutschen Diplomaten in Buenos Aires zu jener Zeit. Die Angehöriger wussten nie ob “Mayor Peirano” wirklich dazu beitrug, einen Entführten oder Verschwundenen zu befreien. In verschiedenen Dokumenten, vor allem in Aussagen der Ehefrau eines Verschwundenen und in Habeas-Corpus - Verfahren jener Zeit gibt es Hinweise auf einen ”Mayor Peirano”. Die Informationen waren aber unvollständig. Man beachtete sie kaum, obwohl der Offizier mit dem berüchtigten ”Geheimdienstbatallion 601” des militärischen Geheimdienstes in Verbindung stand, das auf psychologische Operationen wie die Infiltrierung
von Widerstandsgruppen, Dokumentenfälschung, Entführungen und Erpressungen in Millionenhöhe ebenso spezialisiert war, wie auf zahlreiche ausgesuchte Morde.
Weder die argentinische Justiz noch deutsche Stellen gaben klare Auskünfte über ”Mayor Peirano”. Überlebende Gefangene der argentinischen Haftzentren „Brigada de La Plata“ und „Campo Arana“ erklärten 1984 vor der Untersuchungskommission CONADEP, dass ein gewisser Mayor Españadero (Mayor Peirano) an Operationen wie Entführung, Folter und Verhör teilnahm. Beim Treffen im Februar und Mai 1998 wurden hohe Beamte des deutschen Auswärtigen Amtes von Vertretern der Koalition gegen Straflosigkeit befragt, ob sie etwas über jenen “Mayor Peirano” wüssten, da er ein wichtiger Zeuge für einige Fälle sein könnte. In zwei Gesprächen in Bonn bestritten die Beamten, etwas über diesen argentinischen Offizier zu wissen und versuchten, eine der Zeuginnen, die bei zahlreichen Gelegenheiten in den Jahren 1977 – 1982 mit diesem Herrn in der Deutschen Botschaft sprach, davon zu überzeugen das sie etwas
verwechselt habe und sich irre, weil die Information nicht richtig sein könne. Dennoch wurden in den folgenden Monaten weitere Beweise für die Aktivitäten des “Mayor Peirano”, ebenso
wie über die anderen Personen, die Beschwerden von Angehörigen Verschwundener im Sitz der Botschaft selbst betreuten, gefunden.
Ende 1998 versuchte die Koalition erneut, diesbezüglich erhellende Informationen zu erhalten, in der Hoffnung, dass der Regierungswechsel in Deutschland die Kooperationsbereitschaft erhöht habe. Überraschenderweise gab im Januar 1999 das Auswärtige Amt in einem Schreiben zu, dass während der Jahre der Militärdiktatur die Botschaft die Zusammenarbeit mit “Mayor Peirano” akzeptierte, „in der Hoffnung, dass er möglicherweise durch seine Vermittlung helfen würde, das Schicksal der Deutschen oder Deutschstämmigen aufzuklären“. Das Auswärtige Amt blieb jedoch weiterhin unbeirrt dabei, dass ein “Kommandant Peirano” niemals Angestellter der Deutschen Botschaft in Buenos Aires gewesen sei.
Erstmals wurde damit bestätigt, was Mitglieder der Kommission der Angehörigen von Verschwundenen über Jahre hinweg wiederholt hatten, ohne dass dem Beachtung geschenkt oder nachgegangen worden war. Einige argentinische Zeitungen titelten wütend ”Deutsche Mitwirkung beim argentinischen Genozid”. Die deutsche Zeitung "Die Welt" sprach von der Anwesenheit eines ”Schlächters” in der Deutschen Botschaft. Vor seiner Argentinienreise in März 1999 forderte der ehemalige Bundespräsident Roman Herzog das Auswärtige Amt dazu auf, zu klären, ob die Deutsche Botschaft die Zusammenarbeit mit ”Mayor Peirano”
akzeptiert habe und unter welchen Bedingungen diese akzeptiert worden sei. Aufgrund von Forderungen deutscher Menschenrechtsorganisationen und argentinischer und deutscher Zeitungen wurde der Staatsminister im Auswärtigen Amt, Dr. Ludger Volmer, in die offizielle Delegation des Bundespräsidenten aufgenommen, um zu konkreten Fragen wegen der deutschen Verschwundenen in Argentinien Stellung zu beziehen.
In Argentinien erklärte Bundespräsident Herzog, dass er vom Auswärtigen Amt Informationen über Mayor Peirano angefordert habe und sich persönlich engagiere, um die Wahrheit diesbezüglich herauszufinden. Er bot ebenfalls an, die Archive der Deutschen Botschaft vor Ort öffnen zu lassen, um bei der Wahrheitssuche zu kooperieren.
Kurz darauf enthüllte die argentinische Tageszeitung “Página 12” nach kurzen Ermittlungen die Identität des bis dato unbekannten “Mayor Peirano”, den sie als Carlos Antonio Españadero, einen ehemaligen Offizier des Geheimdienstbatallions 601, identifizierte. Dieser gab zu, dass er in der Deutschen Botschaft in Buenos Aires gearbeitet habe und die Beschwerden der deutschen Angehörigen entgegengenommen habe. Die genannte Zeitung veröffentlichte ein Photo von Españadero, der von einigen deutschen Frauen als ihr damaliger Gesprächspartner wiedererkannt wurde.
Später, im Juli 1999, erklärte “Mayor Peirano” gegenüber der argentinischen Zeitschrift “Tres Puntos”, dass seine Aufgabe in der Deutschen Botschaft darin bestanden habe, “Kontakt mit den Angehörigen Verschwundener deutschen Ursprungs aufzunehmen.” Danach informierte er das Heer über jede Situation und basierend auf diesen Informationen wurde entschieden, was in jedem Fall gemacht wurde. „Wenn der Verhaftete terroristisch aktiv war, wurde er nicht gerettet”. Peirano fügte hinzu: "Wenn ich etwas verraten hätte, hätte mir mein Chef die Zunge herausgerissen. Außerdem brachten Anzeigen nichts.” Dann erläuterte er, dass gemäß seinen Ermittlungen in den vierzig Fällen von deutschstämmigen Verschwundenen “keiner von ihnen Terrorist war”. Er erläuterte auch, dass seine Aufgabe nicht darin bestanden habe, herauszufinden, wer die für die Verschleppung Verantwortlichen waren, da die “Regierung auf keinen Fall so etwas akzeptiert hätte.” Peirano blieb dabei, dass er nur bereit sei, vor einem Richter zu erscheinen, wenn von der Grundlage ausgegangen würde, dass er zu jener Zeit in einer Armee war, die sich im Krieg befand.
Am 28.02.2000 hatte Peirano in Buenos Aires vor dem argentinischen Bundesrichter Cattani ausgesagt. Unter anderem gab Peirano an, er habe sehr viele Vorgesetzte gehabt. Einer von ihnen könnte Oberst Muzzio gewesen ein. Bezüglich des Zeitraumes seiner Tätigkeit in dieser Botschaft antwortet er: „Ungefähr 1977, 1978, bis 1980.“ Peirano sagte auch, dass er in allen Fällen, in denen er tätig wurde, trotz der Gespräche und mit der Hilfe der Familienangehörigen niemanden finden konnte.
Die israelische Interministerialkommission zum Thema verschwundener Juden während der argentinischen Militärdiktatur empfiehlt 2004 ein Einreiseverbot für 100 argentinischen Repressoren nach Israel, unter anderem für Mayor Carlos Antonio Españadero, alias Mayor Peirano, alias Peña.
Heutzutage vermarktet Carlos A. Españadero seine Erfahrung und Wissen als Experte für private Sicherheit. In Bezug auf Mayor Peirano bleiben viele Fragen offen unter anderem, warum seine Anwesenheit in der Deutschen Botschaft so viele Jahre lang vom Außenminister und vom Auswärtigen Amt verleugnet wurde und welche Gründe die deutschen Diplomaten bewogen, die Zusammenarbeit mit Peirano zu akzeptieren, obwohl sie doch wussten, dass er keine Verpflichtung hatte, irgendeine Information über die Verschwundenen an die
Angehörigen selbst weiterzugeben?

Schlussbemerkungen

Die Arbeit der „Koalition gegen Straflosigkeit“ war ein Teil der internationalen Bemühungen, um das Ziel von „Wahrheit und Gerechtigkeit“ für die in Argentinien Verschwundenen, außerhalb der Grenzen des Landes weiter zu verfolgen. Diese Bemühungen führten auch zur Neuaufnahme von Ermittlungen in Argentinien, die letztendlich durch eine Entscheidung im Jahr 2005 durch das Oberste Gericht in Argentinien bestätigt worden sind.
In Bezug auf die deutsche Innenpolitik gehörte die „Koalition gegen Straflosigkeit“ zu einer
Reihe von NGOs, die eine Neuausrichtung der deutschen Außenpolitik forderten. Bestimmte
Ziele wurden von der damals amtierenden SPD/Grüne – Koalition umgesetzt. Andere Fragen,
besonders in Bezug auf die eigene Aufarbeitung der Rolle der deutschen Regierung und der deutschen Wirtschaft in der damaligen Zeit der Militärdiktatur in Argentinien, blieben unbeantwortet Eine relativ kleine Gruppe von engagierten Menschen und Organisationen haben es fertig gebracht, in Vertretung der argentinischen Menschenrechtsorganisationen und der Familienangehörigen der deutschen und deutschstämmigen Verschwunden, einen Schritt weiter im noch fortdauernden Kampf um „Wahrheit und Gerechtigkeit“ zu machen

Roberto Frankenthal – Februar 2006


Quellen

Menschenrechte und Außenpolitik. Bundesrepublik Deutschland - Argentinien 1976-1983
Hrsg. Koalition gegen Straflosigkeit
Horlemann Verlag, Bad Honnef, 2006


Nunca Mas Informe de la Conadep
Hrsg. Comision Nacio sobre la desaparicion de personas
EUDEBA, Buenos Aires 1984 1° Edicion

Archiv der Zeitschrift „ARGENTINIEN NACHRICHTEN“
Ausgaben 47-59
Hrsg. Argentinien Gruppe Stuttgart, Stuttgart 1998-2006
www.argentinien–nachrichten.de

Archiv der „Koalition gegen Straflosigkeit“
DIML – NMRZ, Nürnberg 1997 – 2006
www.menschenrechte.org

Esteban Cuya